# taz.de -- 80-Cent-Jobs für Geflüchtete: Ausbeutung statt Integration | |
> CDU-Landrat Christian Herrgott will im Saale-Orla-Kreis Geflüchtete zur | |
> Arbeit verpflichten. Nicht nur der örtliche Flüchtlingsrat kritisiert | |
> das. | |
Bild: Klingt wie AfD, gehört aber zur CDU: Christian Herrgott will Geflüchtet… | |
BERLIN taz | Der Saale-Orla-Kreis in Ostthüringen verpflichtet Geflüchtete | |
zu Arbeit in Unterkünften, bei Kommunen oder gemeinnützigen Vereinen. Als | |
Entschädigung bekommen sie pro Stunde 80 Cent. Sollten sie sich weigern, | |
dann droht ihnen im härtesten Fall, dass ihnen von den maximal 460 Euro, | |
die sie im Monat als Leistung bekommen, bis zu 180 Euro abgezogen werden. | |
Der neue Landrat, Christian Herrgott (CDU), sagt, das fördere die | |
Integration. Doch unter anderem Thüringens Integrationsministerin | |
[1][Doreen Denstädt (Grüne)] kritisiert: Herrgott bediene damit rechte | |
Narrative, die so nicht stimmen. | |
„In rechten Kreisen wird schon immer erzählt, Geflüchtete wollten | |
Sozialsysteme ausnutzen“, erklärt Denstädt gegenüber der taz. „Doch die | |
meisten wollen eigene Arbeit und ein eigenes Einkommen.“ Geflüchtete zur | |
Arbeit zu verpflichten, „das bringt uns in der Debatte nicht weiter.“ | |
Christian Herrgott betont in einem Interview mit dem [2][Tagesspiegel], er | |
habe von den Geflüchteten „eine Reihe positiver Rückmeldungen“ erhalten. | |
„Sie wünschen sich eine reguläre Tätigkeit und fragen, wie sie in den | |
ersten Arbeitsmarkt gelangen können.“ Allerdings berichtet die Thüringer | |
Integrationsbeauftragte Mirjam Kruppa, schon jetzt gebe es viele | |
Freiwillige in den Unterkünften – ohne Verpflichtung. Der Vorstoß im | |
Saale-Orla-Kreis habe eine „populistische Wirkung“, sagte Kruppa dem | |
[3][MDR]. | |
## Vier Tage bis zum Mindestlohn | |
Der Thüringer CDU-Generalsekretär Christian Herrgott ist seit drei Wochen | |
Landrat im Saale-Orla-Kreis, nachdem er im Januar gegen den AfD-Politiker | |
Uwe Thrum mit 52,4 Prozent die Stichwahl gewann. Zwar [4][fiel Herrgott | |
schon in seiner Kampagne mit rechten Thesen] auf: „Bürgergeld abschaffen. | |
Konsequent abschieben.“ Doch Geflüchtete zu Arbeit zu verpflichteten, die | |
Idee stammt nicht von ihm, sondern steht so im Asylbewerberleistungsgesetz. | |
Dort steht: Geflüchteten sollten „Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur | |
Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt | |
werden“ – allerdings nur arbeitsfähigen Geflüchteten, ohne Verpflichtunge… | |
etwa einen regulären Job. | |
Laut einem Sprecher des Saale-Orla-Kreises treffe das im Kreis auf 150 der | |
insgesamt 480 Geflüchteten zu. Etwa 50 von ihnen hätten schon Angebote | |
angenommen. Für sie sei die Arbeit „sinnstiftend“, sie führe zudem „zu | |
einer höheren Akzeptanz für Geflüchtete in der Bevölkerung“. Wichtig sei, | |
dass diese Arbeitsgelegenheiten keine regulären Arbeitsplätze gefährdeten. | |
Ähnlich sieht das auch Bayerns Integrationsminister Joachim Herrmann (CSU). | |
Die Verpflichtung zur Arbeit schaffe eine „Win-win-Situation“ für | |
Gesellschaft und Geflüchtete. In einer Mitteilung ließ er verkünden, die | |
Leistungskürzung sei „zumutbar, zumal es um ein paar Stunden am Tag und | |
leicht erfüllbare Aufgaben ohne großes Vorwissen wie etwa die Pflege von | |
Gartenanlagen oder Übersetzertätigkeiten geht.“ | |
Die Vorsitzende der Partei die Linken, Janine Wissler, äußerte hingegen | |
Bedenken gegenüber der Lohnentwicklung. „Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde | |
zur Arbeit verpflichten, ist genauso verwerflich wie Ein-Euro-Jobs oder | |
Niedriglöhne in Behindertenwerkstätten und Ausnahmen beim Mindestlohn für | |
Langzeitarbeitslose.“ Das verdränge reguläre Jobs und unterlaufe | |
Tarifverträge, warnt Wissler. | |
Am Tag dürfen die Arbeitsangelegenheiten der Geflüchteten nicht länger als | |
vier Stunden dauern. Bei einem Stundensatz von 80 Cent ergeben sich bei | |
fünf Arbeitstagen in der Woche maximal 64 Euro im Monat. Die [5][bekommen | |
die Geflüchteten über ihre Bezahlkarten]. Um den Betrag des derzeitigen | |
Stundenlohns von 12,41 Euro pro Stunde zu bekommen, müssen die Geflüchteten | |
fast vier Tage arbeiten. | |
Ist [6][das Ausbeutung?] Christian Herrgott sagt dazu ganz klar: Nein. Der | |
Sprecher des Saale-Orla-Kreises weist darauf hin, man könne als Landkreis | |
den rechtlichen Rahmen nicht sprengen. Dafür sei der Bund verantwortlich. | |
Der Thüringer Flüchtlingsrat kritisiert, das Vorgehen diskreditiere | |
Geflüchtete und weist darauf hin, dass ein schnellerer Zugang zu | |
Sprachkursen besser für die Integration sei. Ähnlich äußert dazu auch die | |
Sprecherin für Migration der Linken im Thüringer Landtag, Katharina | |
König-Preuss: „Integration bedeutet mehr als bloße Beschäftigung; sie | |
erfordert Zugang zu Bildung, Spracherwerb und fairer Arbeit.“ | |
28 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-Justizministerin-in-Thueringen/!5908015 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/politik/neue-regelung-in-thuringen-wie-wollen-s… | |
[3] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saalfeld-rudolstad… | |
[4] /AfD-Kandidat-in-Thueringen-verhindert/!5985598 | |
[5] /Bezahlkarten-fuer-Gefluechtete-in-Hamburg/!5989217 | |
[6] /Gefluechtete-in-Deutschland/!5859383 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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