# taz.de -- Internationale Filmfestspiele Venedig: Die eigene Identität tausch… | |
> Lidokino 10: Lachen mit Dalí und Franz Rogowski als Jenischer. Das | |
> Komische läuft bei den Filmfestspielen von Venedig hauptsächlich außer | |
> Konkurrenz. | |
Bild: Schauspieler Franz Rogowski als Lubo in einer Szene aus „Lubo“ von Gi… | |
Viel zu lachen gab es auf dem Lido bisher nicht. Im Wettbewerb zumindest, | |
wo, von [1][Yorgos Lanthimos’ schwarzer Komödie „Poor] Things“ abgesehen, | |
vorwiegend ernste Stoffe verhandelt wurden, manche lediglich etwas leichter | |
im Ton. Das Komische findet sich dieses Jahr bei den Filmfestspielen von | |
Venedig vor allem außer Konkurrenz. | |
Der wohl schönste Beitrag davon ist kurz, keine 80 Minuten lang, absurd, | |
genauer gesagt surreal und kommt vom zuverlässig albernen französischen | |
Regisseur Quentin Dupieux. „Daaaaaali!“ ist, nach dem am Donnerstag in | |
Deutschland im Kino gestarteten „Dalíland“, der zweite aktuelle Film, der | |
sich dem wohl bekanntesten Künstler des Surrealismus widmet. | |
Als „real fake biopic“ erzählt der Film weniger, als dass er seinen | |
titelgebenden Protagonisten im Stil würdigt. Die Handlung ist | |
übersichtlich: Eine Journalistin trifft Salvador Dalí für ein | |
Dokumentarfilmprojekt, doch schon das erste Treffen bricht der exzentrische | |
Künstler unvermittelt ab. Weitere Treffen enden ähnlich ergebnislos, | |
irgendwann weiß man nicht mehr, ob sie den Film je fertigstellen kann. | |
Dalí wird von wechselnden Schauspielern unterschiedlichen Alters gegeben, | |
in der einen Szene spielt ihn Jonathan Cohen, in einer andern Gilles | |
Lelouche. Am Rande kommt es zu einem Essen bei Dalís Gärtner, wo Dalí einen | |
Traum erzählt bekommt, der nicht zu enden scheint. | |
Wie Dupieux diese Sequenzen schneidet und unerwartet aneinanderfügt, macht | |
einen gut Teil des Witzes von „Daaaaaali!“ aus, der sich seinem Thema schon | |
vom ersten Bild an mit wunderbar bescheuert-überraschenden Einfällen | |
nähert. Das Prinzip Wiederholung nutzt er ebenfalls vorteilhaft. Mehr zu | |
verraten, wäre unfair. Die Filmmusik stammt übrigens von Thomas Bangalter, | |
einer Hälfte des französischen House-Duos Daft Punk. | |
## Rogowski im Bärenkostüm | |
Fast hundert Minuten länger als „Daaaaaali!“ und damit von knapp drei | |
Stunden Dauer ist Giorgio Dirittis Wettbewerbsfilm „Lubo“, der wahre | |
Begebenheiten aus der Schweiz in einer fiktiven Form präsentiert. [2][Franz | |
Rogowski] spielt darin Lubo Moser, einen Jenischen, die ihrer nomadischen | |
Lebensweise wegen von den anderen Schweizer Bürgern als „Zigeuner“ | |
diskriminiert werden. Seine Familie ernährt er als Unterhaltungskünstler, | |
zu Beginn des Films tanzt er in einem Bärenkostüm, dem er kurz darauf | |
geschminkt und in Frauenkleidern entsteigt. | |
Ein Einberufungsbefehl trennt ihn von der Familie. Die Kinder werden in | |
seiner Abwesenheit gewaltsam von den Behörden weggebracht. Seine Frau, die | |
das zu verhindern versucht, stirbt, als sie einer der Polizisten stößt und | |
sie sich beim Fallen schwer verletzt. | |
Lubo Moser bietet sich kurz darauf die Möglichkeit, an Geld zu kommen und | |
seine Identität zu tauschen. Von da an ist er als reicher Händler unter | |
anderem Namen unterwegs, stets auf der Suche nach seinen Kindern, wozu er | |
sämtliche Jugendheime der Schweiz ausfindig macht. | |
## Klassisch in der Machart | |
Als sepiagetönter Historienfilm ist „Lubo“ klassisch in der Machart, sein | |
Thema geht Diritti dabei auf mehreren Umwegen an. Denn um nach dem Verbleib | |
seiner Kinder zu erkundigen, mischt sich Lubo Moser zunächst unter die | |
reiche Schweizer Gesellschaft. Diese unterstützt mit Stiftungen wie „Pro | |
Juventute“ die Einrichtungen, in denen Moser seine Kinder vermutet. | |
Franz Rogowski verleiht der Titelfigur etwas von einem rätselhaften | |
Charmeur, der unter seiner Tarnung nie das Ziel aus den Augen verliert. Man | |
folgt diesem Lubo fasziniert bei seinen oft riskanten Manövern und seinem | |
allmählichen Wandel. Diritti bleibt zwischendurch sehr lange bei den | |
Abenteuern Mosers, am Ende finden die wie zerstreut wirkenden | |
Handlungsstränge jedoch wieder ganz selbstverständlich zusammen. | |
8 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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