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# taz.de -- Psychedelika in der Psychotherapie: Den Hype erforschen
> Können MDMA, Ketamin und LSD psychisch Kranken helfen? Die Zahl der
> Studien zum Thema steigt rasant, genauso wie die Euphorie. Zu Recht?
Sobald die Virtual-Reality-Brille festgezurrt ist, verschwindet die reale
Welt. Stattdessen ist da ein Pool auf einem Berg, im Hintergrund rauscht
ein Wasserfall. Eine Stimme aus dem Off leitet an, die Atmung zu
verlangsamen. Nach etwa einer Minute werden die Farben intensiver, der
graue Himmel leuchtet plötzlich rosa. Das Bild beginnt zu verschwimmen, die
Welt wird gleißend weiß. Die nächsten 20 Minuten betrachtet man die Erde
aus dem All und schwimmt durch schwebende Quadrate und Kreise. Ein
psychedelischer Trip.
Ein Konferenzstand in einem Veranstaltungsgebäude der Berliner Charité. Die
junge Frau, die gerade den rosa Himmel gesehen hat, zieht die VR-Brille ab,
atmet tief aus und wischt sich mit beiden Händen ein paar Tränen aus den
Augen. Dann umarmt sie die Frau, die den VR-Stand betreut: Das sei wirklich
eine schöne Erfahrung gewesen.
Die Konferenz, auf der sie den Trip via Virtual Reality ausprobiert hat,
heißt Insight Conference. Das Motto: „Rethink Psychedelics“. Hier trifft
sich Ende August 2023 das Who’s who der psychedelischen Psychotherapie –
[1][Menschen also, die zum Einsatz von psychedelischen Substanzen bei
psychischen Erkrankungen forschen]. Die Konferenz wird organisiert von der
Mind-Foundation, einer Nonprofitorganisation, die nach eigener Aussage
„psychedelische Forschung und Therapie fördert“.
Beteiligt sind die australische Monash University und das Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit in Mannheim. Finanziert wird das Ganze auch von
Geldern der EU. Neben VR-Brillen-Trips kann man sich an den
Konferenzständen auch von [2][einer Stroboskoplampe in eine LSD-ähnliche
Erfahrung schicken lassen] und Tests kaufen, mit denen man überprüfen kann,
wie stark gekaufte Drogen sind.
An dem jungen Konferenzpublikum ist zu spüren, wie groß die Erwartungen
sind. [3][Elon Musk] hat vor Kurzem getweetet, er halte Ketamin für eine
bessere Behandlungsform gegen Depression als klassische Psychopharmaka.
Musk ist kein Experte für Psychotherapie, aber durchaus ein Experte für
Hypes. Wie gehen also Wissenschaftler:innen mit dieser Euphorie um?
Ist sie wirklich durch Studienergebnisse begründet?
Der Einsatz von Psychedelika in der Psychotherapie war unter
Therapeut:innen lange Zeit geächtet und ist heute noch mindestens
umstritten. Im September [4][2009 kamen in Berlin zwei Menschen ums Leben],
nachdem sie von einem Psychotherapeuten verschiedene Psychedelika
verabreicht bekommen hatten und eine Überdosis abbekamen. Die Deutsche
Psychotherapeuten-Vereinigung [5][veröffentlichte damals eine
Pressemitteilung] mit dem Titel: „Behandlung mit Drogen ist kriminell und
hat mit Psychotherapie nichts zu tun.“ Der Therapeut ging dafür in Haft und
erhielt ein Berufsverbot. Fälle wie diesen gab und gibt es aber immer
wieder.
## MDMA gegen PTBS
Dennoch wird seit einigen Jahren wieder vermehrt an Psychedelika geforscht.
Psychedelika sind Substanzen, die im Menschen bewusstseinsverändernde,
manchmal tagtraumähnliche Zustände hervorrufen. Unter Psychedelika versteht
man LSD, Psilocybin – den Wirkstoff in Magic Mushrooms –, DMT und Meskalin.
Die euphorisierende Substanz MDMA und das Beruhigungsmittel Ketamin sind
eigentlich keine Psychedelika, werden aber wegen ihrer subjektiv ähnlichen
Wirkung häufig dazugezählt.
Die Forschung mit Psychedelika findet meist mit Psilocybin, MDMA und
Ketamin statt, LSD ist aufgrund seiner langen Wirkungsdauer von zehn bis
zwölf Stunden nicht so einfach einzusetzen. Die meisten Psychedelika
erzeugen keine physische Abhängigkeit, bei Ketamin und MDMA ist jedoch eine
psychische Abhängigkeit möglich.
