# taz.de -- Genozidforscher über Gaza: „Jeder Genozid ist anders“ | |
> Der Historiker Omer Bartov über den Vorwurf, Israel begehe in Gaza einen | |
> Völkermord, über Nazi-Vergleiche und über Deutschlands Rolle in dem | |
> Konflikt. | |
Bild: Er soll Israel gegen den Vorwurf des Genozids verteidigen: Der Anwalt Omr… | |
wochentaz: Herr Bartov, [1][Südafrika klagt Israel vor dem Internationalen | |
Gerichtshof wegen Genozids an]. Was halten Sie davon? | |
Omer Bartov: Ich sehe das positiv. Ein internationales Gremium aus | |
angesehenen Juristinnen und Juristen aus unterschiedlichen Ländern wird | |
darüber beraten – und zwar [2][auf Grundlage der Völkermordkonvention der | |
Vereinten Nationen]. Südafrika hat das Gericht außerdem gebeten, Maßnahmen | |
anzuordnen, um die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu | |
schützen. Das könnte helfen, die humanitäre Katastrophe zu beenden, die wir | |
dort gerade erleben. | |
Wie unabhängig ist das Gericht? | |
Es gehört zur Struktur der Vereinten Nationen. Die Idee ist, dass es alle | |
Regionen der Welt vertritt, nicht nur die Großmächte oder den Westen. Auch | |
wenn die Richter Koryphäen sind und ihren eigenen Kopf haben, sind sie doch | |
mit den Staaten verbunden, aus denen sie stammen. Deren Interessen sind | |
nicht immer transparent oder konsistent. Man wird sehen. | |
Was hätte es für Folgen, wenn das Gericht Israel wegen Völkermords | |
verurteilt? | |
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsste sich damit befassen, und | |
zumindest die USA würden wahrscheinlich ein Veto einlegen. Aber viele | |
Länder – auch die USA – haben Gesetze, die es ihnen verbieten, Waffen und | |
Munition an Länder zu liefern, die im Verdacht stehen, Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit oder gar einen Genozid zu begehen. Das würde den Druck | |
erhöhen, zu einer Lösung der aktuellen Krise zu kommen, und das wäre eine | |
gute Sache. | |
Für westliche Regierungen wäre ein solches Urteil sehr peinlich. | |
[3][Peinlich ist, dass der Westen nichts gegen die humanitäre Katastrophe | |
unternimmt, die sich vor unseren Augen ereignet.] Über 24 000 Menschen | |
wurden dort bereits getötet, mindestens zwei Drittel von ihnen Zivilisten, | |
die Hälfte davon Kinder. Die Tötungsrate ist beispiellos, und es gibt wenig | |
Druck auf Israel, um den Konflikt zu beenden. | |
Sie haben schon sehr früh vor der Gefahr eines Genozids in Gaza gewarnt. | |
Warum? | |
Zahlreiche hochrangige israelische Politiker – der Premier und der | |
Präsident, viele Minister und Generäle –, haben Dinge gesagt, die im | |
höchsten Maße alarmierend waren. Es wurde dazu aufgerufen, Gaza | |
auszulöschen und es dem Erdboden gleichzumachen. Wenn man solch eine | |
entmenschlichende Sprache aus dem Mund von politischen Anführern und | |
Menschen mit Befehlsgewalt vernimmt, dann hat das Konsequenzen. | |
Inwiefern? | |
Es stachelt Menschen auf, insbesondere Soldaten. Viele der hunderttausend | |
Reservisten, die zu den Waffen gerufen wurden, dürften Wähler von | |
Natanjahu, Smotrich und Ben Gvir sein. Wenn sie diese Sprache hören, dann | |
haben sie das Gefühl, dass es keine roten Linien gibt. Das führt dann dazu, | |
dass drei Geiseln erschossen wurden, die eine weiße Fahne geschwenkt haben. | |
