# taz.de -- Mobilität im Jahr 2045: Mit der LSD-Lampe in den Zeppelin | |
> Der Zukunftsforscher Stephan Rammler entwirft Szenarien für eine | |
> Mobilitätswende. Der VW-Skandal könnte dabei helfen, sagt er. | |
Bild: Ein modernes Luftschiff könnte mit Elektroantrieb oder Wasserstoff flieg… | |
Nach einem Monat unter der LSD-Lampe sah Stephan Rammler die Zukunft schon | |
klarer. Ein paar Wochen lang hatte er sich in ein kleines Zimmer gezogen, | |
Pink Floyd aufgelegt und die Augen geschlossen. Die Lucia N°03 hatte er | |
sich aus Österreich kommen lassen, zur Miete. Ein Flackerlicht, dessen | |
Farb- und Formspiele im Gehirn drogenähnliche Stoffe ausschütten sollen. | |
Stephan Rammler ist [1][Professor für Transportation Design] an der | |
Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und Zukunftsforscher. Lucia | |
N°03 sollte ihm helfen freier zu denken. | |
Nach vielen Stunden im Licht setzte er sich an seinen Schreibtisch und | |
schrieb ein Buch über darüber, wie wir in 30 Jahren von Ort zu Ort kommen: | |
[2][“S][3][chubumkehr – Die Zukunft der Mobilität“]. Es ist kein | |
wahrscheinliches Szenario. Aber ein mögliches. | |
Menschen bewegen sich mit einer Mischung aus öffentlichen und kollektiven | |
Verkehrsmitteln: Carsharing und smartphonebasiertes Trampen. Software sorgt | |
dafür, dass alle Fahrzeuge voll sind und man beim Umsteigen zwischen | |
Elektrotaxi und S-Bahn kein Ticket mehr ziehen muss, sondern alles | |
automatisch im Hintergrund verrechnet wird. | |
ür die kurzen Alltagswege in kompakt gebauten Städten reichen Fahrrad und | |
E-Skateboard, auf dem Land fahren Elektroautos mit Mitfahrservice Wer nach | |
New York will, nimmt das Schiff oder den Zeppelin. Mit W-Lan an Board kann | |
man auf der dreitägigen Reise im CO2-neutralen Luftschiff bequem arbeiten. | |
## „Ein Fukushima-Moment“ | |
Im Interview in der [4][taz.am wochenende vom 14./15. November] spricht | |
Rammler über seine Vision. Und den konkreten Weg dahin. „Wir können | |
Diesel-Gate für eine Mobilitätswende nutzen“, sagt Rammler. Merkel habe bei | |
der Energiewende die Chance von Fukushima genutzt, um den Ausstieg zu | |
schaffen. „Wir haben jetzt solch einen Fukushima-Moment. Merkel könnte | |
offen sagen: Der Umgang mit unserer Mobilität und die Abhängigkeit von | |
fossilen Energien weltweit ist ein großes Problem, wir müssen da ganz | |
schnell raus.“ | |
Weltweit hat Volkswagen nach bisheriger Kenntnis die Abgaswerte von bis zu | |
elf Millionen Dieselfahrzeugen manipuliert und bei 800.000 Autos, auch | |
Benzinern, zu niedrige Werte zum CO2-Ausstoß angegeben. | |
Stephan Rammler sieht aber nicht nur Konzern in der Verantwortung. „Ich bin | |
wütend auf eine Gesellschaft, die so derbe bigott ist, dass sie diese | |
Diesel-Gate-Geschichte auf diese Art und Weise diskutiert“, sagt er in der | |
taz.am wochende. „Was ist mit den Konsumenten, die alle wussten, dass das | |
kein Blütenstaub ist, der da hinten raus kommt? Und die weiterhin | |
Dieselautos kaufen. Was ist mit den Prüfbehörden, die alle Augen | |
zudrückten, was mit der Politik, die seit vielen Jahrzehnten | |
automobilfreundliche Politik macht und den immer drastischeren Widerspruch | |
zu den selbst formulierten Klimaschutzzielen nicht herstellt?“ | |
## Kaufprämie für E-Autos | |
Es ist eine Woche, die Stephan Rammler vielleicht Hoffnung machen kann. | |
Gerade wurde [5][bekannt], dass die Bundesregierung an konkreten Plänen | |
arbeitet, den Kauf von Elektroautos mit einer Kaufprämie von bis zu 5000 | |
Euro zu unterstützen. Auch die Umweltminister der Länder sprechen sich nun | |
für ein solches Anreizsystem aus. In Kalifornien, wo es entsprechende | |
Subventionen schon gibt, wurden 2014 mehr als 100.000 Elektrofahrzeuge | |
verkauft. In Deutschland sind momentan etwa 40.000 batteriebetriebene PKW | |
zugelassen. Nach Plänen der vorherigen schwarz-gelben Bundesregierung | |
sollten in Deutschland bis 2020 eine Million Elektroautos fahren. | |
Fossile Automobilität sei über 100 Jahre massiv gefördert, sagt Stephan | |
Rammler im Interview. „Da ist es doch wahnsinnig anzunehmen, die | |
Unternehmen können innerhalb von fünf Jahren eine Million Elektrofahrzeuge | |
auf den Markt bringen. Die Politik muss den Rahmen neu setzen.“ | |
Was meinen Sie? Welche Mitschuld trägt unser Geschwindigkeitswahn am | |
VW-Skandal? Könnten Sie sich vorstellen mit dem Luftschiff drei Tage nach | |
New York unterwegs zu sein? Oder müssen Sie gar nicht mehr nach New York, | |
weil man per Google Street View auch ganz gut CO2-arm verreisen kann? Was | |
ist Ihre Vision von der Mobilität der Zukunft? Und welche Schritte bringen | |
uns dahin? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Das ganze Interview mit Stephan Rammler lesen Sie in der [6][taz.am | |
wochenende vom 14./15. September 2015]. Dort erklärt er auch, warum man | |
weniger Autofahren indirekt als Bekämpfung von Fluchtursachen verstehen | |
kann. | |
13 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.hbk-bs.de/hochschule/personen/stephan-rammler/ | |
[2] http://www.fischerverlage.de/buch/schubumkehr-die_zukunft_der_mobilitaet/97… | |
[3] http://www.fischerverlage.de/buch/schubumkehr-die_zukunft_der_mobilitaet/97… | |
[4] /Ausgabe-vom-14/15-November-2015/!161344/ | |
[5] http://www.spiegel.de/auto/aktuell/elektromobilitaet-regierung-plant-kaufpr… | |
[6] /Ausgabe-vom-14/15-November-2015/!161344/ | |
## AUTOREN | |
Luise Strothmann | |
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