| # taz.de -- Buch über Körperbehaarung: Vom Wachsen und Waxen | |
| > Glatte Achseln oder Stoppeln? Das entscheiden wir nicht frei, so | |
| > Franziska Setare Koohestani in „Hairy Queen. Warum Körperbehaarung | |
| > politisch ist“. | |
| Bild: Autorin Franziska Setare Koohestani: Verurteile niemanden fürs Entfernen… | |
| Berlin taz | Es war 2011, der rosa-cremefarbene Gillette-Rasierer und ich | |
| wollten beim Volleyball in der Schule mit glatten Achseln überzeugen. Den | |
| Rasierer tauschte ich vor ein paar Jahren gegen eine „ökologischere“ | |
| Alternative aus, Schulsport gehört zum Glück auch der Vergangenheit an, | |
| doch meine glatten Achseln sind geblieben. Warum? Ich bilde mir ein, dass | |
| es hygenischer ist. | |
| Mit meinem regelmäßigem Griff zum Rasierer bin ich nicht allein. Laut einer | |
| Studie aus dem Jahr 2019 rasieren sich 41 Prozent der Männer und 69 Prozent | |
| der Frauen, [1][vor allem die jungen]. Aber müssten wir nicht längst | |
| aufhören, immer wieder Zeit Geld und Schmerzen für Haarentfernung opfern? | |
| Doch so einfach funktioniert es nicht, denn hinter der Entscheidung, wie, | |
| wo und wann Haare wachsen oder entfernt werden, steckt mehr. So schreibt | |
| Franziska Setare Koohestani in „Hairy Queen. Warum Körperbehaarung | |
| politisch ist“: „Über meinen Körper und seine Gestaltung entscheide in | |
| letzter Instanz vielleicht ich. Aber zu dieser Entscheidung komme ich ganz | |
| sicher nicht allein.“ | |
| Welche wissenschaftlichen, philosophischen und gesellschaftlichen Aspekte | |
| [2][beim Thema Körperbehaarung] alles eine Rolle spielen, beleuchtet sie | |
| auf 250 Seiten und verbindet sie mit Anekdoten als Women of Colour mit | |
| starker Körperbehaarung, die sie lange gehasst hat. Sie erzählt von ersten | |
| Bleichversuchen ihrer Oberlippenbehaarung, schmerzhaften Epilierereinsätzen | |
| und Hänseleien als stärker behaartes Kind. Heute lacht sie über ihr | |
| früheres Ich. Doch ohne ihre Entscheidungen von früher abzuwerten, versucht | |
| sie nun anders damit umzugehen. Die 28-Jährige bezeichnet sich | |
| selbstbestimmt als „Hairy Queen“. | |
| ## Der kapitalistische Blick auf den Körper | |
| Das Buch dröselt auf, wie die Aufklärung den Menschen die Verantwortung für | |
| den eigenen Körper zusprach und somit den Blick für die äußeren | |
| Verfehlungen, etwa zu haarige Beine, schärfte. „Wir beobachten, urteilen, | |
| strafen einander, wenn jemand von Normen abweicht. Sogar uns selbst. | |
| Insbesondere uns selbst.“ | |
| Koohestani zeigt die Mechanismen des kapitalistischen Blicks auf unsere | |
| Körper auf, die uns immer weiter in die Selbstoptimierung treiben, und | |
| erklärt, wie Werbung mit Slogans wie „Ich steh mit beiden Beinen im Leben, | |
| deshalb kann ich kein Stoppelfell gebrauchen“ uns zur Haarlosigkeit drängt. | |
| Wer mit den Grundlagen von rassistischer, sexistischer und kapitalistischer | |
| Kritik nicht so vertraut ist, fühlt sich von den langen theoretischen | |
| Passagen des Buches vielleicht überfordert. Gleichzeitig wird der Text | |
| immer dann besonders interessant, wenn Koohestani über den eigenen | |
| Tellerrand schaut. | |
| Wenn sie schaut, wie unterschiedlich die Bedeutung eines Barts sein kann. | |
| Der syrische Autor Hamed Abboud beispielsweise stutzt sich vor jeder Reise | |
| und Amtsbesuchen den Bart, um nicht diskriminiert zu werden. Für Linus | |
| Giese, ein weißer trans Mann, bedeutet der Bart hingegen Sicherheit, da er | |
| dadurch eher als cis Mann wahrgenommen wird. | |
| ## Verurteile niemanden! | |
| Die Reise durch die Geschichte der Behaarung kommt am Ende zu einem | |
| einfachen, aber wichtigen Schluss. [3][Ähnlich wie in Mosthari Hilals | |
| „Hässlichkeit“] geht es nicht darum, die eigenen Körperhaare lieben zu | |
| lernen. Die Autorinnen wollen keine Aktivistinnen der Selbstliebe sein, | |
| sondern ihren eigenen Weg bis zu einer möglichen Akzeptanz des | |
| Ist-Zustandes dokumentieren. | |
| Sich persönlichen und strukturellen Zwängen zu entziehen und seine Haare | |
| sprießen zu lassen, ist okay. Aber es gibt „ebenso tiefgründige, | |
| nachvollziehbare Gründe dafür, warum Menschen sie gestalten, trimmen, | |
| bleichen oder entfernen“. | |
| Daher gibt Koohestani ihren Leser*innen klare Handlungsempfehlungen mit | |
| auf den Weg. Verurteile niemanden für das Fehlen oder das Existieren von | |
| Oberlippenbart, Beinhaaren oder Monobraue. Und für die Leute, die von | |
| „Hairy Queen“ zur „Hairy Icon“ aufsteigen wollen, gibt’s folgenden Ti… | |
| „Ich möchte für mehr strassbesetzte Monobrauen plädieren, für ornamental | |
| gegelte Arm- oder Brustbehaarung, für lila gefärbte Achselhaare oder | |
| Rasurmusterungen – egal wo am Körper, egal ob langfristig oder einmalig. | |
| Ich plädiere fürs Ausprobieren, für Variation, für Ausdruck.“ | |
| Um auch mir den Weg zur „Hairy Icon“ zu öffnen: Achselhaare sind gar nicht | |
| so unhygenisch, wie ich dachte, erklärt Koohestani. Vielleicht verabschiede | |
| ich mich bald von meinem Rasierer. Und wenn nicht, ist das auch okay. | |
| 7 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anastasia Zejneli | |
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