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# taz.de -- AfD-Geheimtreffen mit Martin Sellner: Zu Gast bei rechten Freunden
> taz-Recherchen in Berlin-Pankow belegen erstmals einen Vortrag des
> Rechtsextremisten Martin Sellner bei der AfD. Die Partei fürchtet nun
> Konsequenzen.
Bild: Nicht Pankow, sondern Chemnitz: Auf einem Demonstrationsschild wird Marti…
BERLIN taz | Die Kontakte der AfD mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner
sind enger als bislang bekannt. Nach Recherchen der taz war Sellner am 7.
November des vergangenen Jahres im AfD-Parteibüro Berlin-Pankow zu Gast.
Über das nur intern beworbene Treffen ist ein parteiinterner Streit
entbrannt, wie der taz vorliegende E-Mails und Dokumente belegen.
Dazu gehört ein vierseitiges Schreiben des ehemaligen AfD-Chefs von Pankow,
Michael Adam, an den Landesvorstand vom 13. Februar. Demnach habe „der
(Co-)Vorsitzende des Bezirksverbands Pankow, Christian Buchholz“ dem
ehemaligen Sprecher der Identitären Bewegung (IB) Österreichs, Martin
Sellner, „in den Räumen des Bezirksverbandes Pankow eine Bühne gegeben,
wohl wissend, [1][dass die IB auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht]
und dass Herr Sellner selbst vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist
eingestuft ist und daher beobachtet wird“.
Laut Adam wurde die Veranstaltung „von den Protagonisten bewusst als
‚geheime Veranstaltung‘ geplant und auch so durchgeführt“. Auf Wunsch des
Vermieters des Parteibüros, des ehemaligen AfD-Förderers Andreas Geithe,
sei sie „nur durch Mundpropaganda beworben“ worden. Adam schreibt: „Die
Einladung sollte auf Wunsch von Andreas Geithe vor allem durch zuverlässige
‚stramme Jungs‘ der JA Berlin (Junge Alternative; d. Red.) verbreitet
werden“.
Der Flachbau im Ortsteil Blankenburg ist seit 2017 Sitz der Pankower AfD
und diente Buchholz in seiner Zeit als Abgeordnetenhausmitglied bis 2021
als Bürgerbüro. In Parteikreisen ist es auch als „Stützpunkt“ oder
„Blankenburg“ bekannt. [2][2020 stimmte Buchholz für die Fortführung des
Mietverhältnisses], nachdem bekannt geworden war, dass Geithe 1992 einen
Aufnahmeantrag für die rechtsextreme Partei Nationalistische Front (NF)
gestellt hatte und daraufhin seinen Status als AfD-Förderer verlor.
Buchholz bestreitet gegenüber der taz seine Verantwortung: „Veranstalter
waren weder die AfD, noch die Junge Alternative, noch ich persönlich.“
## Sellner spricht von einem „genialen Abend“
Sellner ist Mitgründer der Identitären Bewegung, die als aktionistischer
Teil der Neuen Rechten gilt. Die Ideen der IB stoßen auch innerhalb der AfD
auf breite Zustimmung. Dazu gehört der sogenannte Ethnopluralismus, eine
Art modernisierter Rassismus, der eine staatliche Homogenität nach
„Ethnien“ anstrebt und letztlich [3][in Konzepten wie der „Remigration“]
mündet, einem ideologischen Kampfbegriff der IB. Das Bundesamt für
Verfassungsschutz führt die IB seit 2019 als gesichert rechtsextrem.
Sellner selbst hatte in Videos auf seinem Telegram-Kanal über seinen
Berlinbesuch gesprochen. „Im Rahmen meiner Lesereise werde ich natürlich
nicht nur aus meinem Buch lesen, 'Regime Change von rechts“, so Sellner,
sondern auch einen „strategischen Überblick geben“, etwa zu den Fragen:
„Welche Chancen haben wir auf eine Migrationswende? Wie lang Zeit bleibt
uns noch für eine Politik der Remigration, bevor die ethnische Wahl die
Demokratie zerstört?“ Im Nachgang sprach er von einem „genialen Abend“.
Nach taz-Informationen kamen etwa 80 Teilnehmer:innen zu dem Treffen.
In den Folgetagen hatte Sellner weitere Tourauftritte, etwa im bayerischen
Dasing, wo auch zwei Landtagsabgeordnete der AfD zu den Gästen zählten.
Einblick in seinen Vortrag bietet ein von Sellner veröffentlichter
Mitschnitt. Darin spricht er von „spät aufgewachten Remigrationsfans“ und
seiner Sorge, dass es nicht zu versprochenen Abschiebungen kommen werde.
