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# taz.de -- Begrenztes Bargeld für Geflüchtete: Reala geht es nicht
> Im Kieler Landtag streitet Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) jeden
> Koalitionsstreit zu Bezahlkarten ab und gibt Positionen ihres Hauses auf.
Bild: Gibt sich am Rednerpult im Landtag offen für Bargeld-Beschränkungen: So…
Bremen taz | Der überraschendste Beitrag zur Bezahlkarte für
Asylbewerber*innen kam bei der Landtagsdebatte am Donnerstag in
Schleswig-Holstein aus der CDU. „Wir möchten doch niemandem verbieten, wie
er das Geld einsetzt“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Uta
Wentzel.
„Ob er damit nun Zigaretten kaufen will oder 50 Euro nach Hause schicken
will über Western Union.“ Die Rücküberweisungen von Migrant*innen in
ihre Heimatländer seien schließlich „wahnsinnig wichtig für die Entwicklung
in den Ländern selbst“. Und: „Es ist von unschätzbarem Wert, was die
Migranten leisten.“ Bei der Bezahlkarte gehe es nur darum, Kommunen zu
entlasten, „sonst muss alles jeden Monat bar ausgezahlt werden“.
Die Idee hinter den Bezahlkarten hat die CDU-Frau damit ziemlich offensiv
hinterfragt – schließlich ging es beim Bund-Länder-Beschluss explizit auch
darum, Überweisungen in die Heimatländer zu erschweren und [1][so
vorgebliche Migrationsanreize einzudämmen.] Später, am Telefon, rudert
Wentzel ein Stück zurück. „Natürlich soll die Bezahlkarte kein Teil der
Entwicklungspolitik sein“, sagt sie – und plädiert für einheitliche
Lösungen in den Ländern. Aber: „So oder so werden Menschen einen Teil ihres
Taschengeldes irgendwie nach Hause bringen. Wenn sie dafür kein Bargeld
haben, dann verkaufen sie etwas. Man kann nicht alles steuern.“
Angestoßen hatte die Landtagsdebatte die FDP mit einem Antrag, in dem sie
forderte, dass mit der Karte in Schleswig-Holstein „ausschließlich
geringfügige Bargeldauszahlungen“ möglich sein sollten. Ihre beiden anderen
Forderungen – keine Überweisungsmöglichkeiten und eine Nutzungsbeschränkung
aufs Inland – sind eigentlich keine Forderungen, sondern [2][ohnehin schon
bei der Konzeption der Karte] durch die Ministerpräsidentenkonferenz
enthalten.
## Wie viel Bargeld? Das bleibt unklar
Spannender war deshalb im Vorfeld die Frage diskutiert worden, wie sich
Grüne und CDU zusammenraufen würden bei der landesspezifischen Konzeption
der Karte. Die [3][Kieler Nachrichten schrieben von einem Koalitionsstreit]
über die Frage, wie viel Bargeld die Asylbewerber*innen am Ende mit
der Karte abheben dürfen.
Im gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen für die Landtagssitzung
bleibt noch viel schwammiger Raum für diese Diskussion. Formuliert wird
dort nur, das Abheben von Bargeld solle „in Höhe eines vorher definierten
Betrags möglich sein“. Darin könnte sich theoretisch sogar der FDP-Antrag
mit seiner Forderung nach „geringfügigen Bargeldauszahlungen“ wiederfinden.
Noch vor einer Woche klang das anders: Auf eine taz-Anfrage hatte das grün
geführte Sozial- und Integrationsministerium geantwortet, man wolle eine
diskriminierungsfreie Lösung entwickeln. „Dazu gehört auch, dass die
Bargeldabhebung in Höhe des bisherigen Taschengeldes nach wie vor möglich
ist.“ In Höhe des Taschengeldes – das würde bedeuten, jene kompletten 185
Euro, die Geflüchtete ausgezahlt bekommen, solange sie in
Gemeinschaftsunterkünften leben und verpflegt werden.
## Grünen-Fraktion findet SSW-Antrag besser
Wohl scheint sich die Grünen-Fraktion mit dem gemeinsamen Antrag denn auch
nicht zu fühlen. Die Abgeordnete und Unterzeichnerin Uta Röpcke macht in
der Sitzung keinen Hehl daraus, dass sie lieber dem Antrag des
Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) gefolgt wäre.
Der zeige „wie immer sehr pragmatisch“ Wege auf, die Bezahlkarte
diskriminierungsfrei zu gestalten. „Inhaltlich stimmen wir Grüne mit Ihrem
Antrag überein“, so Röpcke, „die Koalitionsraison zwingt uns dennoch dazu,
diesen Antrag abzulehnen.“
Der SSW, der die dänische Minderheit im Land vertritt, hatte in seinem
eigenen Antrag gefordert, dass Asylbewerber*innen mit der Karte
„Bargeldbeträge an Geldautomaten nach eigenem Ermessen“ abheben können
müssten – und dass es „keine regionalen Begrenzungen für die Nutzung der
Geldkarte“ geben dürfe.
## Grüne Sozialministerin sieht „keinen Konflikt“
Das grüne Unbehagen scheint allerdings nicht von der Fraktion bis in die
Regierung zu reichen. Sozialministerin Aminata Touré demonstriert im
Landtag offensive Einigkeit. Es gebe in der Koalition keinen Konflikt über
Bezahlkarten. „Den haben wir nicht, weil wir gemeinsam auf diese Frage
blicken“, so die Ministerin.
Statt rote Linien für die Diskussion aufzuzeigen, kritisiert Touré die
eigene Partei dafür, dass sie [4][im Bund aktuell keine Gesetzesänderung]
des Asylbewerberleistungsgesetzes mittragen möchte. „Ich verstehe das
nicht“, so Touré. „Es kann in Koalitionen ganz viele Beschlüsse geben, die
man nicht zu 100 Prozent mitträgt. Da muss man aber gesamtpolitische
Verantwortung übernehmen.“
Vergessen scheint die Forderung des eigenen Ressorts aus der vorigen Woche,
Beträge in voller Höhe auszuzahlen. Selbst eine Mindesthöhe für
Bargeldauszahlungen nennt Touré vor dem Landtag nicht. Im Gegenteil: Man
diskutiere noch, ob die Bargeldauszahlung am Ende „geringer oder höher sein
soll“ als in Hamburg. Der Stadtstaat hat als erstes Bundesland die Karte
[5][bereits vergangene Woche eingeführt] und dabei die Bargeldabhebung auf
50 Euro beschränkt – vorbei am grünen Koalitionspartner und gegen dessen
ausdrücklichen Protest.
24 Feb 2024
## LINKS
[1] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5964646
[2] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5989524
[3] https://www.kn-online.de/politik/bezahlkarte-gruene-sind-gegen-bundesgesetz…
[4] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5990547
[5] /Bezahlkarten-fuer-Gefluechtete-in-Hamburg/!5989217
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Geflüchtete
Asylverfahren
Asylpolitik
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Schleswig-Holstein
Schwerpunkt Flucht
Thüringen
Kolumne Provinzhauptstadt
Geflüchtete
Migration
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