Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Terrorverdächtige in Moskau: Mit Folterspuren vor Gericht
> Russland bringt vier mutmaßliche Attentäter des Terroranschlags vor
> Gericht. Migranten aus Zentralasien fürchten mehr Drangsalierung im Land.
Bild: Polizisten schleppen einen der Verdächtigen in das Moskauer Gericht
KYJIW taz | Unter hohen Sicherheitsmaßnahmen sind vier mutmaßliche
Attentäter des Terroranschlags bei Moskau am Sonntagabend zum
Haftprüfungstermin vorgeführt worden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft
fand dieser im Basmanny-Gericht hinter verschlossenen Türen statt. Dabei
hätten sich zwei der vier Verdächtigen offenbar der Verübung [1][des
Terroranschlags] schuldig bekannt. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen
lebenslange Haft.
Die Männer waren zuvor offensichtlich schwer misshandelt worden.
Blutergüsse, Schwellungen und Wunden zeichneten ihre Gesichter. Einer von
ihnen war nicht mehr in der Lage zu laufen, musste in einem Krankenstuhl
ins Gericht gebracht werden. Auffällig war ein nur notdürftig angelegter
Verband bei dem Angeklagten Schamsidin Fariduni am rechten Ohr. Die meisten
der Verdächtigen konnten kaum Russisch sprechen, ihnen musste ein
Dolmetscher als Sprachmittler an die Seite gestellt werden.
Das russischsprachige Nachrichtenportal Nastojaschee Vremja zeigte ein Foto
von der Anhörung. Es stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, das mit
Strukturen der aufgelösten Privatarmee „Wagner“ in Verbindung gebracht
wird. Auf dem Bild ist eine am Boden liegende Person, offensichtlich
Schamsidin Fariduni, mit heruntergelassener Hose zu sehen. Weiter heißt es
in dem Beitrag, dass man an der Person den militärischen
Kommunikationsapparat TA-57 angeschlossen habe, ein Gerät zur
Elektrofolter. Offensichtlich, mutmaßt Nastojaschee Vremja, sind die Kabel
des Geräts mit den Genitalien des Verdächtigen verbunden.
Dieses Foto ist nicht der erste mögliche Beweis dafür, dass russische
Sicherheitskräfte bei der Vernehmung Verdächtige des Anschlages auf die
Crocus City Hall gefoltert haben. Derselbe Telegram-Kanal von Grey Zone, so
Nastojaschee Vremja, habe tags zuvor ein Video von der Festnahme des
30-jährigen Rajab Alizadeh im Wald veröffentlicht.
Es zeigt einen an den Händen gefesselten Mann, der am Boden liegt und von
Sicherheitskräften umgeben ist. Dem an der rechten Kopfseite blutenden
Festgenommenen fehlt das rechte Ohr. Das Video zeige, so Nastojaschee
Vremja, wie ein Angehöriger der Sicherheitskräfte versucht, diesem den
abgeschnittenen Teil des Ohrs in den Mund zu stecken, und dabei sagt: „Iss,
du Schlampe!“
## Scharfmacher Medwedjew
„Müssen sie getötet werden? Ja, absolut“, zitiert der Telegram-Kanal
Rusnews [2][Dmitri Medwedjew], den stellvertretenden Vorsitzenden des
russischen Sicherheitsrates, der die Todesstrafe für die Attentäter will.
Es sei wichtig, so Medwedjew, alle zu töten, die an diesem Anschlag
irgendwie beteiligt waren, sei es finanziell, durch Sympathie oder auch
mittels konkreter Hilfe.
„Tötet sie alle“, so der ehemalige russische Präsident. Im Kreml diskutie…
man nicht über eine Wiedereinführung der Todesstrafe, hatte zuvor
allerdings Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärt. Und der Vorsitzende des
Duma-Ausschusses für die Staatsverwaltung, Pawel Krascheninnikow, warnte,
dass eine Debatte über die Todesstrafe „uns in die falsche Richtung führen
könnte“.
Angesichts neuer Bombenalarme bleibt die Stimmung in russischen Städten
sehr angespannt. In Moskau wurden wegen Bombendrohungen mehrere hundert
Menschen aus dem medizinisch-chirurgischen Pirogow-Zentrum und den
Einkaufszentren „City“ und „Mosaik“ evakuiert. Auch in St. Petersburg, …
Region Swerdlowsk und in Ufa wurden Einkaufszentren und Lehranstalten
wegen Bombendrohungen evakuiert, berichtet der oppositionelle russische
Telegram-Kanal Rusnews.
Blumenmeere, Stofftiere, Beileidsschreiben an spontanen Gedenkorten und
flackernde Kerzen prägen das Bild der russischen Städte an den Tagen nach
dem Massaker vom Freitag in der Crocus City Hall. Auch in Belarus
entstanden spontane Gedenkstätten. Tausende pilgern zum Veranstaltungsort
Crocus City Hall in Krasnogorsk, um der mindestens 137 Toten vom Freitag zu
gedenken.
