# taz.de -- Deutsche Bahn in Brasilien: Kritik an Amazonas-Projekt | |
> Die Deutsche Bahn will sich an einem Schienenprojekt in Brasilien | |
> beteiligen. Aktivist*innen warnen vor Umwelt- und | |
> Menschenrechtsrisiken. | |
Bild: Die Insel Cajual ist auch ein wichtiges Brutgebiet der Scharlachsichler, … | |
BERLIN taz | Mikaell de Souza Carvalho steht am Potsdamer Platz in Berlin | |
vor einer Glastür mit dem Logo der [1][Deutschen Bahn]. Eine Pförtnerin | |
öffnet, Carvalho überreicht ihr einen Umschlag. Es ist ein Beschwerdebrief. | |
„Wir haben unseren Teil gemacht, jetzt ist die Bahn gefordert.“ | |
Carvalho kommt aus Brasilien, genauer gesagt aus dem Bundesstaat Maranhão. | |
Er arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Justiça nos Trilhos, die die | |
Folgen des Bergbaus anklagt. Er ist in die deutsche Hauptstadt gereist, um | |
über ein geplantes Projekt aufzuklären. Auf der Insel Cajual im östlichen | |
Amazonasgebiet soll ein Exporthafen samt Eisenbahnverbindung entstehen: das | |
Projekt Grão Pará Maranhão (GPM). Die Deutsche Bahn hat Interesse bekundet. | |
Carvalho meint: „Deutschland sollte seine Beteiligung an dem Projekt | |
überdenken.“ | |
Im vergangenen Jahr verbreitete sich die Nachricht, dass drei | |
portugiesische Geschäftsleute den Bau eines Megahafens samt einer 520 | |
Kilometer langen Bahntrasse planen. Diese Strecke soll vom Landesinneren | |
zum Atlantik führen und ausschließlich dem Gütertransport dienen. Es sollen | |
Eisenerze, Kupfer, Mais und Soja transportiert werden. Das Ziel: Rohstoffe | |
schneller ins Ausland exportieren, auch nach Deutschland. | |
Die Insel Cajual gehört zu einem Umweltschutzgebiet. Im Jahr 2017 | |
unterzeichnete eine Bewohner*innen-Vereinigung einen Vertrag, der das | |
Nutzungsrecht von Teilen des Gebietes für die Errichtung und den Betrieb | |
des Hafens vorsieht. Die auf der Insel lebenden Menschen sollen umgesiedelt | |
werden. Außerdem verspricht der Konzern den Anwohner*innen eine | |
Gewinnbeteiligung, neue Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung für | |
den gesamten Bundesstaat. | |
## Anwohner*innen nicht genügend aufgeklärt | |
Aktivist*innen wie Carvalho kritisieren allerdings, die | |
Bewohner*innen seien nicht oder nicht ausreichend über die Folgen des | |
Projekts aufgeklärt worden. Das Vorgehen verletze das Recht auf | |
Konsultation und freie, vorherige und informierte Zustimmung der | |
ILO-Konvention 169, die sowohl [2][Brasilien] als auch Deutschland | |
unterzeichnet haben. | |
Im Januar 2023 erklärte die Deutsche Bahn in einer Pressemitteilung, ein | |
Memorandum of Understanding mit GPM unterzeichnet zu haben. Es sieht die | |
Beteiligung der DB E.C.O. Group an dem Projekt als sogenannter Shadow | |
Operator vor.“ Richtig ist: „Es sieht die Beteiligung der DB Engineering & | |
Consulting an dem Projekt als sogenannter Shadow Operator vor. | |
Kritiker*innen sehen das anders. Neben Abholzung und | |
Umweltverschmutzung befürchten sie auch Menschenrechtsverletzungen. In der | |
Region gibt es viele Quilombos. Das sind selbstverwaltete Gemeinden von | |
Nachfahren versklavter Menschen, die in Brasilien besonderen Schutz | |
genießen. Die Bahnlinie würde zudem voraussichtlich sehr nah an indigenen | |
Gebieten verlaufen, ebenso durch das Gebiet von Kleinbauern. | |
## Neokoloniale Logik | |
„Aus unserer Sicht sind die Risiken so massiv, dass man das Projekt nicht | |