Der israelischen Öffentlichkeit ist das nur aufgefallen, weil es drei | |
Geiseln waren und nicht drei Palästinenser. Was mich außerdem besorgt hat | |
waren die massiven und wahllosen Bombardierungen. Jetzt ist noch viel | |
klarer, dass hier eine Strategie umgesetzt wurde, die vermutlich schon vor | |
dem 7. Oktober erdacht wurde. | |
Welche Strategie meinen Sie? | |
Man sagt der Bevölkerung, sie solle ein Gebiet verlassen, und gibt ihnen | |
dafür eine gewisse Frist. Wenn die verstrichen ist, betrachtet man jede | |
Person, die man dort noch antrifft, als potentiellen Kämpfer – egal, um wen | |
es sich handelt. Man schickt Flugzeuge, Panzer und Bulldozer und setzt auf | |
massiven Artilleriebeschuss und massive Bombardierungen, bevor Bodentruppen | |
reingehen, und sprengt Schulen, Moscheen, Krankenhäuser und andere | |
öffentliche Gebäude in die Luft. Es gibt inzwischen viele Bilder, die das | |
Ausmaß der Zerstörung zeigen. [4][Im Ergebnis wurden 1,9 Millionen Menschen | |
vertrieben und die Gegend zerstört, aus der sie stammten.] Sie können nicht | |
mehr dorthin zurückkehren. Das, was ich damals befürchtet hatte, ist | |
inzwischen eingetreten. | |
Ihr Kollege Raz Segal hat Israels Vorgehen in Gaza als „Lehrbuch-Beispiel | |
für einen Genozid“ bezeichnet. Sie sind vorsichtiger? | |
Um einen Genozid zu beweisen muss man die entsprechende Absicht nachweisen. | |
Das ist das Schwierigste. In diesem Fall wurde offen gesagt, dass man | |
beabsichtigt, die Gegend dem Erdboden gleichzumachen und die Menschen zu | |
vertreiben. Entscheidend ist jetzt die Frage: Wollten sie Gaza – oder | |
zumindest Teile davon – für immer ethnisch säubern? Viele in Israel sagen | |
jetzt, man sollte die Bevölkerung ermutigen, Gaza zu verlassen – auf den | |
Sinai, nach Kanada oder wohin auch immer. Sollte das passieren könnte man | |
zu dem Schluss kommen, dass es von Anfang an die Absicht war, die | |
Bevölkerung von dort zu vertreiben. Das ist ein Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit und könnte als Absicht gewertet werden, „eine Gruppe als | |
solche ganz oder teilweise zu zerstören“, wie es in der UN-Konvention | |
heißt, und damit als Genozid. | |
Warum? | |
Wenn man die Bevölkerung aus Gaza vertreibt, zerstört man sie als Gruppe. | |
An diesem Punkt sind wir jetzt. Niemand möchte zwei Millionen Menschen | |
aufnehmen, Ägypten hat große Angst davor. Aber Israel könnte es dazu | |
zwingen, wenn die Weltgemeinschaft jetzt nicht einschreitet. Die Frage ist: | |
Kommt jetzt eine neue Stufe? Das hängt davon ab, was jetzt passiert. | |
Was befürchten Sie? | |
Wenn die israelische Armee in den Süden reingeht, weil die Hamas dort noch | |
aktiv ist, wird sie noch mehr Zivilisten töten. Wenn nicht, war nicht nur | |
der 7.Oktober ein Fiasko, sondern auch dieser Krieg. Denn Israels Regierung | |
war bisher nicht in der Lage, ihre zwei erklärten Ziele zu erreichen: Sie | |
hat weder die Hamas zerstört noch die Geiseln befreit. Die einzigen | |
Geiseln, die befreit wurden, kamen durch Verhandlungen während eines | |
Waffenstillstands frei. Die anderen sind nicht zurück, und es gibt keinen | |
Grund anzunehmen, dass sie befreit werden können. | |
Der Norden des Gazastreifens wurde ethnisch gesäubert. Das ist noch kein | |
Genozid? | |
