# taz.de -- Architekturexpertin über Wohnungsbau: „Nicht mehr so schnell abr… | |
> Ist die Neubaustrategie der Ampel in Zeiten der Klimakrise noch | |
> zeitgemäß? Architekturexpertin Broermann über nachhaltiges und soziales | |
> Wohnen. | |
Bild: Noch ausbaufähig: Dachstühle wie dieser in Bonn sind ökologischer neue… | |
taz: Frau Broermann, die Bundesregierung hat die Neubauziele für das Jahr | |
2023 erneut verfehlt. Ist das für Sie eigentlich eine gute oder schlechte | |
Nachricht? | |
Elisabeth Broermann: Ich würde sagen, eine gute! Natürlich brauchen wir | |
Wohnraum, vor allem bezahlbaren. Aber „Neubau, Neubau, Neubau“ ist nicht | |
die Lösung. Wir leben in Zeiten der Klimakatastrophe und der | |
Ressourcenkrise. Wir können nicht mehr so weiterbauen, als gäbe es kein | |
Morgen. Das heißt: Wir dürfen nicht mehr so schnell abreißen, wir müssen | |
Material wiederverwerten und den Fokus auf den Bestand richten. | |
Warum? | |
Der Bausektor ist der Klimakiller Nummer eins, er ist für 40 Prozent der | |
[1][CO2-Emissionen] in Deutschland verantwortlich und weltweit auch. Das | |
geht oft unter, weil wir in Berechnungen immer nur darauf gucken, was der | |
Gebäudesektor beim [2][Heizen] von Gebäuden verbraucht. Wenn wir aber die | |
Herstellung der Rohstoffe, die Transportwege oder die Baustelle an sich | |
miteinbeziehen, dann kommen wir auf viel höhere Werte. Wir müssen also | |
dringend grundlegend über nachhaltiges Bauen sprechen. | |
Wie viel Potenzial sehen Sie denn für das Bauen im Bestand? | |
Eine Studie vom Pestel Institut und der TU Darmstadt besagt, dass in | |
Deutschland bis zu 4,3 Millionen Wohneinheiten im Bestand erschlossen | |
werden könnten: Leerstand nutzen, Dachgeschosse ausbauen, aufstocken, | |
nachverdichten. Dieses ganze Potenzial müssen wir zuerst nutzen, bevor wir | |
neu bauen, was oft ja auch sozial fraglich ist. | |
Wie meinen Sie das? | |
Wenn wir auf die letzten Jahre gucken, werden ganz oft Wohnungen im | |
Luxussegment oder kleine Apartments gebaut. So bringt Neubau keine | |
Erleichterung auf dem Mietmarkt. Was wir besonders benötigen, ist | |
bezahlbarer Wohnraum – zum Beispiel sozial geförderte Wohneinheiten – für | |
Leute mit geringem Einkommen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Mietwohnungen | |
im Bestand, bei denen die Mietpreisbremse umgangen wird, indem sie temporär | |
oder möbliert vermietet werden. Das wird meistens einfach unterschlagen. | |
Dass müssen wir mit anderen politischen Werkzeugen bewerkstelligen. | |
Welchen? | |
Etwa mit einer guten [3][Mietpreisbremse] oder – das ist ja eigentlich auch | |
im Koalitionsvertrag vereinbart – einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. | |
Denn seit Jahren sinkt trotz Neubau die Gesamtzahl an Sozialwohnungen, weil | |
jährlich mehr geförderte Wohnungen aus ihrer Preisbindung fallen. Das | |
heißt, es gibt einfach immer eine Lücke, wenn wir nicht über eine | |
Wohngemeinnützigkeit intervenieren, mit der Sozialwohnungen auch für immer | |
solche bleiben. Außerdem gilt es, Spekulationen zu unterbinden, die die | |
Preise explodieren lassen, ohne tatsächlich Wohnraum zu generieren. | |
Bauen im Bestand klingt ja sinnvoll. Ist es denn auch günstiger, als neu zu | |
bauen? | |
Das ist eine gute Frage. Im Prinzip ja. Die aktuelle Gesetzeslage in | |
Deutschland ist aber neubaufokussiert. Auch unsere Architektur-Lehre ist | |
oft darauf ausgerichtet, dass wir Neubau auf der grünen Wiese machen. Oft | |
auch, weil es viel einfacher ist, prestigeträchtiger und nicht so viele | |
Rahmenbedingungen zu beachten sind. Das heißt, wir müssen die Bauordnungen | |
zu Umbauordnungen anpassen, die Umbau erleichtern und standardisieren und | |
es planungssicherer und wirtschaftlicher machen. | |
Eigentlich heißt es ja, durch die stärkere Nutzung von Homeoffice seit der | |
Pandemie gibt es viele freie Büroflächen, die man zu Wohnungen | |
umfunktionieren könnte. Warum wird das so wenig gemacht? | |
Weil es kompliziert ist. In Deutschland ist die Flächennutzung vielfach | |
über Bebauungspläne festgelegt. Büros sind dabei oft in sogenannten | |
„Kerngebieten“ oder „Gewerbegebieten“ verortet. Hier sind Wohnnutzungen… | |
begrenzt zulässig. Man kann also bestehende Gebäude nicht ohne Weiteres | |
umnutzen, weil es nicht selten planungsrechtliche Hürden gibt. Das hat zum | |
Teil auch etwas mit Lärmschutz zu tun oder dass städtebaulich überlegt | |
wurde, emissionsreiche Nutzungen strikt zu trennen, um gesunde Wohn- und | |
Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten.. Es gibt aber auch „Mischgebiete“ | |
oder „urbane Gebiete“, in denen beides möglich ist. Aber gerade in | |
Innenstadtlagen oder auch in Randgebieten wird oft sehr hart getrennt. Und | |
wenn man das umwidmen will, ist es ein großer bürokratischer Akt, der Jahre | |
dauert und den viele deswegen scheuen. Umso wichtiger ist es, dass wir | |
heutige Bebauungspläne so entwickeln, dass sie die Planung einer | |
vielfältigen und resilienten Stadtlandschaft ermöglichen. | |
24 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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