| # taz.de -- Kommune Holzminden schließt Krankenhaus: Alle Patienten müssen ra… | |
| > Das insolvente Krankenhaus Holzminden sollte für zwölf Millionen Euro | |
| > saniert werden. Doch das Rettungskonzept von Stadt und Landkreis ist | |
| > gescheitert. | |
| Bild: Hier geht bald das Licht aus: ein Dienstzimmer im Krankenhaus Holzminden | |
| Göttingen taz | Noch vor knapp zwei Wochen sah es nach einer Rettung aus, | |
| nun wird das insolvente Krankenhaus im niedersächsischen Holzminden doch | |
| komplett geschlossen. „Die mittlerweile eingetretenen Realitäten lassen | |
| keine andere Wahl“, erklärten die Stadt und der Landkreis Holzminden in | |
| einer gemeinsamen Presseerklärung. | |
| Der Plan von Stadt und Kreis, durch eine gemeinsame Finanzspritze in Höhe | |
| von zwölf Millionen Euro wenigstens einen Rumpfbetrieb der Klinik mit rund | |
| 40 von insgesamt 180 Betten am Leben zu erhalten, habe sich als nicht | |
| realisierbar herausgestellt. Die personellen Voraussetzungen seien dafür | |
| nicht mehr vorhanden: „In den entscheidenden Schlüsselpositionen hat eine | |
| Erosion von Mitarbeitenden eingesetzt, die sich nicht mehr kompensieren | |
| lässt.“ Mehr als 120 der rund 400 Mitarbeitenden sollen in den vergangenen | |
| Tagen gekündigt haben. | |
| Das 1933 eröffnete Krankenhaus war in den vergangenen Jahren und nach | |
| mehrmaligem Betreiberwechsel – zuletzt führte dort der evangelische | |
| Gesundheitskonzern Agaplesion die schlechter laufenden Geschäfte – in | |
| finanzielle Turbulenzen geraten. Ende August 2023 mussten die Klinik und | |
| das angeschlossene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Insolvenz | |
| anmelden. Der Geschäftsbetrieb konnte bislang durch das Insolvenzgeld | |
| aufrechterhalten werden: Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten werden | |
| bis einschließlich November von der Agentur für Arbeit gezahlt. | |
| Für einen Erhalt und eine Restrukturierung der Klinik hatten die Stadt und | |
| der Kreis Holzminden noch am vorletzten Wochenende besagte Zuschüsse in | |
| Höhe von insgesamt zwölf Millionen Euro zugesagt und dafür extra eine | |
| Gesellschaft gegründet. Der Abbau des medizinischen Angebots sollte diese | |
| Woche mit der Schließung der gynäkologischen Abteilung beginnen. | |
| Gleichzeitig wollten sich Stadt, Kreis und der vorläufige | |
| Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko auf die Suche nach einem neuen | |
| Betreiber machen. | |
| Neben dem massenhaften Abgang von Beschäftigten haben sich den Beteiligten | |
| zufolge in den vergangenen Tagen weitere Aspekte ergeben, die zumindest für | |
| die nächsten Jahre ein unkalkulierbares Risiko dargestellt hätten. Ein | |
| wesentlicher Bestandteil des Beschlusses sei gewesen, dass eine | |
| Beratungsfirma vorab die Zahlen, Daten und Fakten des geplanten | |
| Restrukturierungsprozesses prüfen sollte, erläutert der parteilose | |
| Holzmindener Landrat Michael Schünemann. „Das hat sie getan und dabei | |
| festgestellt, dass die rechtlichen, finanziellen und strukturellen | |
| Voraussetzungen nicht mehr dem entsprechen, was wir und die Politik vor dem | |
| Beschluss angenommen haben.“ | |
| „Es war klar, dass wir für eine Rettung des insolventen Krankenhauses am | |
| Ende zwei Dinge brauchen: [1][zusätzliches Geld] und das [2][nötige | |
| Personal]“, bekräftigt Insolvenzverwalter Danko. „Nachdem sich abzeichnet, | |
| dass beides nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, bin ich als | |
| Insolvenzverwalter leider gezwungen, den Krankenhausbetrieb | |
| herunterzufahren.“ | |
| Praktisch bedeutet dies: Das Krankenhaus nimmt ab sofort keine neuen | |
| Patienten mehr auf. Der überwiegende Teil der rund 70 aktuell behandelten | |
| Patienten wird in den nächsten Tagen regulär entlassen. Wo es erforderlich | |
| sei, werde eine Verlegung organisiert, sagt Danko. „Die durchgängige | |
| Versorgung der Patientinnen und Patienten ist dabei weiter gewährleistet | |
| und hat allerhöchste Priorität.“ Den verbliebenen Beschäftigten werde er | |
| nun Kündigungen aussprechen müssen. | |
| Gleichzeitig sind sich Landkreis- und Stadtobere einig, dass „die | |
| [3][gesamtpolitische Wetterlage] auch auf Bundes- und Landesebene“ | |
| wesentlich mitschuldig daran ist, dass das Krankenhaus in Holzminden nicht | |
| gerettet werden konnte. | |
| Die zahlreichen gleichzeitig auftretenden Krisen und Unsicherheiten | |
| aufgrund gesundheitspolitischer Entscheidungen der vergangenen Jahre hätten | |
| dazu geführt, dass die Krankenhäuser im ländlichen Raum [4][immer geringere | |
| Überlebenschancen] hätten. „Es scheint momentan fast unmöglich, finanziell | |
| in Schieflage geratene Kliniken wieder auf einen sicheren Kurs zu bringen. | |
| Hier können die Kommunen allein nicht die in etlichen Kliniken | |
| feststellbaren Defizite kompensieren“, heißt es in der Stellungnahme der | |
| Kommunen. | |
| Erhalten bleiben soll in Holzminden zumindest das Medizinische | |
| Versorgungszentrum (MVZ). Auch hier habe die Beratungsfirma nach Prüfung | |
| der Zahlen kurzfristig zwar positive wirtschaftliche Wende prognostiziert. | |
| Allerdings sei das Haushaltsrisiko noch beherrschbar. Mit dem Erhalt des | |
| MVZ lasse sich auf eine funktionierende Infrastruktur bauen, die zu einer | |
| ambulanten medizinischen Grundversorgung in Stadt und Landkreis weiter | |
| beitragen könne. | |
| 24 Nov 2023 | |
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