# taz.de -- Ministerin über gebrochenes Kirchenasyl: „Wir halten uns an die … | |
> Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré ist doppelt in | |
> Bedrängnis: Wegen der Entlassung ihrer Staatssekretärin und dem Bruch des | |
> Kirchenasyls. | |
Bild: Setzt durch, was das Bamf anordnet: Schleswig-Holsteins Sozialministerin … | |
taz: Frau Touré, Sie stehen in der Kritik, weil Sie Nachrichten von Ihrem | |
Diensthandy gelöscht haben. Sie erklären das mit Datenschutz. Aber ist | |
dafür nicht die IT-Abteilung des Ministeriums zuständig? Und hat nicht das | |
Parlament das Recht, zu entscheiden, welche Informationen wichtig sind? | |
Aminata Touré: Natürlich ist sie das. Aber es ist auch ein Missverständnis | |
zu glauben, dass jede Kommunikation einer Ministerin aktenrelevant ist und | |
dem Parlament zur Verfügung stehen muss. Alles, was in diesem und anderen | |
Fällen aktenrelevant ist, wird in einer Akte von mir verschriftlicht. Und | |
wir haben dem Parlament über 3.000 Seiten zur Verfügung gestellt. Es fehlt | |
nichts. In den vergangenen Jahren wurden die Handys von | |
Politiker*innen gehackt und gerade junge, grüne und oder migrantische | |
Politiker*innen sind im Blickfeld von Strukturen, die rechts | |
organisiert sind. Und ich lege einen hohen Wert auf meine Sicherheit. | |
Die Kritik kam im Zusammenhang mit der [1][Entlassung Ihrer | |
Staatssekretärin Marjam Samadzade] auf. Inzwischen ist bekannt, dass | |
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Entlassung sozusagen angewiesen | |
hat – lassen Sie sich vom Koalitionspartner sagen, wie Sie Ihr Ministerium | |
führen sollen? | |
Der Ministerpräsident ernennt und entlässt Staatssekretäre. Das ist | |
gesetzlich geregelt. Deshalb ist es verwunderlich, wenn man sich darüber | |
wundert, dass das gemeinsam entschieden wird. Im Übrigen: Die Entlassung | |
meiner ehemaligen Staatssekretärin stand bereits seit dem Juli 2023 für | |
Ende des Jahres 2023 fest und wurde dann frühzeitiger veranlasst. | |
Samadzade hat vor der Berufung zur Staatssekretärin offenbar einen | |
Facebook-Post geteilt, auf dem eine Karte Israels unter Handabdrücken in | |
den Farben Palästinas verschwindet. Was sagen Sie dazu? | |
Es handelt sich um einen privaten Beitrag von Frau Samadzade aus dem Jahr | |
2021, den ich nicht kommentiere. | |
Zu einem anderen Fall. Kurz vor Weihnachten sollten zwei Söhne einer | |
afghanischen Menschenrechtlerin und Journalistin nach Spanien | |
[2][abgeschoben werden]. Die ganze sechsköpfige Familie befand sich zu | |
diesem Zeitpunkt im Kirchenasyl. Die versuchte Abschiebung mit großem | |
Polizeieinsatz fand in Schwerin statt, aber die Familie fällt in die | |
Zuständigkeit der Kieler Ausländerbehörde und damit unter Ihre Aufsicht als | |
Fachministerin. Wissen Sie, wie es der Familie jetzt geht? | |
Was ich sagen kann, ist, dass die Familie [3][nicht abgeschoben wurde] und | |
der Fall weiter geprüft wird. Mehr Aussagen kann ich aus Datenschutzgründen | |
der Familie leider nicht machen. | |
Vor dem Innenausschuss des Landtags haben Sie [4][das Vorgehen der Behörden | |
verteidigt] und gesagt, die Kirche habe gegen eine Vereinbarung mit dem | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bamf, verstoßen. Dietlind Jochims, | |
Flüchtlingsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in | |
