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# taz.de -- Referendum in Ecuador: Freie Hand fürs Militär
> Ecuadors Präsident Noboa gewinnt ein Referendum, das es ihm erlaubt,
> künftig auch ohne Ausnahmezustand das Militär im Innern einzusetzen.
Bild: Auch in Vorbereitung des Referendums patroullierten in Ecuador Soldaten d…
Bogotá taz | Die Ecuadorianer:innen haben am Sonntag mit deutlicher
Mehrheit in einem Referendum den Kurs der harten Hand von [1][Präsident
Daniel Noboa] unterstützt. Laut den [2][vorläufigen Ergebnissen der
offiziellen Schnellauszählung] stellten sie sich bei neun der elf Fragen
hinter ihn.
Die erste und tiefgreifendste Frage – die die meiste Zustimmung bekam –
betrifft den [3][Einsatz des Militärs zur inneren Sicherheit]. Polizisten
können künftig zusammen mit Militärs auf den Straßen patrouillieren, um das
organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Das war bisher laut Verfassung nur im
Ausnahmezustand erlaubt. Das Parlament hatte im Dezember 2023 schon einen
Gesetzentwurf für die Verfassungsänderung auf den Weg gebracht – es fehlte
aber das Votum des Referendums.
Präsident Noboa feierte Sonntagnacht seinen „[4][Triumph]“. Auf
[5][Instagram] schrieb er unter ein Familienfoto: „Wir haben das Land
verteidigt, jetzt haben wir mehr Mittel, um das Verbrechen zu bekämpfen und
den ecuadorianischen Familien den Frieden zurückzugeben.“
Noboas Vorgänger Guillermo Lasso hatte 2023 bei einem Referendum mit einer
ähnlichen Frage noch ein „Nein“ kassiert. Ob die Änderung der Gewalt ein
Ende setzen wird, bleibt zu bezweifeln. Denn seit Januar passiert dank des
[6][Ausnahmezustands] das, was Noboa künftig ohne diesen machen möchte.
237.000 Einsätze mit rund 300 Festgenommenen wegen Terrorismus waren die
Folge. Massaker, Verbrechen und die Ermordung von drei Bürgermeistern hat
das nicht verhindert, schreibt die Zeitung [7][El País] .
## Widerspruch nur bei zwei Wirtschaftsentscheiden
Die Ecuadorianer:innen stimmten auch allen weiteren Sicherheits-Fragen
zu. So können Militärs künftig auf der Straße auf Waffen und Munition
kontrollieren und in Gefängnisse eindringen (was bisher nur Polizei und
Gefängnispersonal darf).
Ecuadorianer:innen dürfen künftig bei bestimmten Verbrechen an
ausländische Staaten ausgeliefert werden, was die Verfassung bislang
verbietet. Auch dem hatten die Bürger:innen in einem früheren Referendum
noch eine Absage erteilt. Außerdem steigen die Strafen für
Gewaltverbrechen.
Nur bei den beiden Wirtschaftsfragen kassierte Noboa ein mehrheitliches
Nein: Internationale Schiedsverfahren sollen nicht anerkannt werden, um zum
Beispiel in Sachen Investitionen, internationale Abkommen oder Schulden
Lösungen zu finden. Und sie sprachen sich gegen eine Änderung des
Arbeitsrechts aus, die stundenweise Arbeitsverträge erlaubt hätte.
Der Arbeitsmarkt ist eine weitere Baustelle Noboas. Laut einer diesen Monat
veröffentlichten [8][Prognose des Internationalen Währungsfonds] wird
Ecuador 2024 zentral- und südamerikanisches Schlusslicht beim
Wirtschaftswachstum sein.
## Geerbte Sicherheitskrise
Noboa ist erst rund fünf Monate Präsident und hat von seinem vorzeitig aus
dem Amt geschiedenen Vorgänger Guillermo Lasso eine massive
Sicherheitskrise geerbt. Das vor ein paar Jahren noch als ruhig geltende
Ecuador ist mittlerweile ständig wegen Drogenhandels, Morde und blutiger
Gefängnisaufstände in den Schlagzeilen.
Das Referendum galt als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl im
Februar 2025. Das Ergebnis steigert die Chancen, dass Noboa kandidiert –
und dass er bis Ende seines Mandats im Mai 2025 seine Politik durchbekommt.
Noboa hatte im Januar einen „internen bewaffneten Konflikt“ per Dekret
anerkannt und den kriminellen Banden den Krieg erklärt. Nach kurzer
Entspannung geht in Ecuador die Gewalt trotz Ausnahmezustand weiter.
Während am Sonntag die Abstimmung noch lief, wurde in der Provinz Manabi
der Gefängnisdirektor Damián Parrales erschossen, als er mit seiner Frau in
einer Cervichería zu Mittag aß. Er war erst sechs Tage vorher auf den
Posten gekommen.
International hatte Noboa zuletzt [9][Kritik wegen des Sturm auf die
mexikanische Botschaft in Quito] geerntet. Er ließ dort den ehemaligen
ecuadorianischen Vizeminister Jorge Glas festnehmen. Mexiko hat Ecuador
deshalb [10][vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angezeigt].
Abgesehen von der Sicherheitskrise steckt Ecuador in einer Energiekrise mit
bis zu zehn Stunden Stromausfällen täglich. Vergangene Woche verlängerte
Noboa den Ausnahmezustand – diesmal wegen [11][Energiekrise]. Schuld ist
einerseits die Dürre, deretwegen Wasserkraftwerke auf dem Trockenen liegen,
der Strom-Export-Stopp von Kolumbien [12][wegen der dortigen Wasserkrise] –
und angeblich Misswirtschaft und Korruption in Institutionen und
Stromfirmen. Die Energieministerin hat Noboa kurz vor dem Referendum
gefeuert.
22 Apr 2024
## LINKS
[1] /Wahlergebnis-in-Ecuador/!5966469
[2] https://consulta2024.cne.gob.ec/
[3] /Bandenkrieg-in-Ecuador/!5982555
[4] https://x.com/DanielNoboaOk/status/1782231945969049983
[5] https://www.instagram.com/p/C6CvYDkLSnl/?utm_source=ig_web_copy_link&ig…
[6] /Eskalation-in-Ecuador/!5984869
[7] https://elpais.com/america/2024-04-21/referendum-en-ecuador-catapulta-y-oto…
[8] https://www.primicias.ec/noticias/economia/fmi-pib-proyeccion-crecimiento-e…
[9] /Nach-dem-Sturm-auf-Mexikos-Botschaft/!6002713
[10] https://news.un.org/es/story/2024/04/1528971
[11] https://www.eluniverso.com/noticias/ecuador/que-implica-el-nuevo-estado-de…
[12] /Wasserkrise-in-Bogota/!6005570
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Ecuador
Referendum
Militär
Ausnahmezustand
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Drogenkrieg
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