Die Substanzen erleben eine Renaissance. Gerade wurden in dem Fachmagazin
Nature Medicine [6][die Ergebnisse einer Phase-III-Studie veröffentlicht],
das ist die letzte Stufe einer Medikamentenzulassung. Es geht um die
Behandlung von postraumatischer Belastungsstörung, kurz PTBS, mit der Droge
MDMA. Patient:innen mit PTBS profitieren demnach deutlich mehr von
einer psychotherapeutischen Behandlung, wenn diese durch die Einnahme von
MDMA unterstützt wird, heißt es dort.
[7][Eine andere Studie] aus dem Jahr 2022, die in dem Journal Jama
Psychiatry erschienen ist, will vielversprechende Ergebnisse bei der
Behandlung von Alkoholismus mit dem Wirkstoff Psilocybin gefunden haben.
[8][Eine weitere Studie] des Johns Hopkins Center untersucht die
Wirksamkeit von Psilocybin bei der Bekämpfung von Nikotinsucht. Nach nur
wenigen Sitzungen hatten 80 Prozent der 15 Versuchspersonen noch sechs
Monate nach den Sitzungen mit dem Rauchen aufgehört, deutlich mehr als bei
einem handelsüblichen Medikament für Raucherentwöhnung.
Sogar über den explosiven Zuwachs an Studien [9][gibt es mittlerweile eine
Studie]. Seit 2019 sei so viel an dem Thema geforscht worden, dass
Wissenschaftler:innen überhaupt nicht mehr mit dem Überprüfen der
Studien, dem Peer-Review-Verfahren, hinterherkommen, stellt die
Untersuchung fest.
Ein Grund für das gestiegene Interesse an psychedelischer Psychotherapie
ist möglicherweise auch die Krise, in der die Behandlung mit klassischen
Psychopharmaka wie Antidepressiva steckt. Sowohl Nebenwirkungen wie
Müdigkeit als auch Entzugssymptome beim Absetzen bestimmter Antidepressiva
wurden in den vergangenen Jahren vermehrt diskutiert. Psychedelika mögen da
für einige, trotz aller Gefahren, wie eine Alternative erscheinen. Aber
warum sind die Stoffe dann nach wie vor nicht in der Therapie erlaubt?
Eiko Fried ist so etwas wie der [10][Profikritiker dieses Feldes]. Der
Professor am Institut für Klinische Psychologie der Universität Leiden in
den Niederlanden setzt sich seit Jahren mit der Forschung zu
psychedelischer Psychotherapie auseinander. „Ich habe kein Problem mit dem
Forschungsfeld an sich“, will der Psychologe von vornherein klarmachen.
Aber leider beobachte er oft fragwürdige Forschungsmethoden. „Problematisch
wird es nur, wenn wissenschaftliche Studien Schlussfolgerungen ziehen, die
von der Evidenz nicht unterstützt werden“, sagt Fried.
In einem bald erscheinenden Paper haben ein Kollege und Fried Studien zu
dem Thema psychedelische Psychotherapie untersucht. In fast allen konnten
sie fragwürdige Forschungsmethoden entdecken.
Da sind zum einen strukturelle Probleme: Bei einem sauberen
Medikamententest braucht es eine Kontrollgruppe. Das heißt, dass eine
Gruppe an Versuchspersonen ein Placebo, also ein Scheinmedikament, bekommt.
Bei Psychedelikastudien gibt es die selten. Er verstehe das sogar, das
Problem sei leider gar nicht so leicht zu lösen.
## Kann ein Placebo funktionieren?
Eine Placebokontrollgruppe führe nämlich zu dem nächsten Problem: „Die
Patient:innen wissen ja, ob sie MDMA bekommen haben oder ein Placebo.“
Ob man ein Psychedelikum geschluckt hat oder nicht, merke man schnell.
Damit ist die Studie nicht mehr „verblindet“. Die Erkenntnis, nur Teil der
Kontrollgruppe zu sein, könnte Patient:innen enttäuschen und somit
womöglich zu schlechteren Therapieergebnissen führen. Eine mögliche Lösung
wäre eine aktive Kontrollgruppe, also eine Gruppe, die anstatt mit einem
Psychedelikum mit einer Therapieform behandelt würde, von der man wisse,
dass sie funktioniert – eine Verhaltenstherapie zum Beispiel.
