Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spielfilm über Malerin Maria Lassnig: Malen muss sie
> In „Mit einem Tiger schlafen“ zeigt Regisseurin Anja Salomonowitz die
> Malerin Maria Lassnig als spröde Figur, gespielt von Birgit Minichmayr.
Bild: Birgit Minichmayr als Maria Lassnig in „Mit einem Tiger schlafen“
Oh, sie war kapriziös. Einmal läuft sie durch eine Ausstellung ihrer Bilder
und schilt den Kurator und das ganze Team, sähen sie denn nicht, dass das
nicht geht, das Licht zu gelb, die Bilder zu tief. Ja, die das gemacht
haben, verständen wohl nichts von ihrer Kunst. Ein anderes Mal aber, da ist
sie ausnahmsweise glücklich, wie ihre Werke gezeigt werden. Da ist sie
schon recht alt, der Rücken krumm, die Brillengläser dick geworden. Ob sie
jetzt ein Interview geben könnte? Maria Lassnig verweigert das und sagt,
mehr so zu sich selbst: Jetzt ist sie glücklich. Interviews gibt sie nur,
wenn sie deprimiert ist, das ist mehr ihr Leben.
[1][Birgit Minichmayr] spielt die österreichische Malerin Maria Lassnig mit
einer Spur von wortkarger Selbstironie in dem Film „Mit einem Tiger
schlafen“ von [2][Anja Salomonowitz, die das Drehbuch schrieb und Regie
führte]. Einmal liegt Minichmayr auf einer Couch unter einer Decke, nur
das Gesicht schaut raus, die Augen angstvoll auf die Mutter gerichtet, die
am Rand sitzt. Du packst jetzt dein Köfferchen und suchst dir eine neue
Mutti, so ungefähr geht die Rede der Mutter (Johanna Orsini). Manchmal,
wenn die Malerin in den Spiegel schaut, taucht die Mutter, die schon
gestorben ist, hinter ihr auf. Manchmal ist ihr Porträt schemenhaft hinter
einem Selbstporträt der Malerin zu sehen.
Die Szenen, mit denen Anja Salomonowitz von Maria Lassnig erzählt, sind oft
nah an deren immer wieder eingeblendeten Gemälden gebaut. Auch der
Filmtitel kommt von einem berühmten Bild Lassnigs.
Birgit Minichmayr spielt Maria Lassnig als Kind, als alte Frau, als
Kunststudentin, als Einzelkämpferin in Paris, als Einsame in New York. Der
Fluss der Zeit ist ausgehebelt, Erinnerungen sind so präsent wie die
Gegenwart.
## Die Künstlerin als asoziales Wesen
Der Film zeichnet das Bild einer Künstlerin als asoziales Wesen. Die Bilder
sind ihre Kinder, mit Menschen kann sie weniger. Eine Frau muss dreimal so
viel schuften wie ein Mann, nur weil sie eine Frau ist, sagt sie einmal zu
einem Liebhaber und jüngeren Künstlerfreund, der karrieremäßig bald an ihr
vorbeiziehen wird. Von der Kränkung, missverstanden und nicht beachtet zu
werden, weiß der Film viel zu erzählen. Und auch vom Misstrauen der alt
gewordenen Künstlerin, dass die Sammler, deren Interesse an ihr erst so
beleidigend spät erwachte, sie nun bestehlen wollen.
Sympathisch zeichnet der Film seine Protagonistin nicht unbedingt, aber er
lässt nach und nach ihre Schrulligkeiten und Verschrobenheit verstehen.
[3][Maria Lassnig, 1919 in Kärnten auf dem Land geboren, 2014 mit 94 Jahren
gestorben], musste lange auf Anerkennung und Erfolg warten. Das betont auch
der Film, der sich aber vor allem auf Szenen mit ihr allein im Atelier
fokussiert, ihre Forschung danach, Empfindungen, Gefühle, körperliche
Zustände in Farben zu übersetzen, der Innenansicht des Körpers ein Bild zu
geben. Ob man Schmerz wohl sehen kann, wenn man den Körper aufschneiden
würde? Mit dieser Frage erschreckt sie ein Kind, das ihr nur ein Handtuch
an die Badewanne bringen wollte.