Gewaltsame Vertreibung ist etwas anderes als ein Genozid. Historisch hängen | |
beide Phänomene aber eng zusammen – denken Sie an den deutschen Genozid an | |
den Herero in Deutsch-Südwestafrika, oder an den Genozid an den Armeniern | |
im osmanischen Reich. Beide wurden in die Wüste getrieben, viele sind dort | |
gestorben. Es gibt meiner Meinung nach ausreichend Anzeichen dafür, dass | |
die israelische Armee in Gaza in Kriegsverbrechen verstrickt ist und | |
vermutlich auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Heute | |
sehen wir zu, dass 85 Prozent der Bevölkerung von Gaza vertrieben wurden, | |
viele von ihnen unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen und Hunger | |
und Durst leiden. Wir wissen nicht, was die langfristigen Auswirkungen | |
durch Krankheiten und Seuchen sein werden. Deswegen stehen wir kurz vor | |
einem Abgrund, der als Genozid beschrieben werden kann. | |
In Deutschland fürchten manche, der Holocaust werde relativiert, wenn man | |
Israel einen Genozid vorwirft. Sie nicht? | |
Jeder Genozid hat Aspekte, die ihn von anderen unterscheiden. Der deutsche | |
Völkermord an den Juden Europas war einzigartig, weil er sich über einen | |
ganzen Kontinent erstreckte und es industrielle Vernichtungslager gab. Aber | |
in manchen Aspekten ähnelte er anderen Genoziden, etwa in Ruanda oder in | |
Bosnien. So gesehen, war der Holocaust nicht einzigartig. Darüber habe ich | |
ein ganzes Buch geschrieben. | |
Sie fürchten keinen Missbrauch der Vergangenheit? | |
Die Erinnerung an den Holocaust wird von allen Seiten missbraucht. Ich | |
verfolge die öffentlichen Debatten in Israel, da wird die Hamas ständig mit | |
Nazis verglichen. Jeder nutzt oder meidet solche Begriffe aus | |
unterschiedlichen Gründen. Was Deutschland tun sollte ist, die Dinge so zu | |
sehen, wie sie sind. Wenn die israelische Armee an Kriegsverbrechen | |
beteiligt ist – und es gibt genügend Fakten, die das bestätigen – dann | |
sollte man darüber sprechen. Man kann nicht sagen: Weil die Wehrmacht | |
Kriegsverbrechen begangen hat, können wir Israel nicht kritisieren. Das | |
erinnert mich an das Argument, dass man aufgrund der deutschen Verbrechen | |
an Russland Putins Krieg in der Ukraine nicht kritisieren dürfe. Das macht | |
keinen Sinn. | |
Welche Lehren sollte Deutschland aus der Vergangenheit ziehen? | |
Aus der Vergangenheit lernt man, dass man anderen Staaten oder | |
Organisationen nicht erlauben sollte, mit solchen Verbrechen davonzukommen, | |
indem man dazu schweigt. [5][Deutschland sollte sich wie die Großmacht | |
verhalten, die es ist.] Es spricht nichts dagegen, dass sich Deutschland | |
als Freund und Verbündeter Israels sieht. Aber dann sollte es [6][mit | |
Nachdruck daran arbeiten, dass seine Regierung einen anderen Kurs | |
einschlägt]. | |
Die amerikanische Publizistin Masha Gessen hat die Lage in Gaza mit dem | |
Warschauer Ghetto verglichen, in Deutschland wurde sie dafür scharf | |
kritisiert. Wie sehen Sie das? | |
Ich mochte ihren Artikel sehr, auch wenn ich diesen einen Satz nicht den | |
klügsten fand. Ich denke nicht, dass sich Gaza mit dem Warschauer Ghetto | |
vergleichen lässt. Aber Gaza ist ein Alptraum, das steht außer Frage. Ich | |
habe in den 1970erjahren als Soldat in Gaza gedient. Damals lebten nur 350 | |
