| # taz.de -- Rassismus in Russland: Migrant*innen in Todesangst | |
| > Menschen aus Zentralasien werden seit dem Anschlag vom Freitag mit 139 | |
| > Toten immer häufiger Opfer von Festnahmen, Übergriffen und Schikanen. | |
| Bild: Priester an einer Gedenkstätte in Moskau. Auch die orthodoxe Kirche bete… | |
| Berlin taz | Unter Migrant*innen aus Tadschikistan, aber auch | |
| [1][Usbekistan] und Kirgistan in Russland geht dieser Tage die Angst um – | |
| aus gutem Grund. Seit dem [2][Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus | |
| City Hall im Moskauer Vorort Krasnogorsk] vom vergangenen Freitag, bei dem | |
| vier mutmaßliche Attentäter tadschikischer Herkunft 139 Menschen getötet | |
| hatten, werden sie immer häufiger Opfer von willkürlichen Festnahmen, | |
| tätlichen Übergriffen, Razzien, Bedrohungen und Schikanen. | |
| Laut dem Telegram-Kanal Baza seien am Wochenende in den Abteilungen der | |
| Organe für innere Angelegenheiten spezielle Gruppen lokaler Inspektoren und | |
| Kriminalbeamter gebildet worden, um ausländische Staatsbürger*innen in | |
| Wohnheimen, am Arbeitsplatz und auf der Straße zu überprüfen. | |
| Das russischsprachige Nachrichtenportal Meduza zitiert unter Berufung auf | |
| Radio Ozodi (Dienst von Radio Freies Europa) einen Tadschiken, dessen Sohn | |
| sowie zwei seiner Brüder in Moskau festgenommen worden seien. „Sie | |
| renovierten gerade eine Wohnung. Mein Sohn ist der einzige Ernährer der | |
| Familie. Wohin sie sie gebracht haben und was mit ihnen passiert ist, | |
| wissen wir nicht“, so der Mann. | |
| Doch nicht nur Polizei und Sicherheitsdienste machen vermehrt Jagd auf | |
| Migrant*innen aus Zentralasien. Auch die Bevölkerung lässt ihre Wut an | |
| ihnen aus. In den sozialen Netzwerken kursieren Forderungen, Menschen aus | |
| Zentralasien in Massen zu deportieren oder sogar umzubringen. Und bei | |
| Worten bleibt es nicht. So wurden Tadschik*innen angegriffen, von | |
| Vermietern aus ihren Wohnungen geworfen oder Taxifahrten wieder storniert, | |
| wenn sich herausstellte, dass der Fahrer Tadschike ist. | |
| ## Einbruch ins Wohnheim | |
| Die Menschenrechtsaktivistin Valentina Tschupik, die in Russland arbeitende | |
| Migrant*innen kostenlos berät, sagte dem Webportal Mediazona. Central | |
| Asia, dass sie in den ersten zwei Tagen nach dem Anschlag mehr als 2.500 | |
| Anrufe von Ausländer*innen in Russland erhalten habe. | |
| Bei mehr als der Hälfte sei es um Polizeirazzien und illegale Festnahmen | |
| gegangen. Die Anrufer*innen hätten gesagt, sie seien „zu einem | |
| Gespräch“ mit Vertretern des FSB abgeführt worden. Zudem breche die Polizei | |
| in Wohnheime ein, in denen Migrant*innen lebten. | |
| Führende Vertreter der tadschikischen Diaspora in Moskau haben jetzt ihre | |
| Landsleute aufgefordert, abends nicht mehr auf die Straße zu gehen und | |
| Massenveranstaltungen zu meiden. Kirgistans Außenministerium sprach die | |
| Empfehlung aus, auf Reisen nach Russland zu verzichten. Kirgis*innen, | |
| die sich bereits in Russland aufhielten, sollten ständig ihre Dokumente bei | |
| sich haben. | |
| Offiziellen russischen Angaben zufolge leben derzeit rund 1,3 Millionen | |
| Tadschik*innen in Russland, die tatsächliche Zahl dürfte weitaus höher | |
| sein. Für eine Einreise nach Russland benötigen sie kein Visum, daher | |
| heuern viel von ihnen für saisonale Jobs in Russland an. Zudem hat eine | |
| wachsende Anzahl mittlerweile die russische Staatsbürgerschaft. | |
| ## Migrant*innen als Gefahr | |
| Sie, wie auch andere Menschen aus Zentralasien, haben seit jeher unter | |
| Schikanen und Verunglimpfungen zu leiden. An der rassistischen Hetze | |
| beteiligen sich nicht nur Politiker*innen, sondern auch die | |
| Russisch-Orthodoxe Kirche. So sagte der [3][Moskauer Patriarch Kirill] | |
| unlängst, Migrant*innen, vor allem aus Zentralasien, seien gefährlich. Sie | |
| gehörten einer anderen Religion an und würden die zivilisatorische Einheit | |
| der Russ*innen untergraben. | |
| Doch es gibt immer noch auch mahnende Stimmen. Der Abgeordnete der | |
| Staatsduma, Konstantin Zatulin, sagte, dass diejenigen, die nach dem | |
| Terroranschlag zu Pogromen und Lynchmorden aufriefen, zur Verantwortung | |
| gezogen werden sollten, da sie „eine Destabilisierung innerhalb des Landes | |
| provozieren“. Der Kampf gegen Migrant*innen in dieser Form werde sich | |
| „unweigerlich verschärfen“. | |
| 27 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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