# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Wider die Entmenschlichung | |
> Die Welt verroht, die Gesellschaft militarisiert sich. Und die Linke? | |
> Zerfleischt sich selbst. Üble Zeiten, aber es gibt auch | |
> Hoffnungsschimmer. | |
Bild: Fürs Vaterland zu sterben war historisch meist eine Scheißidee | |
Es ist ein Symbolbild für den Zustand der Welt, wie Putin die mutmaßlichen | |
Attentäter des Moskauer Terroranschlags am Sonntag vor Gericht | |
präsentierte: Vollkommen derangiert, misshandelt, entmenschlicht. Einer | |
konnte nicht mehr laufen, dem anderen fehlte ein Ohr. Es soll Videos davon | |
geben, wie Folterknechte den Angeklagten sein eigenes abgeschnittenes Ohr | |
in den Mund stecken, damit er es isst. Auch Videos sexualisierter Folter | |
soll es geben. | |
Es ist nicht neu, dass Staaten foltern. George W. Bush hatte seinerzeit | |
[1][breitmütig zugegeben], Waterboarding zu betreiben. Olaf „Brechmittel“ | |
Scholz hat da ebenfalls [2][Leichen im Keller]. Neu ist, dass das | |
Putin-Regime dies als PR-Coup tut, sich mit der Gewalt brüstet, sie als | |
Propaganda einsetzt. Die Nachricht: Russland weiß im Gegensatz zum | |
verweichlichten Westen, wie man mit Terroristen umzugehen hat, und es | |
schämt sich nicht. Das Rezept, das Putin gegen die menschenverachtende und | |
blinde Gewalt des islamistischen Terrorismus präsentiert, es ist die | |
Zelebrierung vom Ende der Menschenrechte. | |
Doch Entmenschlichung wird nicht nur in Russland normalisiert. Israels | |
Regierung hungert, ausgestattet auch mit deutschen Waffen, die Bevölkerung | |
des Gazastreifens aus. Zwei Millionen Menschen wurden vertrieben, | |
Krankenhäuser, Schulen, Moscheen, Universitäten, Bibliotheken zerbombt. Und | |
Deutschland? Hält seine Linie der bedingungslosen Unterstützung aufrecht – | |
und spielt sich gleichzeitig mit ein paar Luftpaketen als humanitärer | |
Retter auf. Eine zynische Inszenierung, bei der man sich fragt, wer sie | |
diesem Land noch abnehmen soll. | |
Traditionell ist um Ostern die Zeit der Friedensmärsche, die sich auch | |
gegen solche Heuchelei stellen. Nur leider sind auch Teile der politischen | |
Linken selbst der autoritären Versuchung zum Opfer gefallen. Viele jubeln | |
vom sicheren Seitenrand des heimischen Schreibtisches einer Seite auf den | |
Schlachtfeldern der Welt zu. Linkskonservative preisen Putin, | |
kommunistische Anti-Imps die Huthi-Rebellen oder gleich die Hamas – und | |
Anti-Ds und die „Free the Leopards“-Grünen feiern die israelische Armee, | |
während diese eine Stadt nach der anderem den Erdboden gleichmacht. | |
## Gegen die Kriegslogik der Herrschaft | |
Einige Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Anarchistische Kreise erweisen | |
sich etwa wegen ihrer ausgeprägten Herrschaftsallgergie als einigermaßen | |
widerstandsfähig gegen die Versuchung, in einer autoritären Welt selbst in | |
autoritäre Denkmuster zu verfallen. Vielleicht liegt hierin der Schlüssel, | |
in unmenschlichen Zeiten nicht die eigene Menschlichkeit zu verlieren: Sich | |
dagegen zu wehren, in der Logik der Herrschaft zu denken. | |
Am Donnerstag (28. 3., 19 Uhr) findet in [3][der anarchistischen Bibliothek | |
Kalabal!k] (Reichenbergerstr. 63a) eine Diskussion über die Broschüre | |
„Gegen jeden Krieg! Antipatriarchal & Antimilitaristisch das patriarchale | |
Kommando entmachten! Herrschaft zersetzen & entwaffnen!“ statt, die in | |
Berlin etwa in der [4][Buchhandlung Schwarze Risse] erhältlich ist. | |
Diskutiert werden soll auf Basis der Broschüre (die vorher zu lesen | |
sinnvoll, aber keine Voraussetzung ist), wie es gelingen kann, sich in | |
Kriegszeiten eben nicht auf eine Seite der Herrschenden zu schlagen. | |
Wie Krieg und Militarismus untrennbar mit den vielschichten Formen der | |
Gewalt im patriarchalen Kapitalismus verwoben sind, darum dreht sich ein | |