000 Menschen dort, und es war schon damals kein schöner Ort. Aber ich mag | |
keine Nazi-Vergleiche, weil die Nazis dann immer gewinnen. Denn im | |
Vergleich sieht alles nicht ganz so schlimm aus, selbst wenn es absolut | |
grauenhaft ist. | |
In Israel sind Nazi-Vergleiche verbreitet. Schon PLO-Chef Arafat wurde mit | |
Hitler verglichen, heute werden der Iran oder die Hamas mit Nazis | |
gleichgesetzt. | |
Das ist seit den 1980er-Jahren schlimmer geworden. Seit Netanjahu an die | |
Macht kam, hat er seine Gegner immer wieder mit Nazi-Vergleichen überzogen | |
– meistens Palästinenser, aber auch den Iran. Das heißt, du hast freie | |
Hand. Denn was kann man mit Nazis tun? Du musst sie töten, bevor sie dich | |
töten können. Mittlerweile ist es in Israel unmöglich geworden, außerhalb | |
dieses Rahmens zu denken. Bis zu Rabins Ermordung war es noch möglich, sich | |
eine andere Art und Weise vorzustellen, mit der Situation umzugehen. Heute | |
dreht sich alles nur noch um die Frage: sie oder wir. Das ist fatal. Es | |
gibt sieben Millionen Palästinenser und sieben Millionen Juden, die auf | |
diesem Territorium leben. Keiner möchte das Land verlassen. Man muss einen | |
politischen Kompromiss finden. Aber dieses Denken macht es unmöglich, einen | |
Kompromiss zu finden. | |
Triggern diese Nazi-Vergleiche auch Ängste vor einer Vernichtung? | |
[7][Seit dem 7. Oktober hat sich die Atmosphäre in Israel komplett | |
geändert, und es gibt ein starkes Gefühl der Verunsicherung.] Das hat mit | |
dem kolossalen Versagen der israelischen Armee zu tun. Die Hamas hat einen | |
Teil des Landes übernommen und schreckliche Verbrechen begangen, und die | |
Armee ist für Stunden nicht aufgetaucht. Jetzt wird der Krieg nicht | |
gewonnen, die Verluste nehmen zu, [8][eine zweite Front wird eröffnet und | |
es ist kein Ende in Sicht]. Diese Regierung profitiert davon, und sie | |
verspricht nur mehr Gewalt und noch mehr Tote. | |
Hatte der Angriff der Hamas auch eine genozidale Botschaft? Manche sprechen | |
vom größten Massaker an Juden seit dem Holocaust. | |
Es war ein großer terroristischer Angriff, ein Kriegsverbrechen, und | |
möglicherweise ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wenn man es mit der | |
Charta der Hamas von 1988 in Verbindung setzt, kann man argumentierten, | |
dass es sich um eine genozidale Tat handelt. Es wäre gut, wenn das vor | |
einem internationalen Gericht verhandelt würde. Aber ich halte es für | |
falsch, es mit einem Pogrom zu vergleichen. Ein Pogrom ist Gewalt, die sich | |
gegen eine Minderheit richtet. Solche Formulierungen dienen nur dazu, | |
bestimmte Gefühle hervorzurufen. | |
Welchen Einfluss hatte dieses Massaker auf die Psyche von Jüdinnen und | |
Juden weltweit? | |
Wenn man den israelischen Medien folgt – was ich derzeit mehr tue, als mir | |
lieb ist – wird der Horror des 7. Oktober kontinuierlich wiederholt. | |
Israelische TV-Zuschauer sehen praktisch nichts von dem, was der | |
Bevölkerung in Gaza widerfährt. Stattdessen erfahren sie jeden Tag mehr | |
über das, was am 7. Oktober passiert ist, hören Augenzeugenberichte und | |
sehen Interviews. Das Gefühl, Opfer und verwundbar zu sein, wird dadurch | |
ständig neu befeuert – und damit auch der Wunsch nach Rache und Vergeltung. | |