Einige Studien zögen außerdem aus ihren Ergebnissen Schlüsse, die Fried
sich nicht erklären kann. Sie behaupten, dass die Substanzen sehr effizient
seien, obwohl die Ergebnisse teilweise eher ernüchternd sind. [11][In einer
Studie sprachen] nur zwei von vierzehn Patient:innen positiv auf das
verabreichte Ketamin an, dennoch ist im Titel die Rede von „schnellem und
nachhaltigem Rückgang suizidaler Gedanken“. [12][Eine andere Studie]
behauptet, der Versuch sei verblindet gewesen, obwohl alle
Teilnehmer:innen in der psychedelischen Gruppe und mehr als die Hälfte
in der Placebogruppe richtig errieten, welche Substanz sie bekommen hatten.
Eine Erklärung für die aufgebauschten Ergebnisse ist vielleicht die
Tatsache, dass mittlerweile auch Pharmakonzerne das Feld der Psychedelika
entdeckt haben und seitdem viele Studien finanzieren. „Die Leser:innen
müssen wissen, dass Studien, die so finanziert sind, fünfmal so häufig
positive Ergebnisse finden“, erklärt Fried. Denn im Markt der Psychedelika
schlummert ein enormes Kapital.
[13][In Australien dürfen seit Juli 2023 speziell ausgebildete
Psychiater:innen Psychedelika zur Behandlung einsetzen]. Das Ganze ist
sehr begrenzt, MDMA darf nur zur Behandlung von PTBS und Psilocybin zur
Behandlung von therapieresistenter Depression eingesetzt werden – nach
wissenschaftlicher Definition sind das Patient:innen, die mindestens zwei
klassische Antidepressiva über mindestens sechs Wochen genommen haben und
nicht zufriedenstellend darauf angesprochen haben.
Das Problem ist allerdings, dass die Substanzen noch nicht zugelassen sind
und deshalb von den Psychiater:innen teuer von inoffiziellen Quellen
selbst bezogen werden müssen. Eine psychedelische Therapie wird deshalb in
Australien voraussichtlich über 25.000 Dollar kosten.
Fried warnt auch vor den potenziellen negativen Effekten von Psychedelika,
die in den Studien oft heruntergespielt würden. „Wenn bei den
Patient:innen suizidale Gedanken aufkommen und die Autor:innen
einfach entscheiden, dass die nichts mit dem Mittel zu tun haben, finde ich
das eine problematische Entscheidung“, sagt Fried. Besonders wenn
Psychedelika nicht als zusätzliches Tool der Psychotherapie, sondern als
Ersatz für sie gesehen werden, sieht Fried eine Gefahr. „Es gibt keinen
Hinweis, dass einfach Pilze zu nehmen bei schweren psychischen Problemen
hilft.“
Und dann sind da noch die Teilnehmerzahlen bei den Studien: 30
Versuchspersonen, 24, teilweise sogar nur 10. Fried verstehe, dass die
Studien teuer und nicht so leicht zu organisieren seien. „Dann muss man
eben aufhören, viele kleine problematische Studien durchzuführen, und
stattdessen internationale Konsortien zusammenbringen und weniger, aber
besser kontrollierte Studien durchführen“, sagt Fried.
Also doch alles falscher Messianismus? Viele der fantastischen
Versprechungen erinnern an die Euphorie der 60er-Jahre. In dem Paper von
Fried ist die Rede von Geschichte, die sich selbst wiederholt.
Auch Andrea Jungaberle ist der Hype zu groß. „Ich persönlich fühle mich da
manchmal wie der Zauberlehrling: Die Geister, die ich rief“, sagt sie und
lacht ein wenig beunruhigt. Jungaberle empfängt in der Ovid Clinic, einer
Privatpraxis für psychedelische Psychotherapie. An einer Wand hängt ein
Foto des Schweizer Chemikers Albert Hofmann, des Entdeckers von LSD. Das
ist aber auch alles, was auf die Geschichte der Psychedelika hinweist. „Die
Idee ist, es warm und weich zu gestalten, ohne in Hippiecharme zu
verfallen“, sagt Jungaberle.
## Ketamin nicht ohne Therapie
Jungaberle ist medizinische Leiterin der Klinik. Eigentlich ist sie
Notfallmedizinerin und Anästhesistin, ihre Ausbildung zur
Verhaltenstherapeutin wird sie bald abschließen. Im Jahr 2020 gründet sie
mit zwei Kolleg:innen die Ovid Clinic. Was sie hier machen, nennen sie
psychedelisch augmentierte – also erweiterte – Psychotherapie.
