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# taz.de -- Bezahlkarten für Geflüchtete in Hamburg: Die Freiheit nehmen wir …
> Als erstes Bundesland hat Hamburg eine Bezahlkarte für Geflüchtete
> eingeführt. Damit kann man nur 50 Euro im Monat in bar abheben.
Bild: Hat Hamburg als erstes Bundesland eingeführt: Bezahlkarte für Geflücht…
Hamburg taz | Hamburg prescht vor bei der Auszahlung von Leistungen an
Geflüchtete per Guthabenkarte. Seit dem gestrigen Donnerstag bekommen neu
angekommene Asylbewerber:innen in Hamburgs Erstaufnahme-Unterkünften
kein Bargeld mehr, sondern nur noch die sogenannte „Social Card“. Diese
wird von der Sozialbehörde aufgeladen, mit 185 Euro monatlich – jenem oft
„Taschengeld“ genannten Betrag für den persönlichen Bedarf, der übrig
bleibt, wenn man vom Existenzminimum die Kosten der Verpflegung sowie ein
Nahverkehrs-Abo abzieht.
Hamburg ist das erste Bundesland, das diese Art Geldkarte flächendeckend
einführt, die nach außen neutral aussieht und im Einzelhandel überall dort
benutzbar sein soll, wo Kartenlesegeräte verfügbar sind. Es gilt daher als
Testlauf für die [1][von den Ländern beschlossene bundesweite Einführung]
der Karte, die voraussichtlich 2025 kommen soll.
Bisher hatten nur einzelne Kommunen Bezahlkarten eingeführt, [2][darunter
Hannover], das mit demselben Dienstleister zusammenarbeitet wie Hamburg,
der Publk GmbH im niedersächsischen Bersenbrück. Die Stadt habe von den
Nutzer:innen positive Rückmeldungen bekommen, teilte eine Sprecherin der
taz mit.
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied: Hamburg schränkt die
Verfügung über Bargeld mit der Karte drastisch ein. Die Nutzer:innen
können damit nur 50 Euro pro Monat in bar abheben. Pro minderjährigem Kind
kommen zehn Euro dazu.
## Gegenmodell Hannover
Hannover schränkt die Bargeldverfügung nicht ein. Die Länder hatten sich
darauf geeinigt, dass jedes Bundesland selbst darüber entscheiden kann, ob
es die Bezahlkarten mit solchen Beschränkungen versieht. Für
Schleswig-Holstein etwa teilte eine Sprecherin auf taz-Anfrage mit, dem
Sozialministerium, das auch Integrationsministerium ist, sei eine
„praktikable und diskriminierungsfreie Lösung“ wichtig. Dazu gehöre auch,
„dass die Bargeldabhebung in Höhe des bisherigen Taschengeldes nach wie vor
möglich ist“.
Niedersachsen hingegen verfolgt das Ziel, „Bargeldauszahlungen an
Leistungsberechtigte einzuschränken“, wie das Innenministerium mitteilt.
Damit sei „das Interesse verbunden, migrationsbezogene Fehlanreize zu
vermeiden“. Letztlich würden darüber aber die Städte und Landkreise
entscheiden. Hannover könnte demnach bei seinem jetzigen Modell bleiben.
In der Hamburger rot-grünen Koalition herrscht offener Dissens über die
neue Bezahlkarte. Die SPD-geführten Behörden für Soziales und Inneres haben
das „Pilotprojekt“ ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner durchgeführt.
Mareike Engels, migrationspolitische Sprecherin in der
Grünen-Bürgerschaftsfraktion, schrieb auf Facebook: „Es gibt viele Stellen,
wo eine Kartenzahlung nicht möglich ist – gerade in Sozialkaufhäusern, bei
der Tafel oder auch die Waschmarken bei Fördern und Wohnen – 50 Euro sind
dann schnell weg“. Fördern und Wohnen betreibt die meisten Unterkünfte für
Geflüchtete in Hamburg.
Tage vor der Einführung der Karte hatte Grünen-Fraktionschefin Jennifer
Jasberg gewarnt: „[3][Einschränkungen für Geflüchtete oder andere
Leistungsbeziehende, die diskriminierend und stigmatisierend wirken]“ seien
nicht der richtige Weg, sagte sie der Deutschen Presseagentur.
Sie kritisierte insbesondere Bargeldbeschränkungen. Diese würden keine
Schutzsuchenden davon abhalten, nach Deutschland zu kommen, sagte sie
weiter. Und: „Verschiedene europäische Studien belegen, dass es keinen
Zusammenhang von Leistungsbeschränkungen und Fluchtbewegungen gibt.“
Auch Carola Ensslen, Linken-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft,
kritisiert die Social Card als „ein Instrument für Leistungseinschränkungen
und Kontrollen – als reine Abschreckung“. Die Beschränkung auf 50 Euro
Bargeld im Monat sei „ziemlich krass“. Man müsse nur mal an Schulkinder
denken: „Da werden leicht hier mal zehn Euro eingesammelt und da mal zehn
Euro.“
Annkathrin Kammeyer, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dagegen
freute sich, „dass der Senat mit der Einführung der Social Card vorangeht“.
Die Erprobung sei „ein sinnvoller Schritt zu einem einfacheren Umgang mit
staatlichen Geldleistungen“. Die mögliche Bargeldauszahlung von maximal 50
Euro ermögliche das Einkaufen auch dort, wo das Zahlen per Karte nicht
möglich ist.
Uneins ist die Koalition auch an einem weiteren Punkt: Wie die
Sozialbehörde der taz bestätigte, bleibt der Einsatz der [4][Social Card]
nicht aufs „Taschengeld“ während des Aufenthalts in der
Erstaufnahmeeinrichtung beschränkt. Wer einmal die Social Card hat, soll
Asylbewerberleistungen nur noch darauf erhalten, selbst wenn er längst
nicht mehr in einer Sammelunterkunft lebt oder später ein eigenes Konto
eröffnet, weil er beispielsweise in einem Minijob Geld dazuverdient.
Mareike Engels von den Grünen lehnt das ab: „Menschen müssen Leistungen,
die ihnen zustehen, prioritär auf ihr eigenes Konto bekommen“, sagte sie
der taz.
15 Feb 2024
## LINKS
[1] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5989524
[2] /Bezahlkarten-fuer-Gefluechtete/!5975868
[3] /Neue-Restriktionen-fuer-Asylsuchende/!5985874
[4] https://www.socialcard.de/
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
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