Die Kostümbildnerin Tanja Hausner packt die Figur der Malerin in etwas
obskure Pullover und Trainingsanzüge, die gängigen Mustern von Schönheit
und Eleganz nicht gerade entsprechen, aber dafür wild mit den Farben
spielen, die sie auf die Leinwand brachte. Viele Einstellungen sind lang
und statisch. Die Regisseurin erzählt nicht chronologisch, aber verknüpft
wiederkehrende Motive, wie das ambivalente Verhältnis zur Mutter und deren
Macht oder die Erfahrung der Marginalisierung als Künstlerin.
## Kein Hang zur Verklärung
Manchmal gelingt es der Regisseurin, an den Schalk und Humor anzuknüpfen,
den Lassnig in ihren Bildern durchaus auch sehen lässt. Da steht die junge
Malerin etwa allein mit ihren Arbeiten vor einer abrupt geschlossenen
Ausstellung, die Freunde fahren davon und sie weiß nicht, wie sie das alles
schleppen kann. Ameisen kommen ihr zur Hilfe und tragen ein Bild.
Oft haben Biopics zu Künstlerinnen einen Hang zur Verklärung, zum Basteln
von Heldinnen, wie man sie jetzt als Role Model gerade brauchen kann. Diese
verführerische Weiche nimmt Anja Salomonowitz nicht. Aber in der
Sprödigkeit ihrer filmischen Erzählung, in der Nähe, die sie zu der
Protagonistin hält, zu deren Wahrnehmungen, zu deren Anstrengungen, zieht
sie den imaginären Raum auch eng. Man braucht schon etwas Geduld, dem etwas
anstrengenden Film über seine ganze Länge zu folgen. Aber wer sich eh für
Maria Lassnig oder Birgit Minichmayr oder sogar beide Österreicherinnen
begeistern kann, bringt die wahrscheinlich mit.
22 May 2024
## LINKS
[1] /Berlinale-Staralbum-Birgit-Minichmayr/!5482870
[2] /Doku/!5199674
[3] /Ausstellung-zu-Malerin-Maria-Lassnig/!5839102
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Frauen im Film
Rezension
Malerei
Bildende Kunst
Spielfilm
Berlin Ausstellung
Bildende Kunst
Schwerpunkt Berlinale
Ausstellung
Malerei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Biopic „Niki de Saint Phalle“: Ein zittriges Gemüt
In ihrem Regiedebüt „Niki de Saint Phalle“ zeichnet Céline Sallette
leichtfüßig ein Porträt der Künstlerin als zerrissene Frau. Ihr Stil ist
sicher.
Ausstellungsreihe zu Raum und Zeichnung: Einladung zum Eintauchen
Claudia Busching ist Gastgeberin der Ausstellungsreihe „Zeichenraum“ in
Pankow. Dort greifen die Linien von der Fläche auf die Wand über.
Retrospektive Sarah Lucas: Wo ist denn das starke Geschlecht?
Als wild galten die Young British Artist, zu denen Sarah Lucas gehört. Eine
Retrospektive in Mannheim betont ihre sozialkritische Perspektive.
Kaberettist Josef Hader über neuen Film: „Auf dem Land war's mir zu grob“
Mit „Andrea lässt sich scheiden“ legt Josef Hader seine zweite Regiearbeit
vor. Es geht um Härten des Landlebens – und die traurigste Landeshauptstadt
Österreichs.
Ausstellung zu Malerin Maria Lassnig: Mit dem Körper erkennen
Die österreichische Malerin Maria Lassnig übte extreme Selbstbefragung und
untersuchte die eigenen Mittel. Das Kunstmuseum Bonn widmet ihr eine Schau.
Nachruf auf Maria Lassnig: Sieh mich an oder es knallt
Gegenständliches und Abstraktes fanden aus dem Gestus des Tastens in ihre
Bilder: zum Tod der Malerin Maria Lassnig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.