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# taz.de -- Rechte Agrarorganisationen: Wutbauern unterliegen Kritikerin
> Die Freien Bauern seien rechtspopulistisch, Aussagen eines EU-Kandidaten
> der Freien Wähler rechtsextrem – das haben Richter einer Forscherin
> erlaubt.
Bild: „Freie Bauern“ unterwegs vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 08.01…
Die Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper darf die Organisationen Freie Bauern
sowie Land schafft Verbindung (LSV) Schleswig-Holstein und Hamburg als
„rechtspopulistisch“ bezeichnen. Zulässig ist Gerichtsentscheidungen
zufolge auch ihre Aussage, dass Anthony Lee – Sprecher von LSV Deutschland
und Europawahlkandidat der Freien Wähler – durch „rechtsextreme bis hin zu
rechtspopulistischen Aussagen aufgefallen“ sei. Damit hat die
Wissenschaftlerin der Universität Göttingen alle Verfahren gewonnen, die
der oft für die Freien Bauern gegen Kritiker vorgehende Rechtsanwalt
Stephan Stiletto für die Organisationen und Lee begonnen hatte.
LSV Deutschland hatte gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband zu den
Trecker-Demonstrationen in Berlin am 18. Dezember 2023 und am 15. Januar
2024 aufgerufen. Diese stießen auf großes Medieninteresse und trugen dazu
bei, dass die EU wichtige Umweltauflagen für Agrarsubventionen gestrichen
hat. Lee steht auf Platz 8 der Liste der Freien Wähler für die Europawahl
am Sonntag. Die Freien Bauern sind zwar eine Splitterorganisation, setzen
Kritiker aber regelmäßig durch Klagen vor Gericht unter Druck.
Pieper hatte im Februar in einem [1][NDR-Interview] von
„rechtspopulistischen Vereinigungen innerhalb der Landwirtschaft“
gesprochen und gesagt: „dazu zählen natürlich auch LSV und die Freien
Bauern“. Sie verwies auch auf „Personen bei LSV wie Anthony Lee, der in der
Vergangenheit durch rechtsextreme bis hin zu rechtspopulistischen Aussagen
aufgefallen ist“.
Daraufhin brach besonders in den Sozialen Medien ein Shitstorm über Pieper
herein. Anwalt Stiletto flankierte diesen mit gleich drei
Unterlassungsbegehren, in denen er Pieper aufforderte, auf die Aussagen zu
verzichten. Da sie das ablehnte, beantragte er, dass Gerichte der
Wissenschaftlerin die Äußerungen durch Einstweilige Verfügungen verbieten
sollten. Falls sie sich nicht daran halte, solle ihr ein Ordnungsgeld von
„bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft“ angedroht werden.
Doch das lehnten bisher vier Gerichte ab. Im Fall LSV war es das
Landgericht Hamburg. Und die zweite Instanz, das Hanseatische
Oberlandesgericht, bestätigte: „Ob jemand als rechtspopulistisch
eingeordnet wird, ist zweifelsohne eine Frage des Wertens und Meinens.“ Für
diese Meinung über LSV gebe es genügend Anhaltspunkte. Allen voran Lees
Behauptung in einem [2][Interview der niederländischen Influencerin Eva
Vlaardingerbroek] von Mitte Januar, Politiker wollten Landwirten ihr Land
zugunsten von Flüchtlingen wegnehmen. „Diese Antwort, die einen schweren
Vorwurf gegenüber der Bundesregierung beinhaltet, darf zulässig als
rechtspopulistisch bezeichnet werden“, entschieden die Richter. Zudem dürfe
sie „als ausländerfeindlich“ gelten.
Anders als Stiletto argumentiert hatte, müsse sich LSV Lees Äußerung
zurechnen lassen, selbst wenn sich der Landwirt als Kandidat der Freien
Wähler geäußert hätte. Schließlich sei Lee Pressesprecher des LSV
Bundesverbands, und weder dieser noch der Landesverband in
Schleswig-Holstein und Hamburg hätten sich von Lees Behauptung distanziert.
Stiletto hatte Pieper auch vorgeworfen, sie habe sich vor dem Interview
nicht wissenschaftlich mit der Frage befasst. Aber das Gericht entschied
sinngemäß, die Meinungsfreiheit stehe einer Wissenschaftlerin genauso zu
wie jedem anderen Menschen. Die Belege für ihre Aussagen müsse sie nicht
vor dem Interview vorlegen, sondern vor der Gerichtsentscheidung.
Mit ähnlichen Argumenten wies auch das Landgericht Hannover einen Antrag
Lees gegen Pieper zurück. Es verwies ebenfalls auf eine im Oktober 2021 von
der taz zitierte Äußerung Lees, wonach er [3][Klartext spricht, weil sein
Großvater bei der Waffen-SS war].
Vor dem Landgericht Halle blieb Pieper bisher ebenfalls Siegerin, wie eine
Justizsprecherin der taz mitteilte. Die Freien Bauern hätten dort
beantragt, der Wissenschaftlerin zu untersagen, die Organisation „als
rechtspopulistische Vereinigung zu bezeichnen“. Diesen Antrag, eine
einstweilige Verfügung zu erlassen, habe das Gericht zurückgewiesen. Ein
schriftliches Urteil samt Begründung liege noch nicht vor.
Gegen die Entscheidungen ist noch Berufung möglich. Aber vorerst müssen
Stilettos Auftraggeber die Verfahrenskosten zahlen.
Dennoch hatten seine Klagen einen politischen Erfolg: Pieper hat sich seit
Beginn des Rechtsstreits nicht mehr öffentlich geäußert. Ganz so, wie man
es bei strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung, bekannt unter
der englischen Abkürzung Slapp, erwarten kann. Sie gelten vielen als
Missbrauch des Rechts, um Kritiker einzuschüchtern. Wie sich ihre Anwendung
auf den Ruf der Kläger etwa in Politik und Medien auswirkt, bleibt
abzuwarten.
5 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.ardmediathek.de/video/hallo-niedersachsen/hallo-niedersachsen-o…
[2] /Falschbehauptungen-von-Anthony-Lee/!5986913
[3] /Protestbewegung-gegen-Umweltschutz/!5805034
## AUTOREN
Jost Maurin
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