# taz.de -- Wohnungsbau-Gipfel: Den „sozialen Sprengstoff Nr. 1“ entschärf… | |
> Bauen geht schneller und billiger, sagen Verbände der Bauwirtschaft. Eine | |
> künftige Regierung müsse dafür in den ersten 100 Tagen die Weichen | |
> stellen. | |
Bild: Der „Bauturbo“: Alles soll schneller, effizienter und digitaler werden | |
Berlin taz | Wer mit etwas Abstand auf die Wohnungsbaupolitik der letzten | |
Jahrzehnte blickt, erkennt, dass die Wohnungsnot nicht immer so groß war. | |
Es sei ja noch gar nicht so lange her, da galt Deutschland „als ausgebaut“, | |
sagt Katharina Metzger, Präsidentin des Deutschen Baustoff-Fachhandel am | |
Donnerstag in Berlin. Heute kaum vorstellbar. Die Zahl [1][der | |
Sozialwohnungen sinkt], die Mietpreise steigen, die Baupreise auch, die | |
Baugenehmigungen brechen ein. Für Menschen, die eine neue Wohnung suchen, | |
eine toxische Mischung. | |
Es ginge jetzt darum, „den sozialen Sprengstoff Nr. 1 schleunigst zu | |
entschärfen“, fordert deshalb das Verbändebündnis Wohnungsbau am | |
Wohnungsbautag, einem jährlich stattfindenden Branchengipfel. Eine neue | |
Bundesregierung müsse deshalb in den ersten 100 Tagen für einen | |
„Aufschwung“ sorgen. Bauen müsse schneller und vor allem billiger werden, | |
so das Bündnis, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft | |
IG Bauen-Agrar-Umwelt sowie die Wohnungswirtschaft und Verbände der | |
Bauindustrie angehören. | |
Die Wohnungsnot treffe immer die Menschen „mit schmalen Geldbeutel“ am | |
stärksten, sagt der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Aber | |
auch Menschen mit normalen Gehältern könnten sich inzwischen keine Wohnung | |
mehr leisten. Die neue Regierung müsse das mit „Verve und Kraft“ angehen. | |
Nur ist das realistisch? | |
Es ist erst einen Tag her, dass Union und SPD im Berliner Regierungsviertel | |
ihre Einigung auf einen Koalitionsvertrag verkündet haben. Die gesamte | |
Performance atmete den Geist des Otto-Normal-Verbrauchers. Das neue | |
Schlagwort lautet: Verantwortung – und das ist so ungefähr das Gegenteil | |
von Verve und Kraft. | |
## Bauturbo gewollt | |
Union und SPD haben möglichst wenig konkrete Ziele formuliert. Eine | |
Zahl,wie 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, was sich die Vorgängerregierung | |
noch vorgenommen hatte, sucht man vergeblich. Die soziale Wohnraumförderung | |
soll ausgebaut werden – wie und mit wie viel Geld steht nicht darin. | |
Aber in den ersten 100 Tagen soll es einen „Bauturbo“ geben – alles soll | |
schneller, effizienter und digitaler werden. Zudem soll die Mietpreisbremse | |
um weitere vier Jahre verlängert werden – und Vermieter*innen, die sich | |
nicht daran halten, müssen eventuell mit einem Bußgeld rechnen. Bei | |
[2][Mietwucher] soll nachgeschärft werden. Die SPD wollte eigentlich auch, | |
dass die Bestandsmieten nicht mehr so stark steigen dürfen, konnte sich | |
aber nicht durchsetzen. | |
Dabei wäre mehr Mieterschutz dringend geboten, wie auch die neue Studie | |
belegt, die auf dem Branchengipfel vorgestellt wurde. Darin hat das | |
Bauforschungsinstitut Arge und das Berliner Forschungsinstitut Regio | |
Kontext Bedarfe und Hemmnisse untersucht. Schon jetzt wohnten 9,6 Millionen | |
Menschen auf zu wenig Platz. Das treffe besonders Minderjährige: 16,4 | |
Prozent wachsen demnach „in beengten Verhältnissen“ auf. Insgesamt bräuch… | |
es 550.000 neue Wohnungen pro Jahr. | |
## Kosten und Zinsen | |
Ein großes Problem seien die gestiegenen Baukosten und Bauzinsen. Doch | |
Bauen ginge „in guter Qualität auch deutlich günstiger, als es heute | |
passiert“, sagt Arge-Leiter Dietmar Walberg – ohne Standards zu | |
vernachlässigen. Man könne etwa auf Tiefgaragen verzichten oder Decken und | |
Wände dünner bauen. Das Stichwort: [3][einfaches Bauen.] Solide, aber mit | |
wenig Schnickschnack. | |
Im Koalitionsvertrag heißt es immerhin: „Baustandards werden vereinfacht | |
und der Gebäudetyp E abgesichert.“ Dieses Vorhaben geht noch auf die Ampel | |
zurück. Deren Kabinett hatte Ende 2024 einen entsprechenden Gesetzentwurf | |
auf den Weg gebracht. Wichtig sei laut Verbändebündnis, dass künftig der | |
soziale Wohnungsbau nicht von der Haushaltskasse abhängig ist. Zudem | |
brauche es ein Zinsverbilligungsprogramm. | |
Die Linkspartei hat dennoch schlimmste Befürchtungen. Der sogenannte | |
Bauturbo der Koalition sei „in Wahrheit ein Spekulationsturbo“, kritisiert | |
die Vorsitzende Ines Schwerdtner. Es fehlten klare „Vorgaben für | |
Bezahlbarkeit, Sozialbindung oder kommunale Bodenpolitik“ sowie ein | |
bundesweiter Mietendeckel. | |
Architects for future fordern, den bestehenden Wohnraum stärker zu nutzen. | |
Über 2 Millionen Wohnungen stünden leer – „viele aus spekulativen Gründe… | |
Es brauche daher strengere Regeln für Leerstand, Zweckentfremdung und | |
Mehrfachwohnsitze. Es müsse mehr im Bestand gebaut werden. Der | |
Gebäudesektor sei schließlich „für circa 40 Prozent der CO₂-Emissionen“ | |
verantwortlich. | |
10 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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