# taz.de -- Leistungen für Asylbewerber*innen: Blackbox Bezahlkarte | |
> Auch Berlin will wohl die Bezahlkarte für Geflüchtete. Wie sie | |
> funktioniert ist noch völlig unklar. Die Karte könnte jährlich 10 | |
> Millionen kosten. | |
Bild: Ob Geflüchtete mit einer Bezahlkarte auch Geld abheben können, ist noch… | |
BERLIN taz | Ohne Konto ist das Leben beschwerlich, das wissen auch | |
Kapitalismuskritiker*innen. Denn selbst in der vergleichsweise | |
bargeldenthusiastischen und digitalisierungsresistenten Bundesrepublik | |
laufen bereits viele Zahlungen jenseits von Münzen und Scheinen ab: Die | |
Summe für den Supermarkteinkauf etwa wird über die EC-Karte abgebucht. Eine | |
Bahnfahrkarte oder das Kinoticket lässt sich praktisch per Lastschrift | |
zahlen. Arbeitgeber überweisen den Lohn monatlich. Wer kein Konto hat, ist | |
von maßgeblichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen. | |
Das sieht die Europäische Union ganz genauso. In [1][einer Richtlinie legte | |
das Europäische Parlament] daher schon 2014 fest, dass alle Menschen in der | |
EU das Recht auf ein Basiskonto haben. Ein Basiskonto ist ein | |
Zahlungskonto, das die Inhaber*innen [2][im Prinzip wie ein Girokonto | |
nutzen] können. Doch anders als bei Girokonten dürfen die Banken niemandem | |
so ein Konto verwehren. Damit haben auch Wohnungslose, Asylsuchende und | |
Geduldete Recht auf so ein Konto. Um ein Basiskonto zu eröffnen, [3][reicht | |
es, einen Antrag zu stellen und die eigene Identität] nachzuweisen. | |
Im Prinzip wäre das Basiskonto bestens geeignet, um Kommunen zu entlasten. | |
Die zahlen nämlich häufig Geflüchteten die ihnen zustehenden Leistungen bar | |
aus. In Berlin bekommen Geflüchtete, die in Erstaufnahmeeinrichtungen | |
leben, das Geld teils in den Heimen direkt ausbezahlt. Oder das Landesamt | |
für Flüchtlinge zahlt ihnen das Geld aus. Wer über die Bezirke | |
untergebracht ist, muss sich sein Geld in der Regel vom Sozialamt abholen. | |
Insbesondere Sparkassenfilialen hätten Erfahrung darin, Basiskonten zu | |
eröffnen, heißt es vom Flüchtlingsrat. Die Kommunen könnten das Geld dann | |
überweisen. Das sei besonders im Jahr 2021 „gut gelaufen“. | |
## Karte von Privatunternehmen | |
Doch im Gespräch ist stattdessen nun [4][eine Bezahlkarte für Geflüchtete]. | |
Wie der Senat bestätigte, bereitet auch Berlin die Einführung vor. | |
Brandenburg ist [5][schon einen Schritt weiter]. Kommen soll die Karte von | |
Privatunternehmen. 10 Millionen Euro könnte das das Land Berlin pro Jahr | |
kosten. Auf so eine Bezahlkarte hatte sich die Konferenz der | |
Ministerpräsident*innen (MPK) im Herbst 2023 geeinigt. Das Ziel: | |
[6][Migration eindämmen]. Dort getroffene Verabredungen sind allerdings | |
nicht bindend. | |
Gänzlich unklar ist, was diese Bezahlkarte können wird. Daher sieht die | |
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Pläne bisher kritisch. „Ich | |
bleibe dabei: Den MPK-Beschluss vom November 2023, durch die Einführung | |
einer Bezahlkarte Migrantinnen und Migranten abzuschrecken, habe ich nicht | |
unterstützt und werde ich auch künftig nicht unterstützen“, bestätigte sie | |
der taz. Zunächst hatte der [7][Tagesspiegel] berichtet. | |
Über Bezahlkarten könnten Behörden einschränken, wie viel Geld | |
Inhaber*innen abheben dürfen. Oder begrenzen, wo die Karte gilt. Statt | |
Basiskonto also eine Blackbox. Eine teure noch dazu. | |
24 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20140411IPR43466/ein-giro… | |
[2] https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Bank/Produkte/Basiskonto/basiskonto_nod… | |
[3] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/sparen-und-an… | |
[4] https://netzpolitik.org/2024/faq-was-bezahlkarten-fuer-gefluechtete-bedeute… | |
[5] /Leistungen-fuer-Asylbewerber/!5982579 | |
[6] /Streit-um-Migationspolitik/!5966287 | |
[7] https://www.tagesspiegel.de/berlin/leistungen-fur-asylbewerber-berlins-sozi… | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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Hannover | |
Christian Lindner | |
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