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# taz.de -- Stichwahl in Senegal: Macky wetzt die Messer
> Bei der Wahl in Senegal verfehlt Präsident Wade offenbar die absolute
> Mehrheit. In der zweiten Runde könnte Expremier Macky Sall ihn schlagen.
Bild: Der Ruf nach Frieden wurde am Wahltag in Senegal gehört.
DAKAR taz | Im Wahlkampfbüro von Macky Sall sieht es nach einer langen
Partynacht aus. Der Hauch von Zigarettenqualm hängt noch in der Luft, ein
paar leere Schachteln liegen auf den Tischen. Auf den weißen Stufen im
Treppenhaus kleben schmutzige Schuhabdrücke. Dort sitzen die letzten müden
Macky-Anhänger, die noch nicht nach Hause gegangen sind.
Sie reiben sich an diesem späten Montagvormittag die Augen und blättern
durch die Tageszeitungen. Ab und zu huscht ein Grinsen über ihr Gesicht:
Ihr Kandidat strahlt siegessicher auf den Titelbildern. Der Wahlkampf hat
sich gelohnt.
Nur einer scheint noch jede Menge Energie zu haben: Abdoulrahmane Ndiaye.
Macky Salls Wahlkampfleiter wirkt frisch und hellwach, obwohl die Wahlnacht
bis zum Morgen gedauert hat. „Bis sechs Uhr haben wir hier gesessen und auf
die Ergebnisse gewartet“, sagt er und drückt immer wieder auf den
Tastaturen seiner Handys rum. Sie klingeln unablässig, Glückwünsche trudeln
ein.
Die mit Spannung verfolgte Präsidentschaftswahl in Senegal hat Macky Sall
zwar noch nicht gewonnen, doch besser könnte die Stimmung in seinem
dreistöckigen Bürogebäude nicht sein. Alles deutet auf eine Stichwahl
zwischen Amtsinhaber Abdoulaye Wade und Herausforderer Macky Sall hin.
## Entspannte Stimmung am Wahltag
Anders als in den Tagen vor der Wahl häufig vermutet, hat der 86-jährige
Wade nämlich längst nicht überall die Mehrheit holen können. Sogar vor
seinem eigenen Wahllokal in Dakar buhten viele Wähler den Alten aus, und er
kam nicht einmal dort auf den ersten Platz.
Nach den Unruhen in den Tagen vor der Wahl war die Stimmung am Wahltag
selbst entspannt. Nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse jubeln die
Menschen in den Straßen zaghaft: Wade ist schon halb geschlagen, scheint
es. Taxifahrer Moustapha hat mitgejubelt.
Am Montagnachmittag hat er sein Autoradio laut aufgedreht und hört den
neuesten Teilergebnissen zu. Moustapha spricht Wolof, die am meisten
verbreitete Sprache in dem Land mit den knapp 13 Millionen Einwohnern. „Wir
wollen Wade nicht mehr“, sagt er.
## Verfassungswidrige Kandidatur
Dass die Ära Wade nach zwölf Jahren vorbei ist, das sagt auch Abdoulrahmane
Ndiaye. „Seit gestern Abend wissen wir: Der neue Präsident Senegals heißt
Macky Sall. Im zweiten Wahlgang wird die ganze Opposition hinter ihm
stehen. Das ist hundertprozentig sicher“, sagt er. Sicher sei es deshalb,
weil alle 13 Anwärter auf das Präsidentschaftsamt die erneute Kandidatur
Wades als illegal ansahen. Die Verfassung aus dem Jahre 2001 sieht nur noch
zwei Amtszeiten vor, die Wade bereits hinter sich hat.
Doch Macky Sall habe noch viele weitere Vorzüge, sagt der Wahlkampfmanager
und zeigt auf die große Landkarte, über die seine Mitarbeiter die
Ergebnisse gepinnt haben, die im Laufe der Wahlnacht eingetrudelt sind.
„Dreimal hat er das ganze Land besucht. Es gibt kein einziges Dorf, in dem
er nicht war.“ Schon vor den Wahlen hieß es, Sall sei der einzige
Oppositionskandidat, der tatsächlich Wahlkampf betrieben hat.
## Den heimlichen Thronfolger einbestellt
Dann zählt Ndiaye auf, welche Ämter Macky Sall in den vergangenen Jahren
ausgeübt hat. Der 51-jährige Geologe war zwischen 2000 und 2008
Energieminister, Innenminister, Premierminister, Parlamentspräsident. Es
klingt nach einer steilen, erfolgreichen Karriere, die ausgerechnet von
Wade gefördert wurde. Doch dann fiel Sall in Ungnade. Er bestellte nämlich
Karim Wade – Sohn und heimlicher Thronfolger des Präsidenten – zu einer
Anhörung in die Nationalversammlung.
Karim Wade war für die Vorbereitung der Islamischen Weltkonferenz in Dakar
zuständig und verwaltete ein riesiges Budget – eine Konstellation, die
vielen Politikern nicht geheuer war. Der alte Wade wertete die
Einbestellung von Karim als Kritik an ihm und seinem Sohn. Macky Sall
musste gehen. Eine neue politische Heimat fand er, mittlerweile
Bürgermeister der Stadt Fatick, bei der Alliance pour la République
(APR-Yaakaar). Die Partei sieht sich als Sammelbecken für alle und
verspricht, wenig originell, allen ein besseres Leben.
Eines ist jetzt schon klar: Die Tage der Sozialistischen Partei (PS) sind
wohl endgültig gezählt. Die Partei des Staatsgründers und Poeten Léopold
Sédar Senghor war nach der Unabhängigkeit 1960 vierzig Jahre lang
unangefochten an der Macht, bis Wade ihre Dauerherrschaft mit seiner Wahl
2000 brach. Von einer Revanche träumten manche Sozialisten jetzt –
vergeblich.
27 Feb 2012
## AUTOREN
Katrin Gänsler
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