durchführen kann“, sagt der deutsche Aktivist und Bergbauexperte Constantin | |
Bittner. Das Projekt vertiefe zudem eine „neokoloniale Logik“. Aus | |
Lateinamerika würden Primärrohstoffe exportiert, die in Deutschland und | |
anderen Ländern weiterverarbeitet werden, wodurch dort die Wertschöpfung | |
entsteht. | |
Eine Sprecherin erklärte auf taz-Nachfrage, das Bahn-Subunternehmen sei | |
bisher „in keiner Weise in dem Projekt vertraglich involviert.“ Es sei | |
lediglich ein unverbindliches Memorandum of Understanding für eine mögliche | |
Zusammenarbeit unterzeichnet worden, um für das Infrastrukturprojekt | |
fachliche Leistungen zu erbringen. Allerdings heißt es in einem | |
Online-Artikel der Bahn, die DB E.C.O. Group entwickle das Projekt zusammen | |
mit der GPM und anderen brasilianischen Partnern. Auf LinkedIn bezeichnete | |
einer der CEOs der GPM die Bahn als „strategischen Partner“. | |
Die Bahn-Sprecherin betont, es gehöre zu den Voraussetzungen für eine | |
mögliche Beteiligung, dass Umweltauflagen „von einer von GPM unabhängigen | |
Instanz bestätigt werden.“ Bittner und andere Aktivist*innen fordern | |
die Bahn allerdings auf, eine eigene menschenrechtliche und umweltbezogene | |
Risikoanalyse durchführen zu lassen. | |
Da die Bahn ein Staatskonzern ist, fordern sie auch die Bundesregierung | |
auf, aktiv zu werden. Für sie ist es ein Widerspruch, einerseits den Schutz | |
des Regenwaldes zu fordern und Menschenrechte wahren zu wollen, sich aber | |
andererseits an einem Projekt zu beteiligen, das den Druck auf die Region | |
massiv erhöht. | |
## Umstrittenes Projekt in Mexiko | |
Die Bahn, die sich selbst gerne als „Deutschlands schnellster | |
Klimaschützer“ bezeichnet, ist mit Subunternehmen an Bahnprojekten weltweit | |
beteiligt. Im Südosten Mexikos ist sie durch ein Tochterunternehmen als | |
Shadow Operator in das Megainfrastruktur- und Tourismusprojekt Tren Maya | |
involviert. Recherchen zufolge führt dieses Projekt zu massiver | |
Umweltzerstörung und Militarisierung, indigene Gemeinden sollen nicht | |
ausreichend konsultiert worden sein. Wie nun in auch in Brasilien. | |
Neben Carvalho ist auch Flávia da Silva Nascimento nach Deutschland | |
gereist. Auch sie lebt in Maranhão, in der Gemeinde Piquet de Baixo, die | |
seit mehr als 30 Jahren von betroffen ist. Auch sie lebt in Maranhão, in | |
der Gemeinde Piquiá de Baixo, die seit mehr als 30 Jahren von | |
[3][Bergbauaktivitäten] betroffen ist. In ihrer Heimat haben sich mehrere | |
Stahlwerke angesiedelt, eine Bahnlinie führt quer durch ihr Gebiet. Neben | |
der Lärmbelästigung und Unfällen sei vor allem die Umweltverschmutzung ein | |
großes Problem. Ihre Schwester und viele weitere Nachbar*innen kämpften | |
mit gesundheitlichen Problemen. „Wir glauben, dass das von der | |
Verschmutzung kommt.“ | |
2018 stellten sie einen Bericht vor, der die Auswirkungen für Mensch und | |
Natur aufzeigt. Das nun geplante Projekt liegt zwar hunderte Kilometer weit | |
entfernt, trotzdem kämpft Nascimento dagegen. Sie reiste in die Region und | |
traf die ansässigen Bewohner*innen. „Wir kämpfen dafür, dass andere | |
Gemeinden nicht das Gleiche erleben müssen, unter dem wir seit 30 Jahren | |
leiden.“ | |
11 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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