# taz.de -- Rechstextreme und das Justizsystem: „Ein Schlag ins Gesicht“ | |
> Trotz Protest der Stadt durften Rechtsextreme ein Event im Schweriner | |
> Rathaus abhalten, entschied die Justiz. Sie untergräbt ihre | |
> Glaubwürdigkeit. | |
Bild: Doch Zutritt für Rechtsextreme: die „Herzkammer der Demokratie“, das… | |
Rechtsextreme Personen machen rechtsextreme Sachen. Doch müssen diese | |
Staatsfeinde ihre Veranstaltungen ausgerechnet in staatlichen | |
Räumlichkeiten ausrichten? In Schwerin befand die Dritte Kammer des | |
Verwaltungsgerichts kürzlich, dass die Junge Alternative (JA) im Rathaus | |
der mecklenburg-vorpommerischen Landeshauptstadt den Demmlersaal für eine | |
Veranstaltung nutzen darf. | |
Auch der [1][Rechtsextremist und Verleger Götz Kubitschek] durfte | |
vergangenen Samstag auftreten. Die Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft | |
hatten erfolglos versucht, das zu verhindern. Eine wehrhafte Demokratie | |
scheint in diesem Konflikt nicht wehrhaft gewesen zu sein. | |
Am Samstagabend demonstrierten über 100 Menschen gegen die Veranstaltung | |
vor dem Rathaus. Eine Blockade am Eingang verärgerte die JA, sodass sie | |
selbst räumen wollten. Nicht einmal die offiziellen | |
Blockade-Räumungsarbeiten der Polizei wartete sie ab. Daniel Fiß, einst | |
stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsextremen Identitären | |
Bewegung, ging sechs Blockierende an, Kubitschek drängte sich durch, | |
berichten Beobachter*innen von vor Ort. Schon die Aktion offenbart, | |
dass in den Kreisen Ansagen der Staatsmacht wenig geachtet werden. | |
Die Stadt wollte der JA die anfänglich zugesprochene Raumnutzung wieder | |
absprechen. Die JA, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als | |
rechtsextrem einstuft, habe bei der Anmietung nicht angegeben, dass | |
Kubitschek der Referent ist. | |
## Ein wichtiges Signal | |
Das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS), dessen Mitgründer | |
Kubitschek ist, hat das Bundesamt ebenso als rechtsextrem eingestuft. Die | |
AfD-Jugend hätte unter Vortäuschung falscher Tatsachen eine Genehmigung | |
erhalten, so die Stadt. Der Auftritt von Kubitschek sei mit der Würde des | |
Hauses nicht vereinbar. | |
Das ist ein wichtiges Signal. Personen, die sich selbst in die | |
antidemokratische Tradition der Konservativen Revolution stellen – ein | |
Herrenkreis der 20er Jahre mit tiefem Hass auf Liberalität, | |
Parlamentarismus und Demokratie –, sollten nicht unnötig demokratische | |
Räume geöffnet werden. Weder bei örtlichen Räumen noch im diskursiven Raum. | |
Selbst aus der CDU kamen klare Worte für eine Brandmauer. Die bleiben sonst | |
bei den Ost-Verbänden oft aus. Schwerins Stadtpräsident Sebastian Ehlers | |
(CDU) führte beim NDR aus, dass der Demmlersaal, in dem die Stadtvertretung | |
tage, die Herzkammer der Demokratie der Landeshauptstadt sei und kein Ort | |
für Rechtsextremisten. | |
Das Verwaltungsgericht würdigte diese Bedenken allerdings nicht. Die JA | |
hatte das Gericht angerufen und darauf hingewiesen, dass sie bereits in der | |
Vergangenheit im Demmlersaal Vorträge veranstaltet habe. | |
Die dritte Kammer erklärte, dass der Saal „faktisch“ eine öffentliche | |
Einrichtung sei, er werde von der Stadt auch für politische Vortrags- und | |
Schulungsveranstaltungen vergeben. Auf diese Vergabe könne sich die JA | |
berufen – auch aus Gründen des im Grundgesetz verankerten | |
Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dass das Bundesamt beide Strukturen als | |
rechtsextreme bewertete, scheint irrelevant. Der Zugriff der Zuständigen | |
wird so nicht greifen. | |
Die Forderung bei den [2][unzähligen Demonstrationen mit über 4 Millionen | |
Teilnehmenden], endlich stärker im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit gegen die | |
rechtsextremen Staatsfeinde vorzugehen, verpuffen so. | |
Die Gerichte sind unabhängig. Ein hohes Rechtsgut, das es zu verteidigen | |
gilt – eben auch gegen die AfD. Diese Rechtsextremen wollen aber nicht bloß | |
spielen oder provozieren, sie wollen mächtiger werden, um handeln und | |
verändern zu können. [3][Gerichte sollten so auch wahr- und ernst nehmen], | |
was diese Kreise sagen und schreiben. | |
## Worte sollten Taten folgen | |
Und ein Kubitschek wird deutlich. In der Standardschrift der Szene, | |
„Provokation“, führt er aus: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am | |
Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern | |
eine andere Sprache.“ Das Ende des Konsenses impliziert das Ende einer | |
Demokratie, in der um den Konsens gestritten wird. Die andere Sprache, die | |
angestrebt wird, bedeutet, dass sie den Ton angeben wollen. | |
Und er wird noch deutlicher: „Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf | |
eine Beteiligung an einer Debatte? (…) Nein, diese Mittel sind | |
aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort | |
überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“ Solchen Worten folgten | |
schon Taten. Es ist dringend notwendig, dass alle Zuständigen den Worten | |
Konsequenzen folgen lassen. Dann könnte der Zugriff gelingen. | |
17 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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