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# taz.de -- Deutsche Kliniken in der Krise: Jeden Monat fehlen 500 Millionen
> Die geplante Krankenhausreform könnte für viele Kliniken zu spät kommen.
> Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert wirksame Maßnahmen.
Bild: Wie geht es weiter mit den Kliniken? Hier: leere Betten in einem Berliner…
Das Bild, das Gerald Gaß, der Vorsitzende der Deutschen
Krankenhausgesellschaft (DKG), zeichnet, ist düster. „Aktuell fehlen den
Kliniken Monat für Monat 500 Millionen Euro“, sagt Gaß am Donnerstag auf
einer Pressekonferenz in Berlin.
Die Sorgen, vor dem, was drohe, wenn die Politik nicht schnell
gegensteuere, seien groß. Bereits im vergangenen Jahr sei die Lage der
Kliniken dramatisch gewesen. Vier von fünf Krankenhäusern rechneten Ende
2023 mit einem [1][negativen Jahresergebnis], und in diesem Jahr drohten
neue Rekorde an Insolvenzen, sagte Gaß.
Vor diesem Hintergrund warnt die Branche vor einem Wegbrechen der
Versorgungsstruktur im ländlichen Raum auf Kosten der älteren Bevölkerung
in den nächsten Jahren. In einer Befragung, an der 500 Kliniken
teilgenommen haben, gaben zwei Drittel an, dass sie in einem Jahr eine
schlechtere oder viel schlechtere Patientenversorgung im Vergleich zu heute
erwarteten.
Mehr als [2][1.800 Kliniken mit rund 480.000 Betten] gibt es nach Angaben
der DKG in Deutschland. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist Deutschland
damit an der Spitze Europas. Viele Expert*innen sagen, das seien [3][zu
viele und schlecht verteilte Kliniken]. Gerade in Ballungsgebieten bieten
nah beieinander liegende Häuser oft vergleichbare Leistungen an – mit
entsprechend hohem Bedarf an spezialisiertem Personal und Ausstattung.
Die vielen Kliniken finanzieren sich nur, wenn viel operiert, viel im
Krankenhaus behandelt wird. Auch darin ist Deutschland auf die
Bevölkerungszahl gesehen Spitze. Komplexere Eingriffe lohnen sich im
bestehenden Finanzierungssystem für die Kliniken besonders. Es gibt keine
verbindlichen Mindestvoraussetzungen dafür, deshalb werden solche Eingriffe
auch in Kliniken durchgeführt, die über wenig Erfahrung verfügen.
## Deutschland ist nur Mittelmaß
Trotz der hohen Kosten, der vielen Krankenhäuser, des vielen Personals ist
Deutschland in Sachen Behandlungsqualität nur Mittelmaß in Europa. Das
bestehende Finanzierungssystem setzt Fehlanreize, bereits seit Jahren ist
eine Reform geplant. Außerdem kommen die Länder ihrer Pflicht zur
Finanzierung von Investitionen in die Krankenhäuser nicht ausreichend nach.
Schon vor Beginn der Coronapandemie 2020 mussten viele Kliniken sparen –
einziger Hebel waren da oft die Personalkosten.
Mit Corona hat sich diese Situation noch verschärft. Es gab einen Einbruch
bei den belegten Betten, der bis heute nicht wieder aufgeholt werden
konnte. Anteil daran hat auch der Mangel an Pflegepersonal, der inzwischen
zur Schließung ganzer Stationen und Abteilungen führt. Inflation und
notwendige Lohnsteigerungen treiben die Kosten der Krankenhäuser zusätzlich
nach oben.
Nötig, da sind sich alle Akteur*innen im Gesundheitswesen einig, sei
eine tiefgreifende Krankenhausreform. Man habe es mit der Ökonomisierung zu
weit getrieben, meint [4][nicht nur Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD)].
Nun soll die Finanzierung der Krankenhäuser an der Qualität der Versorgung
ausgerichtet und die Basisversorgung abgesichert werden, sollen
Überkapazitäten, etwa in Ballungsräumen, abgebaut werden. Dafür ist eine
Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft nötig. Grundlage ist der
[5][Vorschlag einer Regierungskommission] von Expert*innen aus Medizin,
Pflege, Recht und Wirtschaft.
Um die Details der Reform ringen Bund und Länder seit mehr als einem Jahr.
Eigentlich sollte sie schon Anfang 2024 in Kraft treten. Ein Teil davon,
das bereits im vergangenen Oktober im Bundestag beschlossene
Krankenhaustransparenzgesetz, [6][blockierten die Länder zunächst im
Bundesrat].
Mit dem Gesetz soll ein Klinik-Atlas geschaffen werden, der
Patient*innen zeigt, welche Klinik für welchen Eingriff am besten
geeignet ist. Außerdem sollen kurzfristige Finanzhilfen eine Insolvenzwelle
verhindern, verspricht Lauterbach. [7][Ende Februar einigten sich Bund und
Länder schließlich], noch im März soll das Transparenzgesetz nun auch den
Bundesrat passieren.
## Woher das Geld kommt, ist unklar
Dieser Weg steht dem Herzstück der Reform noch bevor. Das soll am 24. April
im Kabinett und, so hofft man in der Ampel-Regierung, noch vor der
Sommerpause im Bundestag beschlossen werden. Wirklich wirksam wird die von
Lauterbach versprochene Revolution der Klinik-Finanzierung allerdings erst
in mehreren Jahren.
Doch wie soll bis dahin der „kalte Strukturwandel“ verhindert werden, der
laut Gerald Gaß von der Krankenhausgesellschaft bereits begonnen hat? Bei
dem auch Krankenhäuser eingehen könnten, die für die Versorgung benötigt
werden?
Der Bundesgesundheitsminister verspricht, Tariflohnsteigerungen aller
Beschäftigten in Krankenhäusern künftig bei der Erstattung der
Betriebskosten besser zu berücksichtigen. Außerdem soll ab 2025 ein
Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro die Zeit überbrücken,
bis die Krankenhausfinanzierungsreform greift.
An dem Fonds sollen sich Bund und Länder zu gleichen Teilen beteiligen.
Woher das Geld dafür kommen soll, ist allerdings noch unklar. Die
gesetzlichen Krankenkassen befürchten, dass sich in der Folge die Beiträge
der Versicherten spürbar erhöhen könnten.
Karl Lauterbachs Versprechen beruhigen die Krankenhausgesellschaft nicht.
Grundsätzlich stünden die DKG und Mitgliederverbände der Krankenhausreform
nicht entgegen, aber wenn die Politik nicht kurzfristig reagiere, hätten
viele Kliniken gar nicht die Chance, sie überhaupt zu erleben, so Gerald
Gaß am Donnerstag. Bund und Länder müssten in den anstehenden Beratungen im
März wirksame Maßnahmen ergreifen und etwa für einen Inflationsausgleich
sorgen, appelliert der DKG-Vorsitzende. Sonst wolle er weiter Druck machen.
17 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.dki.de/fileadmin/user_upload/DKI_Krankenhaus_Barometer_2023_fin…
[2] https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/3_Service/3.3._Zahlen-Fakt…
[3] /Gesundheitsoekonom-ueber-Krankenhausreform/!5933156
[4] /Karl-Lauterbach-zu-Krankenhausreform/!5974864
[5] /Kommissionschef-ueber-Krankenhausreform/!5918423
[6] /Lauterbachs-Krankenhausreform/!5982596
[7] /Teil-von-Lauterbachs-Krankenhausreform/!5993965
## AUTOREN
Manuela Heim
Adefunmi Olanigan
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