# taz.de -- Barley zur Wahl der Kommissionschefin: „Kein Bündnis mit rechts�… | |
> Die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley schließt eine Zusammenarbeit | |
> mit Rechten kategorisch aus. Das gelte auch bei der Wahl Ursula von der | |
> Leyens. | |
Bild: Warnt vor einer Normalisierung der Rechten: SPD-Politikerin Katarina Barl… | |
taz: Frau Barley, bekennen Sie sich zu Ursula von der Leyen als | |
Kommissionspräsidentin? | |
Katarina Barley: Wir erkennen an, dass die [1][Europäische Volkspartei | |
stärkste Fraktion ist], und sind bereit, in Gespräche einzutreten. Für uns | |
ist aber ausgeschlossen, gleichzeitig auch mit extremen Rechten | |
zusammenzuarbeiten. | |
EVP-Chef Manfred Weber fordert von Liberalen und Sozialdemokraten eine | |
Zusage – sonst würden sie den Rechten in die Hände spielen. | |
Es ist genau umgekehrt. Wir legen das Bekenntnis ab, dass wir nicht mit | |
extremen Rechten zusammenarbeiten. Wenn Manfred Weber das auch sagt und | |
auch Giorgia Melonis Partei damit meint, sind wir uns einig. | |
Giorgia Meloni, Italiens postfaschistische Regierungschefin, hat daheim | |
gewonnen. Sie wird auf EU-Ebene mehr Mitsprache einfordern. Lässt sich das | |
überhaupt verhindern? | |
[2][Melonis Partei hat in Italien knapp gewonnen,] das steht im Gegensatz | |
zu ihrem Auftreten und wie sie wahrgenommen wird. Die italienischen | |
Sozialdemokraten haben ebenfalls dazugewonnen und liegen nicht einmal 5 | |
Prozentpunkte hinter den Fratelli d’Italia. Oft wird nur über Meloni als | |
Person gesprochen. Im EU-Parlament sitzt aber nicht sie, sondern ihre | |
Partei und deren Mitglieder. Und diese Partei verhält sich deutlich | |
radikaler als sie. Da wird im Parlament der Hitlergruß gezeigt. Melonis | |
Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, zufällig auch ihr Schwager, | |
vertritt die Verschwörungstheorie des großen Bevölkerungsaustauschs. | |
Konservative, Sozialdemokraten und Liberale hätten zusammen eine Mehrheit. | |
Welche Bedingungen stellen die Sozialdemokraten ihrerseits an Ursula von | |
der Leyen für eine Unterstützung der Wiederwahl? | |
Die rote Linie ist: kein irgendwie geartetes Bündnis mit den Rechten. | |
Inhaltlich wird man miteinander verhandeln, wie das üblich ist. | |
Ursula von der Leyen [3][hat vor der Wahl offen um Meloni und die Stimmen | |
der Rechtspopulisten geworben]. Welche Gefahr liegt darin? | |
Wir sehen eine Normalisierung der Rechten in ganz Europa. Das spiegelt sich | |
auch in vielen Wahlergebnissen wider. Dass es da einen Zusammenhang gibt, | |
wird immer wieder deutlich. In den Niederlanden beispielsweise, wo die | |
Partei von Geert Wilders zehn Tage vor der Wahl nur auf Platz vier lag. Bis | |
die liberale Kandidatin erklärte, man dürfe den Wählerwillen nicht | |
ignorieren und müsse gegebenenfalls in Gespräche eintreten. Wilders selbst | |
gab sich dann staatsmännischer und im Ergebnis schossen seine Ergebnisse | |
durch die Decke. | |
Ist das der Grund für den Erfolg rechter Parteien bei dieser Wahl – die | |
Normalisierung und Tolerierung durch konservative Parteien? | |
Es ist nicht die Ursache, aber ein Faktor. Wenn man die extreme Rechte | |
durch Zusammenarbeit normalisiert, gibt ihnen das Auftrieb. Die Gründe für | |
den Erfolg der Rechten liegen tiefer. | |
Sozialdemokraten, Liberale und Grüne haben europaweit verloren, während | |
rechte Parteien deutlich dazugewonnen haben. Woran liegt das? | |
Es ist komplexer. Die Sozialdemokraten sind europaweit beinahe gleich | |
stark, Konservative und Rechtsextreme haben leicht zugelegt. Es gibt zwei | |
große Verlierer, das sind Grüne und Liberale. | |
Dennoch haben populistische und rechtsextreme Parteien insgesamt gewonnen. | |
Wie erklären Sie sich das gute Abschneiden? | |
Das zeigt erst einmal, dass die nationale Erklärung „Die Ampel ist schuld“ | |
zu kurz greift. Das ist eine Entwicklung, die in allen Mitgliedstaaten zu | |
beobachten ist. Die Basis ist eine Stimmung der Verunsicherung. Wir leben | |
in Zeiten von Pandemiefolgen, Krieg und Klimawandel. Das alles verunsichert | |
die Menschen. Die Rechten setzen sich drauf und verstärken dieses Gefühl. | |
Ihr Ziel ist es nicht, Lösungen zu finden, sondern aus Verunsicherung Wut, | |
Angst und Neid zu erzeugen und daraus ihre Suppe zu kochen. | |
Was können Parteien links der Mitte dem entgegensetzen, was müssen sie | |
besser machen? | |
Das ist die schwierigere Aufgabe, denn negative Gefühle sind ja viel | |
leichter zu wecken als positive. Wir müssen aber dennoch Vertrauen, | |
Zusammengehörigkeit und Solidarität stärken. Das gelingt unter anderem | |
durch handwerklich gute Politik. | |
Die Ampel hat in Deutschland insgesamt verloren. Weil ihre Politik | |
handwerklich schlecht gemacht ist? | |
Nüchtern betrachtet ist die Bilanz der Ampel gut. Viele vergleichen die | |
Regierung gern mit anderen, bei denen es keinen Krieg, keine Pandemiefolgen | |
gab und der Klimawandel noch nicht so spürbar war. Aber das sind die | |
Umstände, unter denen die Ampel arbeitet und unter ihnen hat sie viel | |
erreicht. Die Frage ist, kommt das an? Da muss man leider sagen, eindeutig | |
nicht. Und das Heizungsgesetz war sicher kein Musterbeispiel für gute | |
Politik. Die Streitereien und Profilierung auf Kosten der anderen Partner | |
sind sicher auch nicht förderlich. | |
Die SPD in Deutschland hat bei dieser Wahl gegenüber der Bundestagswahl 2,5 | |
Millionen Wähler:innen ins Nichtwähler:innenlager verloren? Warum | |
sind Sie als Spitzenkandidatin fürs EU-Parlament nicht durchgedrungen? | |
Das ist die Frage, die mich sehr beschäftigt. Denn eigentlich wissen wir, | |
dass der Kampf für Demokratie und gegen rechts unsere Wählerschaft | |
mobilisiert. Andere Faktoren müssen also stärker gewesen sein. Welche das | |
waren, müssen wir jetzt herausfinden. | |
Werden Sie sich [4][trotz des schwachen SPD-Ergebnisses] für ein Spitzenamt | |
im EU-Parlament bewerben? | |
Ich möchte meine Erfahrungen an einer Stelle einbringen, an der sie | |
gebraucht werden. Welche das sein wird, kann ich noch nicht sagen. | |
12 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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