Norddeutschland, widerspricht: Das [5][Kirchenasyl] ist ein Akt des | |
Widerstands und nicht abhängig von einer Erlaubnis des Bundesamtes. Haben | |
Sie sich falsch ausgedrückt? | |
Um es deutlich zu machen: Mein Ministerium hat die Fachaufsicht über die | |
Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein. Der Innen- und Rechtsausschuss hat | |
mich deshalb um einen Bericht gebeten. In dieser Funktion habe ich über die | |
Rechtslage berichtet: Das Bamf hatte die Abschiebung angeordnet und in so | |
einer Situation hat die Kieler Ausländerbehörde keine rechtliche | |
Möglichkeit zum Widerspruch. Das habe ich gesagt – nicht als politische | |
Bewertung, sondern als rechtliche Darlegung der Situation. Länder und | |
Kommunen sind an Bundesgesetze gebunden und gerade im Fluchtbereich merkt | |
man eben, wie sehr es dann den Einzelnen in der Konsequenz trifft. | |
Zwischen Kirche und Bundesamt besteht eine Vereinbarung, laut der die | |
Gemeinde ein Dossier einreichen muss. Das hat die Gemeinde getan. | |
Es geht um die Reihenfolge. Das Dossier wird eingereicht, das Bamf prüft, | |
wie die Zustände in dem Land sind, in das abgeschoben werden soll. In | |
diesem Fall ist das Spanien und nicht Afghanistan und das Bamf hielt es für | |
zumutbar, dass die jungen Männer dorthin zurückkehren. Gemäß des Leitfadens | |
des Bamf hat sich die Kirche nicht an die Vereinbarung gehalten, weil die | |
Familie dennoch ins Asyl aufgenommen wurde. | |
Es geht also um einen Leitfaden des Bamf, den die Kirche offenbar anders | |
bewertet? | |
Das mag sein, aber als Behörde halten wir uns an das, was das Bamf vorgibt. | |
Diese rechtliche Situation habe ich geschildert – wie ich es persönlich und | |
politisch bewerte, steht auf einem anderen Blatt. | |
Viele Kirchengemeinden sind durch den Abschiebeversuch aus dem Asyl | |
verunsichert. Was sagen Sie den Verantwortlichen dort? | |
Ich bin und war auch in der Vergangenheit mit den Kirchen, Verbänden und | |
dem Flüchtlingsbeauftragten im guten Austausch zu Fällen von Kirchenasyl. | |
Das ist stets ein besonderer Moment, und mir ist es wichtig, einen kurzen | |
Draht zu den Kirchen zu haben, wenn solche Fälle auftauchen. | |
In Schleswig-Holstein gibt es eine Sonderregelung für sakrale Räume – gilt | |
das weiter? | |
Ja, wenn das Kirchenasyl direkt in sakral genutzten Räumen, etwa in einer | |
Kirche, stattfindet, sind die Menschen dort geschützt. | |
Was müsste passieren, damit die afghanische Journalistin und ihre Familie | |
bleiben können, und was wünschen Sie der Familie – jenseits der rechtlichen | |
Bewertung? | |
Man kann immer Rechtsmittel einlegen. Das hat in diesem Fall ein Teil der | |
Familie getan, ein anderer nicht. Da es um eine Abschiebung nach Spanien | |
geht, wo sich die Familie aufhielt, bevor sie nach Deutschland kam, ist es | |
wegen des europäischem Rechts – Dublin-Verordnung – kompliziert. Angesichts | |
der besonderen Umstände und hohen Vulnerabilität der Betroffenen muss man | |
aber von Seiten der Behörden mit höchster Sensibilität vorgehen und | |
versuchen, eine möglichst befriedigende Lösung zu finden. Und es wird wie | |
gesagt weiter geprüft. Ich wünsche der Familie auf jeden Fall, dass sie | |
zusammenbleibt und einen Ort findet, an dem sie in Sicherheit leben können. | |
27 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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