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# taz.de -- Filmfestspiele in Cannes: Wo soziale Härte auf Magie trifft
> Schräge Vögel und ein Hochglanz-Antikendrama aus der Zukunft: Die
> Filmfestspiele haben ihren ersten starken Film des Jahrgangs.
Bild: Protagonistin Bailey schwimmend in „Bird“
Der Wettbewerb der 77. Ausgabe von Cannes mag [1][etwas schwerfällig in
Gang gekommen sein], doch er hat schon einen starken Film. Selbst wenn es
auch bei diesem ein paar Abstriche zu machen gilt. Mit „Bird“ steuert die
britische Regisseurin Andrea Arnold den zweiten Film unter den
Palmenanwärtern bei, der in unterprivilegierten Verhältnissen und in einer
Hafenstadt spielt, [2][ganz wie in Agathe Riedingers „Diamant brut“].
Bei Arnold ist der Ort der Handlung das britische Gravesend nahe London in
der Grafschaft Kent, wo die zwölfjährige Bailey (Nykiya Adams) in sehr
instabilen Verhältnissen bei ihrem Vater lebt, der mit Mitte 20 selbst fast
noch ein Kind ist. Dieser Bug (Barry Keoghan) scheint nicht zu arbeiten,
will seine neue Freundin heiraten, und um die Hochzeit zu bezahlen, besorgt
er eine Coloradokröte, die einen halluzinogenen Schleim absondert, den er
als Droge zu verkaufen plant.
Bailey treibt durch den Tag, ob sie zur Schule geht, ist nicht Thema des
Films. Als sie einmal wütend vor ihrem egozentrischen Vater davonläuft und
die Nacht auf einer Wiese verbringt, kommt ihr dort am nächsten Morgen ein
sonderbarer Mann entgegen.
Der nennt sich „Bird“ und sieht aus wie Franz Rogowski, weil er von ihm
gespielt wird. Anfangs misstrauisch, folgt sie diesem Bird in die Stadt,
sieht ihn nachts auf dem Dach eines benachbarten Hochhauses sitzen, wie ein
echter, bloß sehr schräger Vogel. Nach und nach freundet sie sich mit ihm
an.
## Vogelmotiv bleibt Konstante
Schon in der ersten Einstellung des Films sind Vögel zu sehen, gefilmt von
Bailey mit ihrem Telefon. Dann landet eine Möwe unmittelbar in ihrer Nähe,
so als wolle sie Kontakt aufnehmen. Das Vogelmotiv bleibt eine Konstante in
„Bird“, und während Arnold einerseits die harte, zum Teil schwer zu
ertragende Realität ihrer Hauptfigur zeigt, erlaubt sie sich andererseits
mit der Figur des Bird einen losen Umgang mit Magie, bei der nicht immer
alles restlos aufgeht. Aber dann wäre der Zauber ja ohnehin verflogen.
Toll ebenfalls die Musik, die da, wo keine Songs zum Einsatz kommen, vom
britischen Dubstep-Produzenten Burial beigesteuert wird. Sie unterstreicht
das Rohe und Dringliche des Films. Unter der verwendeten Musik ist zum
Beispiel das [3][britische Electropunk-Duo Sleaford Mods, deren Sänger
Jason Williamson] zudem in einer Nebenrolle zu sehen ist.
Weniger toll hingegen das Spätwerk „Megalopolis“ von Altmeister [4][Francis
Ford Coppola], eine Geschichte aus einem New York der Zukunft mit Figuren
aus dem antiken Rom – Cesar, Cicero und Crassus heißen seine Protagonisten,
gespielt von Adam Driver, Giancarlo Esposito und Jon Voight. Cicero ist der
Bürgermeister der Stadt, Cesar ein Architekt mit großen Plänen für deren
Renovierung und Crassus ein Bankier mit Ähnlichkeiten zu Donald Trump.
Coppola rührt in diesem Monumentalfilm allerhand zusammen, Intrigenstoff
nach shakespeareschem Vorbild, die populistischen Anwürfe, von denen die
USA sich bedroht sehen, utopische Städtebauvisionen, klassische Zitate wie
Catull und das alles in einer Hochglanzästhetik, die regelmäßig von
trashigen Bildcollagen durchbrochen wird, die mal nach halbgarer
Science-Fiction und mal nach schlecht gefrühstückt aussehen.
Frauenrollen hat Coppola sich übrigens keine wirklich überzeugenden
einfallen lassen. Da ist die tugendhafte Julia (Nathalie Emmanuel), die
Tochter Ciceros mit Neigung zu Cesar, und die korrupte Reporterin Wow
Platinum (Aubrey Plaza) mit Neigung zu nichts anderem als Macht. Wie es
dazu kam, dass Coppola die Sache selbst finanziert hat, kann man sich gut
vorstellen, wenn man den Film gesehen hat. Warum er im Wettbewerb laufen
muss, weniger.
17 May 2024
## LINKS
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[3] /Neues-Album-der-Sleaford-Mods/!5922231
[4] /Neue-Fassung-von-Der-Pate-III/!5730628
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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