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# taz.de -- Umsturz in Mali: Geputscht wird anderswo
> Der Putsch könnte Bewegung in die Tuareg-Rebellion im Norden Malis
> bringen. Doch viele plagen andere Sorgen – die Hungerkrise geht weiter.
Bild: Der Putsch in Bamako könnte schnell zum Flächenbrand im ganzen Land fü…
So langsam wird es auch in anderen Teilen Malis das Thema schlechthin: Das
Militär hat geputscht, und der gestürzte Präsident Amadou Toumani Touré -
häufig wird er nur ATT genannt - soll sich irgendwo in Mali versteckt
halten.
Am Donnerstagabend ließ Amadou Konaré, Führer des neu gebildeten
Nationalkomitees in dem sich die Soldaten zusammen getan haben, verkünden:
ATT geht es gut. Allerdings sagte er nicht, ob die Soldaten den 63-Jährigen
bereits haben oder zumindest wissen, wo er sich befindet. Genau das heizt
die Spekulationen in Mali kräftig an.
Auch in der kleinen Bar, die zur namenlosen Auberge in Sevare gehört und an
der Straße gen Norden nach Timbuktu liegt. Auf beiden Seiten des Raumes
stehen ein paar Holzstühle und Tische an der Wand. Das Neonlicht ist
schwach und flackert ungemütlich. Über der Bar läuft der Fernseher.
Ein paar Männer stehen am Tresen und sind extra deshalb gekommen - und
wegen der Nachrichten aus Bamako. Auch Paul Dolo hat sich gerade ein
kleines Bier bestellt und schaut gebannt auf den Bildschirm, auf dem ein
paar Soldaten zu sehen sind. Er schüttelt den Kopf. Einverstanden ist er
nicht mit dem, was gerade in Bamako geschieht.
„So ein Putsch ist doch nie gut. So etwas richtet sich immer gegen
Zivilisten, die mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.“ Von Plünderungen
habe er schon gehört und den Schusswechseln. Trotzdem beschreiben
Augenzeugen die Lage mittlerweile wieder als einigermaßen ruhig.
Verschiedenen Angaben zufolge hat es einen Toten und 40 Verletzte gegeben.
Das Nationalkomitee hat eine Ausgangssperre verhängt und alle Grenzen dicht
gemacht. Angst bereiten Dolo die Nachrichten jedoch nicht. „Bamako ist
einfach weit weg. Hier wird uns schon nichts passieren“, sagt er und nimmt
einen kräftigen Schluck.
## Rund 1,8 Millionen Menschen leiden unter der Nahrungsmittelkrise
Es hat ein bisschen gedauert, bis die Nachrichten überhaupt durchgesickert
sind. Am Mittwochabend besetzten Soldaten den Präsidentenpalast, danach
Staatsfernsehen und Staatsradio und erklärten den Sturz ATTs. Doch im
Moment haben viele Menschen in der Region, die einst das beliebteste
Touristenziel des Landes war, ganz andere Sorgen. In Wadouba, einem kleinen
Dorf gut eine Autostunde von Bandiagara entfernt, steht Moussa Ouologeum in
der Sonne.
Er ist ein hagerer Mann und der erste, der am Donnerstagmorgen seinen Sack
Hirse entgegen nimmt. 7500 Cefa - gut elf Euro - bezahlt er dafür. Möglich
macht es ein Projekt der Welthungerhilfe zur Bekämpfung der
Nahrungsmittelkrise im Sahel. Alleine in Mali sind 1,8 der rund 14
Millionen Einwohner akut von den Ernteausfällen betroffen. Bis zur nächsten
Ernte könnten es fünf Millionen Menschen sein. Moussa Ouologuem ist froh
über diese Unterstützung.
„Wir sind 21 in meiner Familie“, sagt er und schaut sich den 50-Kilo-Sack
Hirse an. Vermutlich wird dieser gerade einmal drei Tage lang reichen. Doch
was passiert, wenn der Sack leer ist? Das ist seine große Sorge und nicht
das, was gerade in Bamako geschieht. „Ich habe heute Morgen aus dem Radio
erfahren. Aber äußern kann ich mich eigentlich nicht dazu“, sagt Moussa
Ouologuem und packt seinen Sack auf den Eselkarren, den er sich mit einem
Nachbarn teilt.
Für den Familienvater wird sich auch mit Putsch erst einmal nichts ändern.
Trotzdem könnte er eine Art Befreiung sein. Der gestürzte Präsident ATT
wäre zwar auch ohne die Machtübernahme durch die Soldaten so nur noch fünf
Wochen an der Macht geblieben. Denn für den 29. April waren
Präsidentschaftswahlen geplant. Nach zehn Jahren im Amt kündigte er vor
einigen Monaten an, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten.
## 200.000 Binnenflüchtlinge aufgrund der Tuareg-Rebellion
Doch nun könnte endlich Bewegung in die Tuareg-Rebellion im Norden kommen,
die als Auslöser für den Putsch gilt. Seit Mitte Januar die Rebellenarmee
der Tuareg, die MNLA (Nationale Befreiungsbewegung Azawad), weite Teile des
Nordens eingenommen. Mittlerweile sollen knapp 200.000 Menschen auf der
Flucht sein. Angst bereitet auch der steigende Einfluss von AQMI, Al Qaida
im Islamischen Maghreb.
Für die malische Armee ist es ein aussichtsloser Kampf gewesen, den die
schlecht ausgerüsteten Soldaten letztendlich nicht mehr weiter kämpfen
wollten. Unterstützung bekommen sie nun auch auf politischer Ebene. So
befürwortet die Partei SADI (Afrikanische Solidarität für Demokratie und
Unabhängigkeit) auf ihrer Homepage den Putsch.
Plötzlich mahnt die Kellnerin in der Auberge-Bar zur Eile. „Bitte, schnell
austrinken“, ruft sie. Irgendein Gerücht von Soldaten in Sevare ist im
Umlauf. Mehr weiß sie nicht, scheucht aber vorsichtshalber alle Kunden auf.
Plötzlich ist der Putsch da.
23 Mar 2012
## AUTOREN
Katrin Gänsler
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