Das „patriotische Lager“ müsse den „zu erwartenden Wortbruch ausnutzen�…
Zudem sollten etwaige Flüchtlinge aus Gaza kein Asyl in Deutschland
erhalten.
Zuletzt waren mehrere Treffen bekannt geworden, auf denen sich
Politiker:innen von AfD und CDU mit Neonazis vernetzt hatten. Ende
November hatte Sellner in einer geheimen Runde in einer Villa am Lehnitzsee
in Potsdam seine Vertreibungspläne als „Masterplan Remigration“
präsentiert.
## Auseinandersetzungen bei Berliner AfD
Im Juli war es zu einem ähnlichen Treffen bei Berlins Ex-CDU-Finanzsenator
Peter Kurth gekommen, an der auch Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker
teilgenommen hatte. Die Veranstaltung in Pankow ist derweil das erste
bekannt gewordene Treffen mit Sellner, an dem AfD-Mitglieder nicht nur zu
Gast waren, sondern das bei der AfD stattfand.
Die Mitte Januar [4][veröffentlichte Correctiv-Recherche] über das Treffen
in Potsdam hatte eine Protestwelle ausgelöst. [5][Nach taz-Zählungen] kam
es seither zu 1.250 Demos, mit bis zu 4,9 Millionen Teilnehmer:innen. Die
AfD hat seither in Umfragen an Zustimmung verloren und liegt im Schnitt
noch bei 18 Prozent.
In einer E-Mail des ehemaligen Abgeordnetenhauskandidaten Olaf Busch vom
10. Februar fordert dieser die Landesvorsitzende Brinker auf, ihm
mitzuteilen, „wie in der Sache du gedenkst zu verfahren“. Aus dem Schreiben
geht hervor, dass Busch beim Neujahrsempfang der Brandenburger AfD-Fraktion
am 13. Januar das Gespräch mit Brinker gesucht hatte. Enttäuscht über die
Funkstille seitdem, schreibt er: „Selbstkritik innerhalb der Partei.
Fehlanzeige.“
Brinker antwortete am Folgetag an Busch und Adam: „Wir können die
Veranstaltung nicht rückgängig machen.“ Sie habe ein „Gespräch mit dem
Hauseigentümer“ geführt“ und ihm dabei „explizit erklärt, warum solche
Veranstaltungen in den Räumen der Blankenburg nicht stattfinden können“.
Vergleichbare Veranstaltungen werde es „in Zukunft nicht geben“. Ob die
Partei Konsequenzen für das Mietverhältnis mit Geithe zieht, ist unklar.
Man habe „über die zukünftige Vermietungssituation gesprochen“, so Brinke…
## AfD-Politiker fürchtet großes Schadenspotential
Michael Adam reagierte zwei Tage nach Brinkers Mail mit seinem Schreiben.
Das Anliegen habe sich „mit Deiner Antwort leider nicht erledigt“ – im
Gegenteil“. Adam fordert, dass sich der Landesvorstand auf seiner nächsten
Sitzung mit der Causa befasst. Diese ist für den 1. März geplant, wie er
auf Anfrage der taz sagte. Zu weiteren Details äußerte er sich nicht.
In seinem Brief fordert er, der Vorstand müsse „nach Abschluss seiner
Ermittlungen gegenüber den Mitgliedern des Landesverbandes Stellung“
beziehen und eine „angemessene Ordnungsmaßnahme gegen den verantwortlichen
Funktionär, Christian Buchholz“, verhängen. Sichergestellt werden müsse,
„dass sich in Räumen der AfD solche Dinge nicht wiederholen“.
Adam, der sich laut Antifa-Recherchen ebenso wie der Organisator der
Veranstaltung, Christian Buchholz, auf der Berliner E-Mail-Liste des
aufgelösten Parteizusammenschlusses „Der Flügel“ befand, argumentiert mit
Gefahren, die sich für die AfD aus solchen Treffen ergeben. Die
Angelegenheit sei eine „tickende Zeitbombe mit großem Schadenspotential für
die gesamte Partei“ und könne zu einem „möglichen Verlust der
Parteienfinanzierung“ beitragen. Ob die Partei Konsequenzen zieht, ist
derweil offen. Auf eine Anfrage der taz antwortete Kristin Brinker nicht.
27 Feb 2024
## LINKS
[1] /Die-AfD-und-die-Identitaeren/!5955016
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-afd-halt-an-zusammenarbeit-mit-…
[3] /Hintergrund-des-Begriffs-Remigration/!5987412
[4] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[5] /Demos-gegen-Rechtsextreme-am-Wochenende/!5994320
## AUTOREN
Erik Peter
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