Die meisten Deutschen sprechen kein Hebräisch und verstehen nicht, was | |
Netanjahu meint, wenn er von Amalek spricht. Was hat es damit auf sich? | |
Als die Israeliten durch den Sinai wanderten, wurden sie von einem Volk | |
namens Amalek angegriffen. Das ist eine biblische Geschichte. Wenn man in | |
Israel sagt, „Erinnere dich, was Amalek dir angetan hat“, dann ist das wie | |
ein Aufruf, den Gegner auszulöschen. Netanjahu ist ein gebildeter Mann: Er | |
weiß genau, was er damit auslöst. | |
Könnte ihm das in Den Haag zum Verhängnis werden? | |
Das ist nur eines aus einer ganzen Reihe von Aussagen von Netanjahu und | |
anderen, die im Kern genozidal sind. Vor Gericht hat Israel argumentiert, | |
dass das nur in der Hitze des Moments so dahingesagt worden wäre und keine | |
Strategie dahinterstehe. Aber es kann als Aufruf zum Genozid und als Hetze | |
verstanden werden. Auch Hetze ist nach internationalem Recht ein | |
Verbrechen, das sollte man nicht relativieren und kleinreden. | |
Welche Wirkung hat der ständige Bezug auf die Pogrome der Vergangenheit und | |
den Holocaust? Ist das nicht retraumatisierend? | |
Es führt dazu, dass man in Israel die eigene Stärke und die eigenen | |
Schwäche verkennt. In Israel leiden wir an beidem: einerseits fürchten wir | |
jeden Tag, einem neuen Holocaust zum Opfer zu fallen. Andererseits fühlen | |
wir uns so mächtig, dass wir glauben, keinerlei Kompromisse eingehen zu | |
müssen. Das tun wir nur, wenn wir dazu gezwungen werden. So, wie am 6. | |
Oktober 1973, als uns die ägyptische Armee angriff. Bis dahin weigerte sich | |
Israel, über eine Rückgabe des Sinai auch nur zu sprechen. Viele meiner | |
Freunde sind damals im Jom-Kippur-Krieg gestorben. Erst danach war Israel | |
bereit, den Sinai im Gegenzug für einen Friedensvertrag zurückzugeben. | |
Sie sehen Parallelen zum arabischen Angriff von 1973? | |
Ja, denn wir stehen jetzt an einem ähnlichen Wendepunkt. Bis zum 7.Oktober | |
2023 glaubte Israel, es müsse mit den Palästinensern keinen Frieden | |
schließen. Wir können das Land behalten und es besiedeln. Wir sind stark | |
genug, was sollen sie uns schon tun? Aber nachdem sie uns angegriffen | |
haben, fühlen wir uns plötzlich in unserer Existenz bedroht. Dabei wird die | |
Hamas diesen Krieg nicht gewinnen. Nur: [9][Israel kann diesen Krieg auch | |
nicht gewinnen, zumindest nicht rein militärisch]. Es muss eine politische | |
Lösung finden. Wenn nicht, wird Israel ein Paria-Staat werden. | |
Wie meinen Sie das? | |
Wenn Israel seinen Kurs nicht ändert, wird es sich zunehmend isolieren. | |
Langfristig wird sich auch die Politik der USA ändern. Kein demokratischer | |
Präsident wird je wieder so an der Seite Israels stehen wie Joe Biden. Die | |
Leute, die Biden gewählt haben, gehen jetzt gegen Israel auf die Straße. Er | |
verliert seinen liberalen Flügel, die jungen Leute. | |
Wird Trump Israel weiter unterstützen, sollte er wieder zum Präsidenten | |
gewählt werden? | |
Trump ist ein Mann ohne Eigenschaften. Er mag Netanjahu nicht mehr, weil er | |
Biden zu seiner Wahl gratuliert hat. Das hat er ihm nicht verziehen, so | |
etwas vergisst er nicht. Ich denke, sein Impuls wird sein, die Region sich | |
selbst zu überlassen nach dem Motto: Sollen sie sich doch gegenseitig | |
umbringen. [10][Das wäre sehr gefährlich, nicht nur für den Nahen Osten, | |