Jungaberle ist wichtig, dass sie bei Ovid Clinics die Psychedelika mit
Psychotherapie kombinieren. Das unterscheidet ihre Praxis von anderen, die
Patient:innen einfach Psychedelika geben und dann nichts weiter tun.
„Wenn man nur eine Infusion macht, holt man die Leute hoch aus dem Loch,
aber dann fallen sie schnell wieder rein.“
Jungaberle und ihre Kolleg:innen arbeiten mit Ketamin, dem aktuell
einzigen in Deutschland zugelassenen Psychedelikum. Allerdings ist Ketamin
nur als Beruhigungsmittel zugelassen. Jungaberle verabreicht Ketamin legal,
aber „off-label“, was bedeutet, sie verwendet es nicht wie eigentlich
vorgesehen. Damit das erlaubt wird, muss sie bei jedem einzelnen Fall
begründen, wieso sie das Medikament verabreicht.
Die Krankenkassen übernehmen die Behandlung nicht. Eine Therapie kostet
zwischen fünfeinhalb- und sechstausend Euro.
Jungaberle kennt Ketamin noch aus ihrer Zeit als Notfallärztin. Damals
setze sie es ein, wenn Patient:innen sehr heftige Verletzungen hatten
und beruhigt werden mussten. Heute bleibt der Grundprozess im Körper der
Gleiche: „Wenn ich jemanden habe mit sehr starken Schmerzen und ich spritze
ihm nur ein bisschen Ketamin, hat er zwar immer noch Schmerzen, aber es
macht ihm nicht mehr so viel aus“, erklärt Jungaberle.
So ähnlich wirke das Ketamin auch in der Therapie. Die meisten Rezeptoren,
die empfindlich für das Ketamin sind, liegen im Thalamus. Den Thalamus kann
man sich wie eine Art Schaltzentrale des Gehirns vorstellen, dort geschieht
die Bedeutungsgebung. Ketamin verändert hier die Bewertung. Dinge, die
vorher viel Raum eingenommen haben, erscheinen plötzlich nicht mehr so
wichtig. „Dann kann das Bewusstsein sich mal in Ruhe mit sich selbst
beschäftigen“, sagt die Ärztin.
Jangaberles Patient:innen müssen vorher ein Therapieziel definieren.
Das geschieht in zwei bis drei Vorbereitungssitzungen. Die Klinik nimmt in
der Regel nur Patient:innen, die bereits eine Psychotherapie hinter sich
haben. Häufig gehe es um chronische Langzeitdepression, Angstzustände oder
Traumata aus der Vergangenheit. Nach den Vorbereitungsgesprächen wird den
Patient:innen in fünf bis sechs je zweistündigen Sitzungen Ketamin
verabreicht.
Jungaberle führt durch einen der vier Behandlungsräume. Eigentlich möchte
sie die Beatmungsbeutel zeigen, die in jedem Zimmer für Notfälle liegen
sollten, die fehlen aber. „Das nervt mich jetzt aber“, sagt Jungaberle und
ruft nach ihrer Mitarbeiterin, die das beheben soll. Man merkt, wie viel
ihr an einem professionellen Auftritt liegt.
Nach jeder Einnahme gibt es am Tag danach eine Sitzung, in der das Erlebte
verarbeitet werden soll. Nach Ende der Ketaminsitzungen werden noch einige
Wochen lang Therapiesitzungen angehängt.
## Die Patientin erinnert sich
Zuletzt zeigt Jungaberle den vielleicht wichtigsten Raum in der Ovid
Clinic, den Integrationsraum. Hier kommen Patient:innen direkt nach
ihrer Ketaminsitzung hin. Sie können malen oder sich einfach einkuscheln.
In die Wand sind Liegemöglichkeiten eingesetzt, von der Decke hängt ein
rotes Yogatuch. „Das ist immer sehr beliebt“, sagt Jungaberle.
Auch Agnieszka Walorska hat sich nach ihren Ketaminsitzungen immer gerne in
das Yogatuch gewickelt. Die Unternehmerin möchte ihr genaues Alter nicht
verraten, nur so viel: Sie ist vor dem Mauerfall geboren. Sie hat sich
bereit erklärt, per Videotelefonat von ihren Erfahrungen in der Ovid Clinic
zu erzählen. Angefangen habe sie die Therapie, weil sie Angstzustände und
eine Anpassungsstörung hat, so wurde es ihr mit Anfang zwanzig in einer
ersten Therapie diagnostiziert.
