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# taz.de -- EU-Wahl-Chat auf Whatsapp: Rechtsruck und Schweinefilet
> Von genervt bis euphorisch: Wie blicken die taz-EU-Korrespondent:innen
> auf den Endspurt zur Europawahl? Ein Gespräch via Whatsapp.
Bild: Schützt die EU? Und wen? Und wer verspricht etwas dafür im Wahlkampf? D…
Der Urnengang in den EU-Staaten steht an. Die taz hat exklusiven Einblick
in den Chat von Rudolf Balmer (Paris), Ferry Batzoglou (Athen), Eric Bonse
(Brüssel), Michael Braun (Rom), Anne Diekhoff (Härnösand), Erich Rathfelder
(Sarajevo), Ralf Sotscheck (Dublin) und Reiner Wandler (Madrid).
Judith Poppe: Aufwärmfrage: Wie genervt seid ihr von den EU-Wahlen und der
Berichterstattung?
Eric Bonse: Hier in Brüssel sind alle schwer genervt.
Michael Braun: In Rom nervt der Wahlkampf wenig, keine Plakate, keine
Stände der Parteien…
Ferry Batzoglou: Geht so. Es gibt Schlimmeres
Rudolf Balmer: Berichterstattung über EU-Wahlen sind immer ein bisschen
frustrierend für die Korrespondenten, weil ja über 27 Länder geschrieben
wird. Da hat es nie Platz für alles, was man zu sagen hätte…
Eric Bonse: Welcher Wahlkampf?
Michael Braun: Und unter den Leuten ist EP nicht das heiße Thema.
Rudolf Balmer: Weil das politische Europa in den Köpfen nicht existiert,
sind auch die Wahlen mäßig von Bedeutung. Sie werden umfunktioniert zum
Abreagieren auf nationaler Ebene.
Ralf Sotscheck: Es ist das erste Mal, dass das Thema Einwanderung bei
Wahlen eine Rolle spielt. Alle Parteien reden drüber, es kommt beim
Wahlkampf an den Haustüren zur Sprache, und einige Kandidaten kandidieren
explizit auf einer Anti-Immigrations-Plattform.
Judith Poppe: Der Rechtsruck ist unmittelbar spürbar?
Ralf Sotscheck: Ja, absolut. Zum Glück gibt es in meinem Wahlkreis drei
Kandidaten von rechtsradikalen Parteien, die sich gegenseitig Stimmen
wegnehmen. Von denen wird es keiner ins Europaparlament schaffen. Anders
sieht es bei den Kommunalwahlen aus, die ebenfalls am Freitag stattfinden.
Ich fürchte, dass es der ein oder andere Rechtsextreme schaffen könnte. Es
wäre das erste Mal in Irland.
Michael Braun: @Rudi, idem in Italien. Wahlen als nationaler Test
Anne Diekhoff: Hier in der schwedischen Provinz sehe ich auch nur
vereinzelt Wahlplakate, finde es aber interessant, dass selbst die kleinen
Anzeigenblätter Sonderseiten zur Wahl bringen, die irgendwie bei null
anfangen: Warum ist die EU-Wahl noch mal wichtig? Was hat Brüssel mit
Schweden zu tun? Wie funktioniert die Wahl? Als bliebe das einfach nicht in
den Köpfen hängen.
Ferry Batzoglou: Hier genauso. Nicht Europa und seine Zukunft stehen im
Mittelpunkt, sondern die nationalen Aspekte.
Rudolf Balmer: In Frankreich addieren sich die Stimmen der extr. Rechten
dennoch zu unheimlichen 40%!
Eric Bonse: Bei der EU in Brüssel geht es auch kaum um Europa, sondern fast
nur um die Rechten – und um das Personalgeschacher
Ralf Sotscheck: Hier ist die Wohnungsnot großes Thema, vor allem in Dublin.
Seit mehr als einem Jahrzehnt hat keine irische Regierung das in den Griff
bekommen. In [1][Dublin zelten die Geflüchteten in der Innenstadt]. Wasser
auf die Mühlen der Rechtsextremen
Erich Rathfelder: In Kroatien wie in Ungarn und Rumänien ist die Kritik an
der EU scharf.. der song contest habe alles gezeigt, was falsch läuft …
Family besteht aus.. ratet mal … das is doch irre
Ferry Batzoglou: Hier ist mit Blick auf die Ultrarechte das Erstarken der
Griechischen Lösung ein Thema. Die Partei ist in der Meloni-Fraktion.
