| # taz.de -- Gewalt im Senegal: Die Jungen und der Alte | |
| > Jeden Tag nimmt die Gewalt in Dakar zu. Am Sonntag will sich der uralte | |
| > Präsident Wade wiederwählen lassen. Die Opposition geht auf die Straße. | |
| Bild: Polizisten nehmen einen Demonstranten in Dakar fest. | |
| DAKAR taz | Der junge Mann im roten T-Shirt ist wütend und reckt seinen | |
| rechten Arm in die Höhe. Dick vermummt mit einem schwarzen Schal steht er | |
| auf der Avenue Lamine Guèye mitten in der senegalesischen Hauptstadt und | |
| brüllt: "Wade soll endlich abhauen. Los! Hau ab! Wir wollen dich nicht mehr | |
| sehen." Dann bückt er sich und greift sich ein paar Steine. Ein anderer | |
| Demonstrant hat sie gerade auf einem klapprigen Fahrrad angeschleppt und | |
| somit für Nachschub gesorgt. | |
| Steine fliegen auf die Polizei, die sich die spontane Demonstration im | |
| Stadtteil Plateau schon seit Stunden ansieht. Ab und zu setzen die | |
| Polizisten Tränengas ein. Für alle Fälle stehen Wasserwerfer bereit. Doch | |
| die Demonstranten macht das nur noch verärgerter. Sie wollen kämpfen: gegen | |
| die Polizei, vor allem aber gegen Präsident Abdoulaye Wade, der sich am | |
| kommenden Sonntag zum dritten Mal zum Staatsoberhaupt wählen lassen will. | |
| Seit einer Woche spielen sich diese Szenen täglich auf den Straßen Dakars | |
| ab. Zu den Demonstrationen ruft in aller Regel die Opposition M23 (Bewegung | |
| 23. Juni) auf, deren Ziel es ist, dass Wade nicht wiedergewählt wird - | |
| besser noch, er würde seinen Rückzug ankündigen. | |
| In der Vergangenheit haben die Anhänger der Bewegung stets gefordert, dass | |
| ihre Veranstaltungen friedlich verlaufen sollen. Davon ist seit Tagen kaum | |
| noch etwas zu spüren. Am Sonntagnachmittag etwa entlädt sich die Wut ganz | |
| spontan, ohne Aufruf. Rund um eine Moschee im Zentrum haben sich | |
| Demonstranten und Gläubige versammelt. Denn ausgerechnet in die Moschee | |
| flogen ein paar Tage zuvor mehrere Tränengasgranaten, abgefeuert von | |
| Polizisten. | |
| ## "Ich kann ihn nicht mehr sehen" | |
| "Das war ein historischer Augenblick", sagt Samba Diouf und ärgert sich. | |
| "So viele Gläubige waren zum Beten in die Moschee gekommen. Und dann so | |
| etwas." Er selbst war nicht da, hörte aber kurze Zeit später im Radio | |
| davon. | |
| Zwei Tage später will er in der Moschee eigentlich hören, was die weisen | |
| Männer des Landes, die Marabuts, zu den Vorfällen und der Lage in Senegal | |
| zu sagen haben. Doch das geht im Gemenge der Demonstranten draußen unter. | |
| "Ich kann den Alten nicht mehr sehen", ruft ein schmächtiger Mann. Mohammed | |
| heißt er und ist Anfang 20. "Der weiß doch gar nicht, wie es uns hier | |
| draußen geht. Der hat doch keine Ahnung." Wütend stochert er mit einem | |
| Stock im Feuer herum, das andere Demonstranten mit Autoreifen und | |
| Holzlatten entfacht haben. | |
| Nicht nur im Zentrum lodern die kleinen Feuer, sondern auch in den | |
| Vororten. In der Nacht soll mindestens ein Student ums Leben gekommen sein. | |
| Für den gestrigen Montag hat die Opposition zu neuen Demonstrationen am | |
| Nachmittag aufgerufen. Büros und Geschäfte schließen vorsorglich bereits | |
| mittags. | |
| Mohammed schüttelt den Kopf, wenn er an Wades Alter denkt. Der ist 85 Jahre | |
| alt und will sich unbedingt zum dritten Mal zum Präsidenten wählen lassen. | |
| Möglich wurde das ohnehin nur durch die Änderung der Verfassung. Denn | |
| eigentlich wäre nach zwei Amtsperioden Schluss gewesen. Wenn Abdoulaye Wade | |
| wiedergewählt wird und während der dritten Amtszeit nicht stirbt, hat er | |
| gute Chancen, zu einem der ältesten Präsidenten Afrikas zu werden. | |
| Im Senegal sind gerade einmal einmal 3 Prozent der rund 13 Millionen | |
| Einwohner älter als 65 Jahre, dagegen aber gut 43 Prozent 14 Jahre und | |
| jünger. Um die, so findet Mohammed, hätte Wade sich nie gekümmert. "Viele | |
| hängen doch auf der Straße rum. Es gibt keine Arbeit, einfach nichts." | |
| Trotzdem weiß er auch nicht so richtig, was er sich von der Opposition | |
| erhofft. "Es soll besser werden", sagt er vage, "einfach besser und neu." | |
| 20 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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