sondern für den Rest der Welt.] Der Einzige, der Grund hätte, eine Flasche | |
Champagner zu öffnen, sollte Trump noch einmal gewählt werden, wäre | |
Wladimir Putin. | |
Hat Südafrikas Genozid-Klage schon einen Effekt? Netanyahu hat kürzlich | |
erklärt, Israel wolle weder den Gazastreifen dauerhaft besetzen noch die | |
Zivilbevölkerung vertreiben. Genau das hatten Minister seiner Regierung | |
zuvor vorgeschlagen. | |
Es gibt einen Riss in der Regierung. [11][Die Armee würde im Gazastreifen | |
gerne ein ähnliches System errichten, wie es in der Westbank existiert]: | |
eine palästinensische Verwaltung, die sich um den Alltagsfragen kümmert, | |
aber die israelische Armee behält letztlich die Kontrolle und kann | |
jederzeit eingreifen und Menschen verhaften oder töten, wenn sie es für | |
nötig hält. Ob das realistisch ist, ist die andere Frage. Andere in der | |
Regierung würden die Gunst der Stunde gerne nutzen, um in Gaza wieder | |
Siedlungen zu errichten. Einige Soldaten und Reservisten machen Videos | |
davon, wie sie Lieder singen, Flaggen schwenken und sich freuen, Gaza in | |
Besitz nehmen zu können. Kann Netanjahu die Quadratur des Kreises gelingen? | |
Ich glaube nicht. Aber er weiß, dass er nur an der Macht bleiben kann, wenn | |
der Krieg noch möglichst lange weiter geht. Alles andere ist ihm egal. | |
Wer kann ihn stoppen? | |
[12][Nur die USA können diesen Konflikt lösen.] Da versagt die | |
Biden-Regierung bisher. Sie braucht einen klaren Plan, wie dieser Krieg | |
beendet werden kann und was anschließend passieren soll. Dafür muss sie | |
ihre wichtigsten Verbündeten an einen Tisch kriegen: Deutschland, | |
Großbritannien, Frankreich. Diesen Plan müssen sie dann gemeinsam Israel | |
und den Palästinensern vorlegen und ihnen sagen: wenn ihr diesen Plan | |
ablehnt, seid ihr auf euch alleine gestellt. Israel kann sich das nicht | |
leisten. Es reizt seine Möglichkeiten aus, aber es hat wenig in der | |
Hinterhand. | |
Die deutsche Regierung macht sich für eine Zwei-Staaten-Lösung stark. Ist | |
das realistisch? | |
Die ursprüngliche Zwei-Staaten-Lösung ist unrealistisch geworden, weil | |
inzwischen mehr als eine halbe Million Siedler in der Westbank leben. Sie | |
von dort abzuziehen würde in Israel zu einem Bürgerkrieg führen. Auf der | |
anderen Seite erheben beide Gruppen den Anspruch auf nationale | |
Selbstbestimmung und darauf, dass ihrer jeweilige Diaspora in ihren eigenen | |
Staat zurückkehren können. Deshalb bin ich von der Idee einer Konföderation | |
überzeugt. | |
Wie sähe die aus? | |
Eine Konföderation würde bedeuten, dass es zwei Staaten gibt, mehr oder | |
weniger in den Grenzen von 1967. Aber es gäbe einen Unterschied zwischen | |
Staatsbürgerschaft und Wohnort – das hieße, man kann Staatsbürger eines | |
Landes sein, aber in einem anderen leben. Ein bisschen wie in der EU, wo | |
man als Deutscher in einem anderen Land leben aber in Deutschland wählen | |
kann. Siedler könnten in der Westbank bleiben und für das israelische | |
Parlament wählen, aber sie würden den Gesetzen eines palästinensischen | |
Staates unterliegen. Und ein Palästinenser aus New York könnte nach Nablus | |
oder sogar nach Haifa ziehen und wäre den Gesetzen des jeweiligen Staats | |