Sie erinnert sich noch genau, wie das war, als die Substanz ihre Wirkung
zeigte. Vorher waren da immer noch die Termine, die sie am nächsten Tag
hatte, die Mails, die sie noch schreiben musste. „Das verschwindet dann
langsam“, beschreibt Walorska die Wirkung. Die tausend Dinge, die einen
sonst beschäftigen, seien einfach nicht mehr dagewesen. „Ketamin ist ein
richtig krasses, intensives Date mit dem eigenen Gehirn“, sagt Walorska.
Walorska hat die Ketaminsitzungen heute hinter sich. Ihr Therapieprozess
ist damit aber noch nicht abgeschlossen. „Es ist ja nicht magic. Du stehst
nicht nach der letzten Sitzung auf und sagst ‚Juhu, jetzt bin ich
geheilt‘“, sagt sie und wirft dabei sarkastisch ihre Arme in die Höhe. „…
habe heute viel mehr Zugang zu meinen Gefühlen, kann sie besser benennen“,
sagt Walorska.
Trotz berechtigter Kritik wie der von Eiko Fried: Können Psychedelika
manchen Menschen doch helfen? Es gibt durchaus auch Forscher:innen, die
daran glauben. Gerhard Gründer zum Beispiel, Professor für Psychiatrie und
Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für
Seelische Gesundheit in Mannheim. Er ist auch an der Ovid Clinic beteiligt
und leitet die sogenannte Episode-Studie, die vom
Bundesforschungsministerium finanziert wird. Dafür untersuchen Gründer und
seine Kolleg:innen 144 Patient:innen mit therapieresistenter
Depression.
Die Teilnehmer:innen erhalten nach drei vorbereitenden Sitzungen
entweder eine kleine oder größere Menge Psilocybin oder ein aktives
Placebo. Später bekommen die Patient:innen, die ein Placebo oder die
vermutlich unwirksame kleinere Dosis erhalten haben, in einer zweiten
Substanzsitzung auch die hohe Dosis. Nach sechs und zwölf Monaten werden
die langfristigen Effekte der Behandlung erfasst. Gründer ist nach zwei
Jahren Arbeit an dem Projekt optimistisch, die Ergebnisse scheinen positiv
auszufallen.
Für Gründer stellen Psychedelika einen Paradigmenwechsel in der
Psychotherapie dar. „Hinter einer klassischen Therapie mit Psychopharmaka
steckt die Konzeption, dass es sich um eine chronische Erkrankung handelt“,
erklärt Gründer. Und die behandle man eben auch mit einer chronischen
Therapie. Wie Antidepressiva, jeden Tag, für immer. Die Psychotherapie mit
Psychedelika verfolge eine gänzlich andere Herangehensweise: „Es handelt
sich um eine punktuelle, disruptive Therapie.“ Die Patient:innen
bekommen einige wenige Dosen der Substanz verabreicht.
Gründer hat selbst jahrzehntelang klassische Pharmakologie betrieben und
Antidepressiva verschrieben. Erst seit wenigen Jahren ist er Anhänger der
psychedelischen Psychotherapie. Nun plant er schon eine neue Studie mit
Psilocybin, die, wie er hofft, zu einer Zulassung als Behandlungsmittel
führen soll. In Deutschland wird das alles voraussichtlich noch Jahre
dauern, wenn es überhaupt passiert. Aber das ist nicht überall so.
[14][Gründer rechnet damit], dass die US-amerikanische Arzneimittelbehörde
MDMA für die Behandlung von PTBS im Jahr 2024 zulassen wird.
25 Sep 2023
## LINKS
[1] /Psychedelische-Substanzen-in-der-Medizin/!5851997
[2] /Mobilitaet-im-Jahr-2045/!5251236
[3] /Elon-Musk/!t5204700
[4] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/toedliche-therapie-gericht-verurteil…
[5] https://www.psychotherapeutenkammer-berlin.de/system/files/pm09_behandlung_…
[6] https://www.nature.com/articles/s41591-023-02565-4
[7] https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2795625
[8] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4286320/
[9] https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/2050324520974484
[10] /Psychedelische-Substanzen-in-der-Medizin/!5866862
[11] https://www.psychiatrist.com/jcp/depression/suicide/ketamine-for-suicidal-…
[12] https://www.cambridge.org/core/journals/psychological-medicine/article/rap…
[13] https://www.smh.com.au/politics/federal/it-s-going-to-be-for-people-with-m…
[14] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/besseres-therapieansprechen-mit-mdm…
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Lorenzo Gavarini
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