Als Zeichen der Solidarität mit den Opfern des Terroranschlags wurden die
Flaggen der Botschaften verschiedener Länder in der Russischen Föderation,
darunter Bulgarien, Großbritannien, Ungarn, Deutschland, China, den
Niederlanden, den USA, der Slowakei, Frankreich und Schweden auf halbmast
gesetzt.
## Raketenangriff auf Kyjiw
Es zeichnet sich ab, dass Russland nach dem Anschlag noch eine Spur
autoritärer werden könnte. Insbesondere Migranten aus Zentralasien fürchten
vor dem Hintergrund, dass die mutmaßlichen Attentäter alle aus Zentralasien
stammen, eine noch stringentere Praxis. In Jekaterinburg sollen Vermieter
unter Androhung von Geldbußen aufgefordert worden sein, Listen von
Mitarbeitern aus Zentralasien zur Verfügung zu stellen.
Und der Abgeordnete der Staatsduma, Michajlo Scheremet, fordert eine
Zuzugsbegrenzung für Zentralasiaten für die Dauer der „Spezialoperation“
aus Gründen der „inneren Sicherheit“. [3][Der regierungsnahe Telegram-Kanal
Baza will erfahren haben], dass die tadschikische Community in Russland
ihre Angehörigen auffordert, abends ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen.
Und das Außenministerium von Kirgistan rät seinen Bürgern von Reisen nach
Russland ab.
Auch die Ukraine könnte Opfer der neuen Situation werden. Da die Täter nach
Auffassung von Wladimir Putin in die Ukraine flüchten wollten, ist die
Ukraine nach seiner Logik in den Terroranschlag verwickelt. Bei einem
Raketenangriff auf die ukrainische Hauptstadt wurden am Montag sieben
Menschen verletzt, zwei von ihnen müssen stationär behandelt werden.
Ebenfalls am Montag wurden bei einem ukrainischen Angriff auf Sewastopol
ein Mann getötet und vier weitere Personen verletzt.
25 Mar 2024
## LINKS
[1] /Terror-in-Konzerthalle/!5997538
[2] /Dmitri-Medwedew-hetzt-gegen-die-Ukraine/!5924908
[3] https://t.me/bazabazon/26359
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Russland
Moskau
Terror
„Islamischer Staat“ (IS)
Folter
GNS
Terroranschlag
Anschlag
Russland
Russland
Zentralasien
Schwerpunkt Islamistischer Terror
taz Plan
Russland
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Russland
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Anschlag bei Moskau: Die Spur zum „Islamischen Staat“
Der Kreml spricht weiter von ukrainischer Verstrickung, obwohl sich der IS
direkt nach dem Anschlag bekannt hat. Was sagen Dschihadismus-Expert:innen?
Gewalt gegen Menschen aus Zentralasien: Kein Schutz in Russland
Nach dem Terroranschlag in Moskau werden Menschen aus Zentralasien
verstärkt attackiert und diskriminiert. Etliche arbeiten seit Jahren in
Russland.
Rassismus in Russland: Migrant*innen in Todesangst
Menschen aus Zentralasien werden seit dem Anschlag vom Freitag mit 139
Toten immer häufiger Opfer von Festnahmen, Übergriffen und Schikanen.
Folter Terrorverdächtiger in Russland: Moskaus fatale Hetze
Mit der unverhüllten Folter erteilte Russland einen Freifahrtschein zur
Gewalt. Nun richtet sich der Zorn gegen Tadschik*innen und
Kirgis*innen.
Bewegungstermine in Berlin: Wider die Entmenschlichung
Die Welt verroht, die Gesellschaft militarisiert sich. Und die Linke?
Zerfleischt sich selbst. Üble Zeiten, aber es gibt auch Hoffnungsschimmer.
Terroranschlag in Russland: Putin gibt Islamisten Schuld
Der russische Präsident nennt radikale Islamisten als Täter. Das Narrativ
von einer ukrainischen Spur gibt Putin aber weiterhin nicht auf.
Terrorwarnung in Frankreich: Mehr Kontrollen und Polizeipräsenz
Nach dem Anschlag in Moskau ruft Frankreich die höchste Terrorwarnstufe
aus. Schon vorher seien IS-Anschläge vereitelt worden.
Terror in Konzerthalle: Schuld und Sühne
Nach dem Anschlag bei Moskau versucht der Kreml, Spuren in die Ukraine zu
legen. Diskutiert wird auch eine Wiedereinführung der Todesstrafe.
Nach Anschlag bei Moskau: Ein Land im Dunkeln
Blumenberge und stillgelegte Innenstädte: Russland befindet sich nach dem
Terroranschlag in Schockstarre. Szenen der Trauer aus St. Petersburg.
Anschlag in Moskau: Wer ist der ISKP?
Zu dem Anschlag in Moskau hat sich der Islamische Staat Khorasan Provinz
mittlerweile selbst bekannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.