| # taz.de -- Eröffnung der Filmfestspiele Cannes 2024: Wir werden doch gefilmt | |
| > Bei den Filmfestspielen in Cannes spielen im Eröffnungsfilm „Le deuxième | |
| > acte“ Schauspieler Schauspieler. Meryl Streep erhält den Ehrenpreis. | |
| Bild: In Cannes mit der Ehrenpalme für ihr Lebenswerk geehrt: Meryl Streep | |
| Cannes taz | Große Erwartungen an die Eröffnungsgala dieses Jahr an der | |
| Croisette. Die Ehrenpalme für ihr Lebenswerk geht bei der 77. Ausgabe der | |
| Filmfestspiele von Cannes an die Schauspielerin Meryl Streep. Auch bei der | |
| Direktübertragung im Kino nebenan macht ihr Auftritt am Dienstagabend | |
| Eindruck. | |
| Sie erträgt die sehr emotionale Laudatio ihrer Kollegin Juliette Binoche, | |
| auf Englisch vorgetragen, mit Würde, überhaupt macht sie auf der Bühne eine | |
| bessere Figur, auch als die Jurypräsidentin Greta Gerwig, die sich in ihrer | |
| Rolle leicht unbehaglich zu fühlen scheint. | |
| Um das Sich-Einfinden ebenso wie das Herausfallen aus Rollen geht es dann | |
| ausführlich in der Komödie „Le deuxième acte“ von Quentin Dupieux, mit d… | |
| das Festival eröffnet. Der Regisseur, der zuvor unter dem Namen Mr. Oizo | |
| als Technoproduzent bekannt geworden war, steht mit seinen Filmen für | |
| ungehemmte Albernheiten wie für das beherzte Jonglieren mit den Ebenen der | |
| Fiktion. | |
| Diesmal lernt man verschiedene Personen irgendwo auf dem Land kennen, ihre | |
| Rolle bleibt anfangs unklar. Ein Mann, der mit dem Auto zu einem | |
| abgelegenen Restaurant namens „Le deuxième acte“ fährt und der sichtlich | |
| nervös ist, als er sich auf den Weg in das Gebäude macht, so stark, dass | |
| seine Hand zittert. Zwei Freunde, David und Willy, die sich streiten, weil | |
| David Willy eine Frau „zuschieben“ möchte, die sich für ihn interessiert. | |
| David wird als smarter Typ gespielt von Louis Garrel, Willy etwas einfältig | |
| von Raphaël Quenard. Als Willy verbal plötzlich entgleitet und sich | |
| transphob zu äußern beginnt, weist ihn David empört darauf hin, dass er so | |
| etwas nicht sagen könne, sie würden schließlich gefilmt. Oder sind es gar | |
| nicht David und Willy, die diese Worte sprechen? | |
| ## Aus der Rolle fallen | |
| In ähnlicher Form geht es weiter mit Florence, gegeben von Léa Seydoux, und | |
| ihrem Vater, den wiederum Vincent Lindon spielt. Auch bei ihnen verschiebt | |
| sich permanent, wie sie ihre Rolle spielen und wieder aus dieser | |
| herausfallen, bis man nicht mehr richtig weiß, was fiktiv und was real sein | |
| soll. Ein beliebter Zug bei Dupieux. | |
| Diesmal hat er, trotz allerhand Kommentaren am Rand zu Phänomenen wie | |
| #MeToo oder „Canceln“, allerdings den Aberwitz etwas gebremst, hält seine | |
| Erzählung realistischer als in [1][Filmen wie „Daaaaaali!“ von 2023] und | |
| verlässt sich weit weniger auf fantastische Elemente als sonst. Der Sinn | |
| fürs Absurde ist jedoch geblieben. Und einen Seitenhieb auf den Einsatz von | |
| KI im Film gibt es bei ihm noch als Zugabe. | |
| Das Reale an seine Grenzen treibt auch Sophie Fillières in ihrem postum | |
| fertiggestellten letzten Film „Ma vie ma gueule“, der die unabhängige Reihe | |
| „Quinzaine des cinéastes“ eröffnet. Fillières starb im Sommer 2023 nach | |
| langer Krankheit, sie war zuletzt als Nebendarstellerin in [2][Justine | |
| Triets „Anatomie eines Falls“, dem Gewinner der Goldenen Palme vom | |
| vergangenen Jahr], in einer Nebenrolle zu sehen. In „Ma vie ma gueule“ | |
| spielt die großartige Agnès Jaoui die Werberin Barberie „Barbie“ Bichette, | |
| die in einer Lebenskrise feststeckt. | |
| Barbie spricht mit ihrem Spiegelbild im Badezimmer, beschimpft ihren | |
| Therapeuten, der Fragen nicht in ihrem Sinn beantwortet, und hat unterwegs | |
| seltsame Begegnungen. Ein Zufallstreffen mit einem Mann, der ihren Namen | |
| weiß und ihr sagt, dass sie sich von früher kennen, geht reichlich schief. | |
| Barbie findet sich darauf in der Klinik wieder. Fillières zeichnet dieses | |
| Drama mit Ironie, die seine Figuren nie der Lächerlichkeit preisgibt. Das | |
| Ende vielleicht ein wenig zu forciert offengehalten, doch selbst das mit | |
| feiner Komik. Ein traurig schöner Auftakt. | |
| 15 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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