# taz.de -- Deutsche Kolonialvergangenheit: Verschleppte Versöhnung | |
> Die aktuelle Ausgabe der „Maro-Hefte“ analysiert die juristischen | |
> Auseinandersetzungen der Ovaherero und der Nama mit der Bundesrepublik. | |
Bild: Das Denkmal zur Erinnerung an den von deutschen Kolonialtruppen begangene… | |
„Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im | |
Angedenken der Opfer zu finden. Dazu gehört, dass wir die Ereignisse der | |
deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia und insbesondere die Gräueltaten | |
der Zeit 1904 bis 1908 […] auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus | |
heutiger Perspektive waren: ein Völkermord.“ | |
Auf den ersten Blick dürfte die [1][Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes | |
von Mai 2021] als Fortschritt in der Aufarbeitung der deutschen | |
Kolonialvergangenheit erscheinen. Doch entscheidend ist die Formulierung | |
„aus heutiger Perspektive“. Die zugrundeliegende Argumentation: Weil das | |
aktuelle Völkerrecht damals noch nicht galt, könne die Bundesrepublik für | |
die systematischen Ermordung Zehntausender Menschen in | |
„Deutsch-Südwestafrika“ juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden. | |
Die Nachkommen der Ermordeten hingegen vertreten seit Jahrzehnten klare | |
Forderungen: die formaljuristische Anerkennung des Genozids, die Zahlung | |
von Reparationen sowie eine offizielle Entschuldigung. Gehör finden sie | |
hierfür kaum. Am Zustandekommen des „Versöhnungsabkommens“ zwischen der | |
deutschen und der namibischen Regierung wurden [2][die Ovaherero und Nama] | |
nicht einmal beteiligt. | |
Nach dem Scheitern des „Abkommens“ im namibischen Parlament verweigerte die | |
Bundesregierung Nachverhandlungen und stufte das Papier zu einer | |
„Gemeinsamen Erklärung“ herab. Passiert ist seitdem nichts mehr. In dieser | |
ohnehin seit Langem festgefahrenen Situation wählten die Ovaherero und Nama | |
immer wieder den Rechtsweg: erstmals 1999 vor dem Internationalen | |
Gerichtshof und anschließend über mehrere Sammelklagen. Bislang allesamt | |
erfolglos. | |
## Ovaherero und Nama | |
Die juristischen Auseinandersetzungen der Ovaherero und Nama mit der | |
Bundesrepublik sind Thema eines neuen Essays aus der Reihe „Maro-Hefte“. | |
Christiane Bürger und Sahra Rausch skizzieren darin die Grenzen der | |
juristischen Aufarbeitung im Rahmen des geltenden Völkerrechts und geben | |
Ausblicke, was über Entschädigungszahlungen hinaus Teil einer umfassenden | |
„reparativen Gerechtigkeit“ in Bezug auf Kolonialverbrechen und | |
Sklavenhandel sein könnte. | |
„Der Prozess“ ist ein kurz gehaltener, einführender Essay. Illustriert wird | |
das Heft, dem auch eine englische Übersetzung beigelegt ist, durch eine | |
Arbeit der namibischen Künstlerin Tuaovisiua Betty Katuuo. Die eigens für | |
die Publikationen gezeichnete Serie trägt den passenden Titel „We are still | |
waiting“. Wie üblich in der Reihe, ist die Gestaltung bibliophil. | |
Die „Maro-Hefte“ werden seit 2020 vierteljährlich von Kolja Burmester und | |
Sarah Käsmayr herausgegeben. Die Reihe behandelt poetische und politische | |
Themen, die vom Denken der Neuen Rechten und Verschwörungstheorien hin zum | |
Alleine-Ausgehen als Frau reichen. Auch „Der Prozess“ ist eine äußerst | |
lesenswerte Ausgabe. Sie zeigt nicht nur, wie es der Bundesrepublik ein | |
weiteres Mal gelingt, Forderungen der Nachkommen von Ermordeten abzuweisen. | |
Sondern auch, wie gewinnbringend eine postkoloniale Perspektive sein kann. | |
8 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2463396 | |
[2] /Genozid-an-Herero-und-Nama/!5894473 | |
## AUTOREN | |
Till Schmidt | |
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