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# taz.de -- Proteste im Senegal vor der Wahl: Explosion der Wut
> Schwere Unruhen im Senegal: Präsident Wade darf zu einer dritten Amtszeit
> antreten, der Musiker N'Dour gar nicht erst zur Wahl. Oppositionsführer
> werden festgenommen.
Bild: Die Chancen auf faire und friedliche Wahlen schwinden: Protest in Dakar a…
BERLIN taz | In Dakar und anderen Städten im Senegal sind am Wochenende
schwere Unruhen ausgebrochen. Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am
26. Februar lieferten sich junge Demonstranten in der Nacht zu Samstag
Straßenschlachten mit der Polizei. Ein Polizist wurde getötet, Autos und
Geschäfte gingen in Flammen auf. Am Freitag abend hatte der Verfassungsrat
des Landes die Kandidatur des amtierenden Staatspräsidenten Abdoulaye Wade
zu einer dritten Amtszeit zugelassen. Die Verfassung sieht aber nur zwei
gewählte Amtszeiten vor.
"Wade, dégage!" (Hau ab!) skandierten Protestler in Anlehnung an die
Revolte in Tunesien, die vor gut einem Jahr zum Sturz des Dikators Ben Ali
geführt hatte, und "Das Volk will den Sturz des Regimes!" in Anlehnung an
die nachfolgende Revolution in Ägypten. Die seit Monaten aktive jugendliche
Protestbewegung Senegals will sich an den Umstürzen Nordafrikas ein
Beispiel nehmen.
Am Samstag abend rief die Oppositionskoalition "M-23" zum friedlichen
"Widerstand" gegen Wade auf. Zuvor waren mehrere ihrer Führer von der
Polizei festgenommen worden, darunter ihr Chef Alioune Tine, einer der
bekanntesten Menschenrechtsanwälte Afrikas und Führer der "Afrikanischen
Sammlung zur Verteidigung der Menschenrechte" (Raddho).
## "Ich bin und bleibe Kandidat"
Bei einem Marsch zum Polizeigebäude, wo Tine festgehalten wird,
misshandelte die Polizei weitere Oppositionelle, darunter den Popstar
Youssou N'Dour. Dessen Kandidatur zur Präsidentschaftswahl war von Senegals
Verfassungshütern abgelehnt worden. Von den 12.936 Unterschriften, die
N'Dour eingereicht habe, seien nur 8.911 gültig gewesen, während das Gesetz
10.000 verlangt, erklärten die Verfassungsrichter. N'Dours Wahlkampfteam
hingegen behautpet, noch viel mehr Unterschriften gesammelt zu haben. "Ich
bin und bleibe Kandidat", sagte N'Dour.
Youssou N'Dours Präsidentschaftskandidatur hatte in Senegal relativ wenig
Echo gefunden. Nun könnte er zum Gesicht der senegalesischen
Protestbewegung werden. In seinem Heimatland ist der Musikstar eher als
reicher Geschäftsmann bekannt; repräsentativ für die protestierende Jugend
ist der 52-Jährige nicht.
Senegal ist eigentlich kein Polizeistaat, sondern die älteste
Mehrparteiendemokratie des frankophonen Afrika. Doch Abdoulaye Wade hat es
geschafft, Senegals Image als Bastion von Stabilität und Toleranz in
Westafrika zu zerstören. Wades Wahlsieg 2000 und seine liberale
"Demokratischen Partei Senegals" (PDS) hatten die 40-jährige Herrschaft der
senegalesischen Sozialisten beendet.
Damals galt Wade trotz seines hohen Alters als Erneuerer Afrikas und er
selbst sieht sich als deren intellektueller Vordenker. Doch ausgerechnet
von Nordkorea ließ er in Dakar ein gigantisches "Monument der afrikanischen
Renaissance" bauen, investierte in pharaonische Bauprojekte und züchtete
eine reiche Elite und tat nichts gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit.
Proteste gegen steigende Preise und sinkende Lebenschancen erschütterten
Senegal bereits im vergangenen Jahr. Inzwischen hat der Kampf gegen eine
dritte Amtszeit die politische Opposition und die protestierende Jugend
geeint. Dass der steinalte Präsident sich nicht von der Macht zurückziehen
will, hat selbst zahlreiche seiner einstigen Anhänger enttäuscht. Im Jahr
2001 hatte Wade mit einer neuen Verfassung erstmals eine Begrenzung der
Amtszeiten des Präsidenten eingeführt: statt einer unbegrenzten Anzahl von
Sieben-Jahres-Mandaten sollte der Staatschef jetzt nur noch zweimal fünf
Jahre regieren dürfen.
Aus Wades Sicht war seine zweite Amtszeit eigentlich seine erste. Das sieht
die Opposition anders. Hinzu kommt, dass 2008 per Verfasungsänderung das
Mandat des Präsidenten erneut auf sieben Jahre verlängert wurde.
Würde der alte Wade jetzt wiedergewählt werden, wäre er also bis 2019 im
Amt. Viele Kritiker befürchten, er würde noch vorher ohne Neuwahlen die
Macht an seinen Sohn Karim Wade weitergeben. Der Präsident hat nun einen
fairen Wahlkampf versprochen. Zugleich aber will er laut Medienberichten
einige seiner aussichtsreichsten Gegenkandidaten noch vor der Wahl aus dem
Rennen werfen, durch Steuerermittlungen. Die Chancen auf eine faire und
ruhige Wahl schwinden.
29 Jan 2012
## AUTOREN
Dominic Johnson
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