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# taz.de -- Vorgehen gegen möbliertes Wohnen: Bett, Schrank, Mondpreis
> Der erste Bezirk will gegen möblierte und zeitlich befristete Wohnungen
> vorgehen. Auch der Senat ist interessiert.
Bild: Modernes Luxus-Appartement in City-Lage
Berlin taz | Für 27 Euro pro Quadratmeter, kalt, findet man auch im
Milieuschutzgebiet Karl-August-Platz in Charlottenburg noch ein neues
Zuhause: „Modern eingerichtete vollmöblierte City-Wohnung“, heißt es etwa
in einer Anzeige auf einem Immobilienportal. 80 Quadratmeter, 2.150 Euro,
eingerichtet mit Bett, Couch, Küchentisch. Maximale Mietdauer: fünf Jahre.
Die reguläre Miethöhe beträgt hier laut jüngst veröffentlichtem Mietspiegel
9,25 pro Quadratmeter.
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will [1][dieser Geschäftemacherei]
künftig einen Riegel vorschieben, zumindest in Milieuschutzgebieten. Hier
sind Nutzungsänderungen bei Wohnraum genehmigungspflichtig. Christoph
Brzezinski (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung, sagt auf Anfrage der taz:
Antragssteller müssten zukünftig „zusichern, die Wohnungen nur dauerhaft in
ordentlichen Mietverhältnissen ohne Möblierungen und zeitliche Befristungen
zu vermieten“. Tun sie das nicht, werde eine entsprechende Nutzung
untersagt.
Auch soll Fällen nachgegangen werden, „bei denen bereits heute Wohnungen
nur befristet oder möbliert vermietet werden, ohne dass es hierfür eine
erhaltungsrechtliche Genehmigung gibt“. Brzezinski kündigt
„Nutzungsuntersagungen“ an.
Das angekündigte Vorgehen stützt sich auf die Ergebnisse eines
Rechtsgutachtens der Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. Demnach
handelt es sich – trotz der weiteren Verwendung zu Wohnzwecken – um eine
Nutzungsänderung, die genehmigungspflichtig ist. Sie argumentieren damit,
dass Kurzzeitvermietungen, insbesondere möblierte, dazu führen, „dass die
Wohnung der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung es zu schützen gilt,
künftig nicht mehr zur Verfügung steht“.
## Fast nur noch möbliert
Wie eine [2][Anfrage] des Linken-Mietenpolitikers Niklas Schenker zeigt,
entfielen im vergangenen Jahr 54 Prozent aller Wohnungsangebote in Berlin
auf möbliertes Wohnen; in Charlottenburg-Wilmersdorf waren es 2022 gar 64
Prozent. Der hohe Anteil ergibt sich auch aus einer Abnahme regulärer
Mietwohnungsangebote. Der Senat geht von 8.000 möblierten und befristeten,
mitunter mehrmals pro Jahr angebotenen Wohnungen aus. Die verlangten Mieten
liegen mit durchschnittlich 25 Euro mehr als doppelt so hoch wie in
regulären Wohnungen.
Möblierte Wohnungen unterliegen im Grundsatz der Mietpreisbremse, wonach
bei einer Neuvermietung nur 10 Prozent über der Vormiete beziehungsweise
dem Mietspiegel verlangt werden können. [3][Doch bei einer Vermietung zum
vorübergehenden Gebrauch verfängt diese Regel nicht]. Für die Möblierung
darf zwar nur ein „angemessener“ Zuschlag genommen werden, doch weil dieser
nicht extra ausgewiesen werden muss, kommt es zu undurchsichtigen
Gesamtmieten.
Schenker freut sich über den Vorstoß des Bezirks. Er sagt: „Bei möblierten
Wohnungen wird die individuelle Notlage der Mieter:innen ausgenutzt.“
Die Anzahl dieser Angebote sei „so dramatisch“, dass sich der Bezirk „das
jetzt traue“, dagegen vorzugehen. Er hofft darauf, dass auch andere Bezirke
nachziehen; stadtweit gibt es mehr als 70 Milieuschutzgebiete.
Ob die Rechtsauffassung des Bezirks Bestand hat, muss sich erst erweisen.
Zurzeit wird laut Senat ein Musterverfahren aus Friedrichshain-Kreuzberg
verhandelt. Bis zur Klärung geht der Senat davon aus, dass die gängigen
Wohnen-auf-Zeit-Modelle „als Wohnen einzuordnen und somit nicht
genehmigungsbedürftig“ sind. Gleichwohl hofft man auf einen anderen Weg:
„Aus fachlicher Sicht ist die im Gutachten geäußerte Meinung
vorzugswürdig.“ Das Wohnen auf Zeit sei für viele Bewohner:innen
„finanziell nicht darstellbar“.
18 Jun 2024
## LINKS
[1] /27-Prozent-Mietanstieg-in-Berlin/!5917555
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-19…
[3] /Wohnungsmarkt-in-Deutschland/!5952539
## AUTOREN
Erik Peter
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