Reiner Wandler: Die spanischen Sozialisten machen damit Wahlkampf, dass sie
einmal mehr – wie bei den letzten Parlamentswahlen vergangenen Juli – die
Rechte stoppen wollen. Und das zieht. Könnte gut sein, dass die PSOE die PP
auf der Zielgeraden noch überholt.
Ferry Batzoglou: Hier ist die Teuerung das Thema Nummer eins. Ein bisserl
Humor am Rande: PM Mitsotakis hat gesagt, der Fetakäse koste hier 6.30 Euro
das Kilo. Er musste das korrigieren. Er habe das halbe Kilo gemeint. Der
Mann geht halt nie selber einkaufen.
Ralf Sotscheck: :D
Anne Diekhoff: In Schweden [2][rufen die Sozialdemokraten zum Kampf gegen
den Rechtsruck] auch auf EU-Ebene auf, „Tu etwas Großes“, ist das Motto,
„wähle Zusammenhalt, nicht Zersplitterung“.
Rudolf Balmer: In F zieht die Angst vor der extr. Rechten gar nicht mehr.
Sogar Linke sind fatalistisch oder meinen, sie werde sich an der Macht eh
diskreditieren. Tragisch!
Michael Braun: In Italien umgekehrt: Meloni will „die Linke auch in Europa
in die Opposition schicken“. Das juckt aber keinen
Ferry Batzoglou: In GR sind wenigstens die ultrarechten Spartaner von den
Europawahlen ausgeschlossen worden.
Erich Rathfelder: Ich weiss nicht ob wir in der taz alles realistich sehen
aufschwung der rechten fuehrt in einen neuen Krieg sagen die Leute in
Bosnien Eu wird kaputtgemacht von aussen und innen. Linke… haben keine
Kraft. erinnert euch 2014.. ich sagte, in Ukraine wird es Krieg geben..
Niemand hat das geglaubt..
Rudolf Balmer: Mit diesen Wahlen [3][vollendet Marine Le Pen die Strategie
der Verharmlosung]. Zu Europa sagt sie fast gar nichts außer konfuser
Forderung nach mehr Grenzschutz. Die Konservativen wissen nicht mehr, wie
sie sich abgrenzen und eine Allianz verweigern können.
Anne Diekhoff: Die einzige Wahlwerbung im Briefkasten hatte ich bislang von
den rechten Schwedendemokraten. Ihre Optik vor dieser Wahl handelt von
schwedischen Naturerlebnissen, dazu der charmante Slogan „Mein Europa baut
Mauern“.
Ralf Sotscheck: Hier hängt an jedem Laternenmast ein Kandidat oder eine
Kandidatin. Das Verwirrende ist, dass man nicht weiß, ob sie für Europa
oder die Lokalverwaltung kandidieren.
Ferry Batzoglou: Hier gibt es fast keine Plakate. Alle Parteien investieren
wahnsinnig viel in die Sozialen Medien. Vor allem jetzt TikTok.
Michael Braun: Plakate null. Parteien haben kein Geld
Ralf Sotscheck: Vor allem auf dem Land hat man die Geflüchteten in Hotels
untergebracht, was den Tourismus in einigen Orten gekillt hat. Die Stimmung
kippt so langsam nach rechts.
Ferry Batzoglou: Das Motto der Nea Dimokratia: „Stabil näher an Europa“.
Mit Europa ist in GR immer fernab von Hellas gemeint..
Anne Diekhoff: Oh, das ist in Schweden auch so. Europa ist da unten
irgendwo, fängt frühestens in Kopenhagen an.
Rudolf Balmer: Noch ne demoralisierende Zahl: 86% der Rassemblement
National-SympathisantInnen wollen sicher wählen gehen, bei den Sozialisten
nur 37%
Eric Bonse: Komischerweise stellt niemand die Frage, [4][warum die Rechten
zulegen]. Von der Leyen behauptet, sie habe alles richtig gemacht. Macron
sagt, Europa könne sterben – also hat sie wohl viel Mist gebaut
Reiner Wandler: Ist das wirklich die Frage: „Richtig gemacht?“ Sánchez hat
alles richtig gemacht und dennoch nehmen die extreme Rechte und die
Rechtsextremen zu.
Eric Bonse: Und viele Europäer sind einfach unzufrieden und total
verunsichert
Ferry Batzoglou: Hier hat das Erstarken der Rechtsradikalen [5][mit der
Teuerung], der Homo-Ehe und der Außenpolitik (Annäherung an die Türkei,
Provokationen aus Nordmazedonien) zu tun. Migration ist kein Thema.
