# taz.de -- Diskriminierung in Frankreich: Haarige Angelegenheiten | |
> Eine Gesetzesinitiative verbietet die Diskriminierung von Menschen wegen | |
> ihrer Frisuren oder Haarschnitte. Beispiele gibt es – häufig am | |
> Arbeitsplatz. | |
Bild: Perfekt gestylt zur Arbeit mit rotem Rasta | |
Paris taz | In einigen Kommentaren wird wohl spöttisch von „Haarspalterei“ | |
oder einer „an den Haaren herbei gezogenen“ Debatte die Rede sein. Doch | |
[1][Diskriminierungen wegen einer Frisur und Haarfarbe sowie eines | |
bestimmten Haarschnitts] sind ein ernsthaftes Thema, das in Frankreich | |
sogar das Parlament beschäftigt. In erster Lesung hat die französische | |
Nationalversammlung am Donnerstag ein Gesetz verabschiedet, das die | |
Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Frisur unter Strafe stellt. | |
Initiator der Debatte und des Antrags war der Abgeordnete Olivier Serva aus | |
dem Antillen-Departement Guadeloupe. Er erwähnt „haarige“ Benachteiligungen | |
am Arbeitsplatz – wegen krauser Haare, Dreadlocks oder „Afro-Look“, von | |
denen vor allem Schwarze betroffen sind. Auch Rothaarige oder Menschen mit | |
Glatzen würden manchmal schief angesehen. | |
Namentlich Frauen mit Locken werde immer wieder angeraten, ihre Haare zu | |
glätten, um so im Kundenkontakt einem anscheinend beruflich wünschenswerten | |
Bild zu entsprechen. Das jedoch sei auch aus gesundheitlichen Gründen sehr | |
gefährlich. Denn Frauen, die diese chemischen Produkte zur Haarglättung | |
verwendeten, hätten neben anderen möglichen Nebenwirkungen ein dreifach | |
erhöhtes Gebärmutterkrebsrisiko. | |
Zum Ausmaß dieser Diskriminierung gibt es in Frankreich bislang noch keine | |
Statistik. Die Ombudsfrau für Bürgerrechte, Claire Hédon, schätzt den | |
Anteil der Klagen aufgrund von Konflikten wegen Haaren auf etwa 2 Prozent | |
aller Eingaben, die sie erhält. Doch konkrete Beispiele existieren. | |
## Erfahrungen an der Rezeption | |
Gegenüber der öffentlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt FranceInfo steuert | |
Kenza Bel Kendil ihre eigene Erfahrung als Beleg dafür bei: „Ich habe | |
krause Haare, die ich manchmal oben zusammenbinde und darunter offen trage. | |
Ich arbeitete am Empfang eines Hotels in Nîmes, als mir der Direktor | |
erklärte: 'Entweder du gehst nach Hause und änderst deine Frisur, oder du | |
kommst nicht mehr zur Arbeit.“ | |
In einem anderen Fall wurden die Eltern eines erst vierjährigen Schulkinds | |
von der Schulleitung informiert, der „Afro-Look“ ihres Knaben wirke | |
„schmutzig und vernachlässigt“. Der Abgeordnete Serva weiß aber auch von | |
einer Umfrage in Großbritannien, in der eine von drei blonden Frauen sagte, | |
sie müsse ihre Haare färben oder tönen, wenn sie beruflich weiterkommen | |
wolle. | |
Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten wegen der Farbe oder Länge der Haare, | |
respektive der Art, diese zu tragen, belästigen, sollen nun – wie bereits | |
im Falle von Diskriminierungen wegen Herkunft, Religion, Geschlecht, | |
sexueller Orientierung oder Alter ausdrücklich Strafen zu gewärtigen haben. | |
Die Ministerin für Geschlechtergleichheit, Aurore Bergé, wies in der | |
Debatte darauf hin, dass die existierende Gesetzgebung bereits breit genug | |
formuliert sei, um auch Benachteiligungen oder Beleidigungen wegen Frisuren | |
zu erfassen. Sie erachte es jedoch als positiv, dass mit der Debatte über | |
die Vorlage, die mit 42 zu 2 Stimmen angenommen und zur Debatte an den | |
Senat weitergeleitet wurde, diese spezielle Form von Diskriminierung in den | |
Fokus der Öffentlichkeit gerückt werde. | |
28 Mar 2024 | |
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[1] /Haare-und-Identitaet/!5846805 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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