unterworfen, könnte als palästinensischer Staatsbürger das Parlament in | |
Ramallah wählen. Interessanterweise hat diese Idee sowohl Anhänger untrer | |
Siedlern als auch unter Palästinensern. | |
19 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Anklage-wegen-Voelkermord/!5981347 | |
[2] /Suedafrikas-Klage-gegen-Israel/!5982581 | |
[3] /Namibia-zu-Den-Haag/!5985258 | |
[4] /Dekan-der-Gaza-Uni-ueber-den-Krieg/!5984796 | |
[5] /Wege-zur-Befreiung-der-Hamas-Geiseln/!5982976 | |
[6] /Drei-Monate-Israel-Gaza-Krieg/!5984870 | |
[7] /Demos-fuer-Geisel-Freilassung/!5982830 | |
[8] /Dritte-Phase-des-Nahostkriegs/!5982350 | |
[9] /Experte-zum-Gazakrieg/!5982104 | |
[10] /Naher-Osten/!5982738 | |
[11] /Krieg-im-Nahen-Osten/!5981731 | |
[12] /Plaene-fuer-Nordgaza-nach-dem-Krieg/!5982433 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Genozid | |
Hamas | |
Internationaler Gerichtshof | |
wochentaz | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
wochentaz | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
wochentaz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Internationaler Gerichtshof: Kein Ende der Kämpfe in Gaza | |
Der Internationale Gerichtshof weist den Antrag auf Einstellung der | |
Angriffe ab. Israel müsse aber Maßnahmen ergreifen, um einen Genozid zu | |
vermeiden. | |
Internationaler Gerichtshof zu Gaza: Kämpfe müssen nicht gestoppt werden | |
Der Internationale Gerichtshof weist den Antrag auf Einstellung der Kämpfe | |
in Gaza ab. Israel soll dafür sorgen, dass es keinen Völkermord gibt, und | |
Hilfe zulassen. | |
+++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Kritik an Netanjahus Kurs | |
In Tel Aviv demonstrieren tausende Menschen für die Freilassung der Geiseln | |
und fordern Neuwahlen. Der internationale Druck für eine Zweistaatenlösung | |
steigt. | |
Schriftstellerin übers Jüdischsein: „Man spaltet sich jeden Tag“ | |
Die Schriftstellerin Mirna Funk lebt in Berlin und Tel Aviv. Ein Gespräch | |
übers Jüdischsein in Deutschland vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. | |
Deutsche Waffenlieferungen: Solidarität mit welchem Israel? | |
Deutschland beliefert Israel mit immer mehr Waffen – das verlängert den | |
blutigen Krieg unnötig. Die militärische Unterstützung Netanjahus ist | |
falsch. | |
Krieg in Nahost: Zehn Mal mehr Waffen für Israel | |
Deutschland will Panzermunition an Israel liefern. Die Linke solidarisiert | |
sich mit Israels Friedensbewegung und fordert einen Waffenstillstand. | |
Medikamente für Gaza: Billiger Deal für die Hamas | |
Die Strategie der israelischen Regierung ist gescheitert, das Abkommen nur | |
ein Versuch, darüber hinwegzutäuschen. | |
Völkermordklage gegen Israel in Den Haag: Täter sind schlechte Richter | |
In Südafrika und Namibia ist man über Deutschlands Arroganz irritiert. Der | |
deutsche Zeigefinger zeigt sich von seiner hässlichen Seite. | |
Reporter ohne Grenzen über Gaza-Krieg: „Das Fenster nach Gaza“ | |
Gaza ist zum tödlichsten Kriegsort für Journalisten geworden. Die „Reporter | |
ohne Grenzen“ wollen, dass jeder Tod genau untersucht wird. | |
Geschichte der Hamas: Herrschaft mit Geheimstrukturen | |
Wie die Terrororganisation 1987 gegründet wurde, sich vor wenigen Jahren | |
ein überraschendes neues Programm gab und es nun zum Angriff auf Israel | |
kam. |