Reiner Wandler: Das gute alte Europa, wo ein Mann noch ein Mann war, und
eine Frau eine Frau, ein Weißer ein Weißer …. gibt es halt nicht mehr. Und
das ist wichtiger als Sozialpolitik.. so zumindest hier in Spanien und im
benachbarten Portugal. Würden die Menschen wirklich lesen, was die extreme
Rechte ihnen alles zumuten wird – Argentinien macht es vor – dann würden
sie sie nicht wählen. Aber der ganze Traditionsquatsch und die Angst vor
den anderen zieht.
Ralf Sotscheck: Hier liegt der Aufschwung der Rechten an den
Flüchtlingszahlen und an der Wohnungsnot, was die rechten Parteien gerne
verknüpfen. Dennoch wird es bei den Europawahlen keine großen
Überraschungen geben. Die beiden etablierten Parteien, die seit 100 Jahren
abwechselnd an der Macht waren und nun in einer großen Koalition mit Hilfe
der Grünen regieren, werden die meisten Stimmen abgreifen. Sinn Féins
Vorsprung, der noch vor kurzem bei 12 Prozent lag, ist dahingeschmolzen.
Michael Braun: Interessant, dass Italiens Rechtswähler links von ihren
Parteien stehen, z.B. bei Homoehe oder Staatsbürgerschaft für
Migrantenkinder
Reiner Wandler: Erzähl
Eric Bonse: So ich muss weg, schönes Granteln noch
Michael Braun: Klare Mehrheit der Rechtswähler pro Homoehe, rund die Hälfte
auch für Adoptionsrecht.
Anne Diekhoff: Verwirrend
Reiner Wandler: Ich glaube, dass der Frauenhass viel wichtiger ist als
alles andere. „Die Weiber nehmen uns doch alles weg mit dieser
Gleichberechtigung“ …. so geht das. Und um uns dann dennoch auf der guten
Seite zu fühlen, werfen wir allen Muslimen so ganz im Allgemeinen vor,
diejenigen zu sein, die Frauen schlecht behandeln.
Ralf Sotscheck: Hier haben zwei Drittel für Abtreibung und Homoehe
gestimmt, letzteres sogar lange vor vielen anderen Ländern.
Michael Braun: @Reiner, der Frauenhass ist in Italien zweitrangig. Hier a)
Migration b) darf ich auch in Zukunft Steuern hinterziehen?
Ferry Batzoglou: Wie groß ist die Angst der Schweden, Finnen und Dänen (die
Reihenfolge ist willkürlich) vor Russland? Meine die einfachen Leute,
@Anne.
Anne Diekhoff: Also meine finnische Bekannte sagt im Moment immer: „Nach
midsommar fahr ich nach Finnland. Wenn die Russen es bis dahin nicht
übernommen haben“
Michael Braun: Ich sage ciao und hasta luego und see you soon
Anne Diekhoff: In Schweden hatten Regierung und Militär die Menschen Anfang
des Jahres aufgeschreckt, als sie mal explizit gesagt haben, ein Krieg auch
in Schweden könne nicht ausgeschlossen werden, und Schweden sei darauf
nicht gut genug vorbereitet. Seitdem wurde das viel diskutiert, aber ich
glaube trotzdem, dass die konkrete Angst sich im Alltag in Grenzen hält,
bzw in Finnland die Sorge weit größer ist.
Ralf Sotscheck: Ihr Lieben, ich muss jetzt los. Hier ist heute Feiertag:
Pfingsten. Und ich bin mit Kochen dran.
Ferry Batzoglou: Was gibts?
Reiner Wandler: Pfingsten war im Mai
Ralf Sotscheck: Der Ire kann sich mobile Feiertage nicht merken. Deshalb
ist Pfingstmontag immer der erste Montag im Juni. @Ferry: Schweinefilet mit
Spargel und Röstkartoffeln.
Moderiert von Judith Poppe (Berlin)
7 Jun 2024
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[4] /Vor-der-EU-Wahl/!6012517
[5] /Griechenland-nach-der-Finanzkrise/!6011713
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Michael Braun
Ferry Batzoglou
Erich Rathfelder
Anne Diekhoff
Eric Bonse
Reiner Wandler
Ralf Sotscheck
Rudolf Balmer
Judith Poppe
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