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# taz.de -- Politische Krise in Senegal: „Hände weg von der Verfassung“
> Vor allem junge Senegales:innen haben erneut gegen die Verschiebung
> der Präsidentschaftswahl protestiert. Ein erster toter Demonstrant ist zu
> beklagen.
Bild: Demonstrierende am Freitagnachmittag auf einer Straße in Dakar: Aus Angs…
DAKAR taz | Die meterhohen Rauchschwaden, verursacht durch das Brennen von
Autoreifen rund um den Platz der Nation im Zentrum von Dakar, sind schon
aus der Ferne zu sehen. Die recht spontan angekündigten Proteste gegen die
Wahlverschiebung erreichen am Freitagnachmittag nach dem muslimischen
Freitagsgebet eine neue Dimension. Wie viele Menschen in der Hauptstadt des
Senegal auf der Straße sind, lässt sich schwer schätzen.
Im Kurznachrichtendienst X teilen User:innen auch Fotos und Videos von
Szenen aus anderen Städten wie Ziguinchor und St. Louis. Eins haben alle
Proteste gemeinsam: In der Mehrzahl bekunden wütende junge Männer ihren
Unmut über die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 25. Februar.
[1][Aktuell soll nun am 15. Dezember gewählt werden]. Das heißt,
[2][Präsident Macky Sall] könnte rund ein Jahr länger als eigentlich von
der Verfassung vorgesehen im Amt bleiben.
Diop ist vorbereitet. Er trägt eine Mütze und ein schwarzes T-Shirt. Seinen
richtigen Namen gibt er nicht preis, er möchte lieber nicht erkannt werden.
Aus Angst vor möglichen Repressionen werden Demonstrierende zunehmend
vorsichtig.
Er zieht sich den ebenfalls schwarzen Mundschutz über die Nase, damit er
das Tränengas ertragen kann. Wie schon während [3][der vergangenen beiden
Proteste in Dakar] haben die Sicherheitskräfte es umgehend eingesetzt.
Immer wieder wird neues gefeuert. Diop geht es vor allem um eins: „Niemand
darf unsere Verfassung anfassen. Wir wollen doch nur wählen.“ Und zwar am
25. Februar. So stand es auch in dem Protestaufruf. In ihm wird auch der
angekündigte nationale Dialog abgelehnt.
[4][Für Senegal ist es ein Déjà-vu]. Schon 2011 hieß es: „Hände weg von
meiner Verfassung.“ Salls Vorgänger Abdoulaye Wade ermöglichte deren
Änderung eine erneute Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012. Ausgerechnet
gegen Macky Sall verlor er damals in der Stichwahl.
## „Ich habe keine Steine, nur Wasser“
Bevor Diop weiter in Richtung Platz der Nation zieht, ist ihm noch etwas
wichtig. „Wir wollen friedlich demonstrieren.“ Zum Beweis dafür zeigt er
seine Wasserflasche. „Ich habe keine Steine, nur Wasser.“
Dennoch werden aus Baumstämmen Straßensperren errichtet. In einer
Seitenstraße werden die ersten Pflastersteine geworfen. Anwohner:innen
beobachten die Entwicklung von ihren Balkonen. Die umliegenden Geschäfte
sind längst geschlossen und verriegelt. Ein Händler versucht, seine
Holzpaletten von der Straße wegzuschleppen, damit sie die Protestierenden
nicht verbrennen. Es heißt, dass die Polizei Blendgranaten einsetzt. Es
kommt zu Festnahmen.
Mehrere Journalist:innen twittern, dass sie von Sicherheitskräften
angegriffen wurden. Auch sei Tränengas gegen sie eingesetzt worden. Absa
Hane, Journalistin der [5][Online-Nachrichtenseite Seneweb], wird
zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen und erleidet einen Schwächeanfall.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) spricht von mindestens fünf
Vorfällen. Einem Journalisten soll auch gegen den Kiefer geschlagen worden
sein. Gemeinsam mit anderen nichtstaatlichen Organisationen hatte Amnesty
International am Vormittag bereits gegen den Lizenzentzug von Walf TV
protestiert. Das war im Rahmen der ersten Proteste am 4. Februar geschehen.
Am Samstag berichtet dann das Innenministerium, dass in St. Louis ein
Student ums Leben gekommen ist. Sein Tod werde untersucht. Die
Sicherheitskräfte seien nicht dafür verantwortlich, da sie an dem
Universitätscampus nicht eingeschritten seien.
Aufgerufen zu den Protesten hat ein offenbar neuer Zusammenschluss
verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen. Die Rede ist
von einem breiten Bündnis, dem auch Berufsverbände und religiöse
Vereinigungen angehören.
Auch die Kritik internationaler Organisationen wird deutlicher. Am Freitag
sagt UN-Generalsekretär António Guterres, er sei besorgt über die Lage im
Land. Ein Sprecher fügt hinzu, dass auf Gewalt verzichtet und die
Durchführung einer inklusiven und transparenten Präsidentschaftswahl im
Rahmen der senegalesischen Verfassung sichergestellt werden müsse. Die
Europäische Union betont, die Entscheidung zur Verschiebung wirke sich
bereits auf die Stabilität und den sozialen Zusammenhalt des Landes aus.
Streitigkeiten müssten durch einen „verantwortungsvollen Dialog und die
bereitgestellten friedlichen Rechtsmittel“ beigelegt werden.
10 Feb 2024
## LINKS
[1] /Wahlverschiebung-in-Senegal/!5990767
[2] /Wahl-in-Senegal-abgesagt/!5987111
[3] /Proteste-in-Senegal/!5990024
[4] /Praesidenten-in-Westfrika/!5711425
[5] https://www.seneweb.com/
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Macky Sall
Senegal
Verfassung
Opposition
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