Vortrag der [5][Feministischen Antifaschistischen Jugendorganisation | |
Charlottenburg (F_AJOC)]. Der Vortrag wird auf dem Offenen Antifa Tresen | |
der [6][Antifa Potsdam] gehalten. Los geht es ab 19 Uhr im [7][black fleck] | |
(Mittwoch, 27. 3., Zeppelinstraße 26). | |
## Ostermarsch und Gegenproteste | |
Der traditionelle Ostermarsch der Friedenskoordination Berlin (Friko) | |
startet am Samstag um 13 Uhr an der Karl-Marx-Allee 131a unter dem Motto | |
[8][„Kriegstüchtig – Nie wieder!“]. Vergangenes Jahr kam es auf dem Mars… | |
teils zum Schulterschluss mit der Querdenken-Bewegung, zwischen vielen | |
Friedensbewegten wurden auch pro-russische Positionen vertreten. | |
Für einige Grund genug, einen Gegenprotest zu veranstalten, der sich am | |
gleichen Ort versammeln wird. Bereits am Freitag findet [9][eine | |
Infoveransaltung] unter anderem der Antiverschwurbelten Aktion zu den | |
Gegenprotesten statt (29. 3., Mieterladen, Kreutzigerstraße 23, 18 Uhr). | |
Einen alternativen Ostermarsch veranstaltet die [10][ukrainesolidarische | |
NGO Vitsche Berlin]. Das Motto hier: „Frieden muss verteidigt werden“ – w… | |
es die ukrainische Armee tut. Im Aufruf heißt es, „nur der Sieg der Ukraine | |
wird wahren Frieden in Europa bedeuten“. | |
## Nie wieder Faschismus! | |
Klar ist, dass jede vernünftige Friedensbewegung antifaschistisch sein | |
muss. Der Kampf gegen Krieg und Autoritarismus ist deshalb facettenreich, | |
er richtet sich gegen die Gesamtheit der Zustände, die Faschismus und | |
Nationalismus befeuern. Welche Aufgaben und Chancen für Berliner Antifas im | |
Superwahljahr 2024 im Brandenburger Hinterland bestehen, darüber [11][will | |
die Antifa Friedrichshain diskutieren]. Nach einem Input, welche Strukturen | |
vor Ort supportet werden können, gibt es eine Diskussion – und leckere | |
Cocktails (Freitag, 29. 3., ZGK, Scharnweberstr. 38, 19 Uhr). | |
Ein erster Termin, diese Unterstützung konkret werden zu lassen, findet | |
bereits am Samstag statt. Da will das rechtsextreme Compact-Magazin im Zuge | |
der Kampagne „Blaue Welle“ am Bahnhof in Velten demonstrieren. Um 15 Uhr | |
beginnt eine Demonstration des örtlichen [12][Bündnisses für Dialog und | |
Toleranz] unter dem Motto „Gesicht zeigen“, ab 17 Uhr beginnt eine | |
[13][Antifa-Kundgebung] am Bahnhofsvorplatz. | |
Es gibt auch entspannte Möglichkeiten, die gerechte Sache zu unterstützen. | |
Um die Repressionskosten in den Budapest-Verfahren zu stemmen, findet im | |
ZGK (30. 3., Scharnweberstr. 38, 20 Uhr) eine [14][Soli-Party mit Vortrag] | |
statt. Im Supamolly findet eine [15][queere Soligala für russische | |
Deserteure] statt (30. 3., Jessnerstr. 41, 20:30 Uhr). Wer am Sonntag (31. | |
3.) dann noch Energie hat, darf um 10:15 Uhr zum Hauptbahnhof (Gleis 4) | |
kommen, von wo aus es [16][gemeinsam zu den Protesten] gegen den | |
Brandenburger AfD-Landesparteitag in Jüterbog geht. | |
26 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Ex-Praesident-rechtfertigt-Waterboarding/!5132523 | |
[2] /Hamburger-Folteropfer-Achidi-John/!5797300 | |
[3] https://kalabalik.blackblogs.org/ | |
[4] https://schwarzerisse.de/kontakt/ | |
[5] https://fantifacharlottenburg.blackblogs.org/ueber-uns/ | |
[6] https://www.instagram.com/p/C4nxnp0M__Z/ | |
[7] https://www.stadtmagazin-events.de/locations/black-fleck/ | |
[8] https://www.friedenskooperative.de/termine/ostermarsch-2024-in-berlin | |
[9] https://stressfaktor.squat.net/node/304343 | |
[10] https://vitsche.org/ | |
[11] https://stressfaktor.squat.net/node/304068 | |
[12] https://www.instagram.com/buendnis_dialog_und_toleranz/ | |
[13] https://www.instagram.com/p/C4vcFQKNktD/ | |
[14] https://stressfaktor.squat.net/node/304218 | |
[15] https://stressfaktor.squat.net/node/304153 | |
[16] https://stressfaktor.squat.net/node/304477 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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