# taz.de -- „The Apprentice“-Premiere in Cannes: Niemals eine Niederlage ei… | |
> Bei den Filmfestspielen erzählt Regisseur Ali Abbasi in dem Film „The | |
> Apprentice“ vom Aufstieg Donald Trumps – ein realer Schrecken in Cannes. | |
Bild: Roy Cohn (Jeremy Strong) und sein Lehrling Donald Trump (Sebastian Stan) | |
An der Croisette ist schon mehr als die Hälfte des Wettbewerbs über die | |
Leinwände gelaufen, doch immer noch fehlt ein klarer Favorit. Drastik ist | |
eines der Mittel der Wahl in vielen Filmen, allein drei davon bedienen | |
sich, wenngleich eher am Rand und zu unterschiedlichen Zwecken, des Themas | |
der abgeschnittenen Finger. In [1][Yorgos Lanthimos’ „Kinds of Kindness“] | |
ist derlei zu sehen, ebenso in Jacques Audiards Musical-Melodram „Emilia | |
Perez“ um die Geschlechtsumwandlung eines mexikanischen Narcos-Bosses, und | |
auch David Cronenberg lässt in „The Shrouds“, einer surrealen | |
Verschwörungskomödie über einen Unternehmer, der Leichentücher mit | |
eingebauten Kameras entwickelt, einen Protagonisten ein paar seiner | |
Extremitäten verlieren. | |
Überzeugender sind bisher dennoch die Filme mit weniger extravaganten | |
Gestaltungsideen. So wählt der Regisseur Ali Abbasi für seinen | |
Donald-Trump-Spielfilm „The Apprentice“ eine vergleichsweise konventionelle | |
Inszenierung. Er beschränkt sich bei der Handlung auf die relativ kurze | |
Zeit von den Siebzigern bis in die späten achtziger Jahre, als Trump „bloß�… | |
Unternehmer war und noch keine TV-Karriere oder ernsthafte politische | |
Ambitionen entwickelt hatte. | |
Trotzdem trägt Abbasi all die nötigen Zutaten zusammen, die es für den | |
späteren Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten braucht. | |
Zu Beginn sieht man den jungen Trump, der noch im Schatten seines | |
dominanten Vaters Fred Trump steht. Im exklusiven Elite-Treff Le Club macht | |
er die Bekanntschaft des Rechtsanwalts Roy Cohn (Jeremy Strong), der | |
beschließt, dem ehrgeizigen Immobilienmakler aus einer finanziellen | |
Schieflage zu helfen. | |
## Den Meister an Skrupellosigkeit überbieten | |
Sebastian Stan verkörpert Trump zunächst als smarten, noch etwas | |
schüchternen jungen Mann, der mit Staunen registriert, wie Cohn sich über | |
jegliche Regeln, auch des Rechts, hinwegsetzt, um zu gewinnen. Erst nach | |
und nach bekommt dieser Trump den orangen Teint und das breite Grinsen, mit | |
dem man den aktuellen Präsidentschaftskandidaten assoziiert. Ohne das Maß | |
an Vulgarität zu erreichen, für die Trump mittlerweile steht. | |
Der Titel spielt dabei geschickt mit Trumps späterer Medienkarriere | |
einerseits, dieser hatte von 2004 bis 2017 seine eigene [2][Reality-TV-Show | |
namens „The Apprentice“], andererseits gibt der Titel vor, wie Abbasi den | |
Aufstieg Trumps verstanden wissen will: Er zeigt ihn als gelehrigen Schüler | |
seines Mentors Roy Cohn. Seinen Meister wird Trump an Skrupellosigkeit | |
schließlich überbieten und dessen Erfolgsregeln als seine eigenen ausgeben. | |
Darunter auch diese: Niemals eine Niederlage eingestehen. | |
Den Übergang von einem Jahrzehnt zum anderen markiert Abbasi durch den | |
Wechsel des Filmmaterials. Sieht man in den Siebzigern noch ein New York in | |
grobkörnigen Bildern, folgt zu Beginn der „Aids-Dekade“, der 1986 auch Roy | |
Cohn zum Opfer fällt, ein verrauschter Video-Look. Gegen Ende bekommen die | |
Bilder etwas digital Kaltes, passend zum Stand der persönlichen Entwicklung | |
des Antihelden. | |
Dieser Film wird, so sehr man sich das vielleicht wünschen mag, eine | |
eventuelle Wiederwahl Trumps nicht verhindern können. Ein anderer könnte es | |
vermutlich ebenso wenig. Trumps Anhänger nehmen im Zweifel alles, was über | |
ihn gesagt wird, ob kritisch oder nicht, als Bestätigung ihrer Ansichten. | |
Abbasis Porträt rekapituliert lediglich mit wenigen, präzise gesetzten | |
Strichen, mit wem es die Welt hier zu tun hat. Das reicht für echten | |
Schrecken. | |
Trump hat angekündigt, dass er gerichtlich gegen den Film vorgehen will. | |
21 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Filmfestspiele-Cannes-2024/!6007484 | |
[2] /Fahrenheit-11/9-von-Michael-Moore/!5559838 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
Spielfilm | |
Biografie | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
Kolumne Cultural Appreciation | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Filmfestspiele in Cannes: Leidenschaft ist orange | |
Tag 9: Ein neonbunter Schicksalsort in Karim Aïnouz’ Spielfilm „Motel | |
Destino“ und Besuch aus dem Iran. Das Festival von Cannes auf der | |
Zielgerade. | |
„Anora“ und „Marcello mio“ in Cannes: Mit Papas Schnurrbart | |
In Christophe Honorés „Marcello mio“ schlüpft Chiara Mastroianni in die | |
Rolle ihres Vaters. Ein anderer Vater aber macht Probleme in Cannes. | |
Filmfestspiele in Cannes: Bereit, das eigene Kind zu opfern | |
Gewalt ist ein zentrales Thema bei den Filmfestspielen in Cannes. Es geht | |
unter anderem um Homophobie im Donaudelta und Umbrüche in China. | |
Männlicher Blick bei den Filmfestspielen: Musen, Mütter, Mörderinnen | |
Wie Frauen dargestellt werden, ist oft belastet von überholten | |
Rollenbildern. Das zeigt ein kritischer Blick auf das Programm des Filmfest | |
in Cannes. | |
Filmfestspiele in Cannes: Wo soziale Härte auf Magie trifft | |
Schräge Vögel und ein Hochglanz-Antikendrama aus der Zukunft: Die | |
Filmfestspiele haben ihren ersten starken Film des Jahrgangs. |