| # taz.de -- Streit unter den Wirtschaftsweisen: Vorwürfe wegen Wasserstoff-Pl�… | |
| > Wirtschaftsweise Veronika Grimm spricht sich für Wasserstoff im | |
| > Güterverkehr aus. Das ist brisant, weil sie bei Siemens Energy im | |
| > Aufsichtsrat sitzt. | |
| Bild: Wirtschaftsweise Veronika Grimm | |
| Freiburg taz | Im neuen Frühjahrsgutachten der sogenannten | |
| Wirtschaftsweisen kommt es zu einem offenen Disput im Zusammenhang mit der | |
| Zukunft des Güterverkehrs auf der Straße. Während vier Mitglieder des | |
| Sachverständigenrats alleine auf den batterieelektrischen Lkw setzen, | |
| plädiert das fünfte Ratsmitglied, die Ökonomin [1][Veronika Grimm], in | |
| einem Minderheitsvotum dafür, parallel auch auf Wasserstoff und | |
| Brennstoffzelle zu setzen. | |
| Diese Positionierung ist vor allem pikant, weil Grimm im Februar in den | |
| Aufsichtsrat von Siemens Energy gewählt wurde – ein Unternehmen, das in | |
| Berlin zusammen mit Air Liquide, einem der führenden Unternehmen für | |
| technische Gase, eine Produktionsanlage für Elektrolyseure aufgebaut hat. | |
| Somit profitiert Siemens Energy, eine Abspaltung vom Siemens-Konzern, vom | |
| Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, auch wenn das Unternehmen nach eigenem | |
| Bekunden nicht in den Handel mit Wasserstoff einsteigen will, sondern bei | |
| seiner Rolle als Anlagenbauer bleibt. | |
| Bereits während Grimms Nominierungsverfahren für den Aufsichtsratsposten | |
| hatten die anderen vier Mitglieder des Gremiums Befürchtungen geäußert, | |
| dass es bei einer solchen Konstellation zu [2][Interessenkonflikten] kommen | |
| könnte. Schließlich hat die Energiepolitik eine große wirtschaftspolitische | |
| Bedeutung und spielt damit auch eine große Rolle in den Stellungnahmen der | |
| Wirtschaftsweisen. Die anderen Mitglieder des Gremiums forderten Grimm | |
| deswegen damals auf, sich für eines der beiden Mandate zu entscheiden. | |
| Konflikte drohen vielfach: Siemens Energy ist an vielen Stellen der | |
| Energiewirtschaft – von der Kraftwerkstechnik bis zur Übertragungstechnik – | |
| ein führender Akteur. | |
| Gleichwohl war aber formal gegen die Annahme des Aufsichtsratspostens durch | |
| die Ökonomin nichts einzuwenden. Es habe auch schon früher Sachverständige | |
| gegeben, die Aufsichtsratsposten innehatten, sagte Grimm, als die | |
| Nominierung erfolgte. „Compliancemäßig“ sei das abgeklärt, ließ sie | |
| verlauten. | |
| ## Neue Compliance-Regeln gefordert | |
| Die anderen Mitglieder wandten damals ein, dass das | |
| Sachverständigenratsgesetz von 1963 vor allem darauf angelegt sei, die | |
| Unabhängigkeit des Gremiums von der Politik und von Wirtschaftsverbänden zu | |
| gewährleisten. Sie sprachen sich deswegen für neue Transparenz- und | |
| Compliance-Standards aus, um möglichen Interessenkonflikten | |
| entgegenzuwirken. | |
| Seit 2020 ist Grimm Mitglied des Sachverständigenrats. Sie ist Professorin | |
| an der Technischen Universität Nürnberg und beschäftigt sich dort mit | |
| Energiesystemen und dem Marktdesign der Energiewirtschaft. Das | |
| Wirtschaftsmagazin Capital bezeichnete sie als „eine der renommiertesten | |
| Ökonominnen des Landes“, die aber auch „mitunter als kompliziert in der | |
| Zusammenarbeit“ gelte. Das dürfte auch ihrer Diskursfreudigkeit geschuldet | |
| sein. | |
| Mit dem Frühjahrsgutachten mündet nun also die Debatte, die schon während | |
| der Nominierung intensiv geführt wurde, in das erste große inhaltliche | |
| Konfliktfeld. Vorab wollten die Mitglieder des [3][Sachverständigenrats] | |
| sich nicht zu dem Papier und dem Minderheitsvotum äußern. Man habe sich | |
| darauf verständigt, vor der Vorlage des Gutachtens am Mittwochnachmittag | |
| keine öffentlichen Stellungnahmen abzugeben, heißt es. | |
| Damit erreicht die seit Jahren leidenschaftlich diskutierte Frage, ob | |
| Batterien oder Brennstoffzellen für Nutzfahrzeuge die bessere Variante | |
| sind, nun das einflussreiche ökonomische Beratergremium der | |
| Bundesregierung. Zwar haben in der Fachöffentlichkeit die Batterien auch im | |
| Nutzfahrzeugsektor heute viele Fürsprecher, doch auch die Brennstoffzelle | |
| hat weiterhin ihre Anhänger. Technisch geht es darum, dass im Falle der | |
| Brennstoffzelle schwere Batterien verzichtbar werden, weil der Strom für | |
| den Antrieb erst an Bord des Fahrzeugs aus Wasserstoff erzeugt wird. Der | |
| [4][Wasserstoff] soll perspektivisch mit überschüssigem Solar- und | |
| Windstrom erzeugt werden. | |
| 14 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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