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# taz.de -- Leistungen für Geflüchtete: Länder einigen sich auf Bezahlkarte
> Geflüchtete sollen künftig einen Teil ihrer Leistungen auf Karten
> ausgezahlt bekommen. Aktivist*innen fürchten, es gehe vor allem um
> Abschreckung.
Bild: Sieht aus wie eine normale Bankkarte: Bezahlkarte für Geflüchtete in Ba…
Berlin taz | Fast alle Bundesländer haben sich auf [1][einheitliche
Standards für eine Bezahlkarte] geeinigt, die an Geflüchtete ausgehändigt
werden soll. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Bayern planen eigene Modelle.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Landeschef Boris
Rhein (CDU), stellte den Beschluss in einen Zusammenhang mit einem
„anhaltend hohen Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland“.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren dagegen, Bezahlkarten machten
Asylbewerber*innen das Leben unnötig schwer.
Mit der Einigung wollen die Länder einen Beschluss vom November umsetzen,
als sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Länderchef*innen auf
die Grundzüge des Bezahlkartenmodells verständigt hatte. Das Papier vom
Mittwoch sieht vor, [2][dass Geflüchtete künftig mindestens einen Teil
ihrer Leistungen auf eine Karte ausgezahlt bekommen,] die staatlicher
Kontrolle unterliegt. Die Leistungen werden damit nicht auf ein normales
Konto überwiesen oder in bar ausgezahlt.
Laut Hessischer Staatskanzlei soll es sich um eine „guthabenbasierte Karte
mit Debit-Funktion ohne Kontobindung“ handeln. Welcher Anteil der
Leistungen auf der Karte landet und wie viel Geld die Geflüchteten bar oder
auf ihr reguläres Konto überwiesen bekommen, sollen die Länder individuell
entscheiden können. Mit der Karte soll es prinzipiell nicht möglich sein,
Geld zu überweisen oder im Ausland zu bezahlen.
Rein technisch soll die geplante Karte in allen Branchen und überall
innerhalb Deutschlands genutzt werden können, allerdings soll die Nutzung
von den Ländern „regional eingeschränkt“ werden können. Außerdem sollen
bestimmte Branchen ausgeschlossen werden können. In Geschäften ohne
Kartenlesegeräte kann sowieso nicht bezahlt werden, dies schließt
Geflüchtete etwa von zahlreichen Second-Hand-Läden aus. Ebenfalls unmöglich
dürfte es mit der neuen Karte sein, online zu bestellen.
## Weniger Verwaltungsaufwand für die Kommunen
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sagte am Mittwoch in einer
Mitteilung: „Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den
Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus
staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und
bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität.“
Andrea Kothen von Pro Asyl nannte das Bezahlkarten-Modell am Mittwoch ein
„Diskriminierungsprogramm ohne Sinn und Verstand“. Sie sagte der taz: „Es
ist ja offenkundig, dass Geflüchtete mit schlechteren Lebensbedingungen
abgeschreckt werden sollen. Sie gehe davon aus, dass sich die tatsächliche
Ausgestaltung des Bezahlkarten-Systems von Land zu Land unterscheiden
dürfte: „Alle Diskriminierungsformen sind möglich.“ Nach wie vor liege es
in der Verantwortung der einzelnen Länder, auf die Bezahlkarte zu
verzichten oder für eine diskriminierungsfreie Anwendung zu sorgen.
Insbesondere in Berlin gab es ebenfalls scharfe Kritik an der Einigung und
der Zustimmung des Berliner Senats. Diakonie-Vorständin Andrea Asch,
erklärte am Mittwoch, eine eigenständige Lebensgestaltung für Asylbewerber
werde dadurch erschwert. Es sei nicht nachvollziehbar, wie
Verwaltungskosten eingespart werden könnten, wenn jährlich zehn Millionen
Euro für das Kartensystem ausgegeben werden. „Die Menschenwürde darf nicht
wieder auf der Welle populistischer Ideen den Kürzeren ziehen.“
Bislang gibt es Bezahlkarten nur an einzelnen Orten in Deutschland, [3][so
etwa in Hannover.] Dort ist das Modell allerdings so gestaltet, dass es das
Leben von Geflüchteten deutlich vereinfacht. Die dortige „socialCard“
unterscheidet sich in ihren Funktionen nicht von einer normalen Girokarte,
funktioniert aber ohne Konto bei einer Bank. Hannovers Oberbürgermeister
Belit Onay sagte der taz am Mittwoch dazu: „Hannover verfolgt mit der
SocialCard das Ziel, geflüchteten Menschen einen diskriminierungsfreien
Zugang zu bargeldloser Bezahlung zu ermöglichen.“ Ob die Stadt Hannover ihr
liberales Modell trotz der Einigung vom Mittwoch weiterführen kann, ist
unklar.
Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrat Niedersachsen sagte dazu nun:
„Von der rot-grünen Landesregierung erwarten wir, dass sie sich ein
Beispiel an der Stadt Hannover nimmt und die Bezahlkarte in Niedersachsen
diskriminierungsfrei gestaltet.“ Die Idee Geflüchtete abschrecken zu
wollen, indem man sie schlechter behandele sei „menschlich schäbig und
verfassungswidrig“.
Diesen Weg könnte auch Mecklenburg-Vorpommern gehen, das ein separates
Kartenprogramm plant, welches explizit „diskriminierungsfrei“ sein soll.
Ebenfalls einen eigenen Weg hat Bayern im Blick. Die dortige
Landesregierung plant allerdings ein Bezahlkartensystem, das noch einmal
deutlich restriktiver ist als das, worauf sich die restlichen Bundesländer
am Mittwoch geeinigt haben.
Aktualisiert am 31.01.2024 um 14:20 Uhr. d. R.
31 Jan 2024
## LINKS
[1] /Bezahlkarte-fuer-Gefluechtete/!5985824
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## AUTOREN
Frederik Eikmanns
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