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# taz.de -- Internationaler Gerichtshof: Kein Ende der Kämpfe in Gaza
> Der Internationale Gerichtshof weist den Antrag auf Einstellung der
> Angriffe ab. Israel müsse aber Maßnahmen ergreifen, um einen Genozid zu
> vermeiden.
Bild: Israels Militäroperation in Gaza darf weitergehen, aber die Soldaten sol…
Den Haag/Ramallah/Berlin taz | In einer ersten [1][Entscheidung] zum
israelischen militärischen Vorgehen in Gaza hat der Internationale
Gerichtshof (IGH) in Den Haag nicht, wie von Südafrika erhofft, Israel zu
einer sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen aufgefordert. Der
Gerichtshof ordnete allerdings an, Israel müsse „alles in seiner Macht
Stehende“ tun, um einen Völkermord in Gaza zu verhindern.
Das höchste UN-Gericht erklärte sich zudem für zuständig, über Südafrikas
Klage, Israel begehe in Gaza einen Völkermord, zu entscheiden.
Die Sofortmaßnahmen, die das 17-köpfige richterliche Gremium beinahe
einstimmig beschloss, sollen die Leben von Palästinenser*innen in
Gaza schützen, so Joan Donoghue, die Präsidentin. Konkret hat Israel nun
dafür Sorge zu tragen, dass seine Militärs keine Taten begehen, die unter
die Genozid-Konvention der Vereinten Nationen fallen. Weiterhin muss das
Land Maßnahmen ergreifen, einen Genozid sowie den Aufruf dazu verhindern
und bestrafen und die humanitäre Situation in Gaza verbessern. Innerhalb
eines Monats muss der Gerichtshof über die ergriffenen Schritte
unterrichtet werden, der diese dann Südafrika vorlegen wird.
An die Adresse der Hamas richtete der IGH den Aufruf, die [2][verbliebenen
israelischen Geiseln „sofort und bedingungslos“] freizulassen.
## Südafrika ist zufrieden
Das Urteil ist bindend, allerdings verfügt der Gerichtshof nicht über
Mittel, es auch durchzusetzen. Indem er Israel über das Umsetzen der
Maßnahmen rechenschaftspflichtig macht, verleiht er dem Urteil dennoch
Nachdruck. Die südafrikanische Regierung zeigte sich darüber zufrieden und
sprach in einem Statement von einem „überzeugenden Sieg für das
internationale Recht und einem Meilenstein auf Suche nach Gerechtigkeit für
das palästinensische Volk“.
Bis zu einem endgültigen Urteil des Gerichtshofs dürften mehrere Jahre
vergehen. Begonnen hatte der Prozess vor zwei Wochen mit der Präsentation
der südafrikanischen Anklageschrift. Diese wirft Israel Genozid vor –
aufgrund von „angedrohten, angewendeten, geduldeten, unternommenen sowie
aktuell ausgeführten Handlungen gegen das palästinensische Volk in der
Folge der Angriffe in Israel am 7. Oktober 2023“. Israel beruft sich
dagegen auf sein Recht zur Selbstverteidigung und betont, die Massaker der
Hamas gegen israelische Zivilist*innen erfüllten den Tatbestand des
Völkermords.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte in ihrer Reaktion
auf das Urteil am Freitag, dass auch die Hamas an das humanitäre
Völkerrecht gebunden sei und endlich alle Geiseln freilassen müsse. „Das
werden wir mit aller Kraft unterstützen, ebenso die angeordnete Maßnahme an
Israel, dringend mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen“, erklärte
Baerbock. Die vorläufigen Maßnahmen seien völkerrechtlich verbindlich.
„Daran muss sich Israel halten.“
Ungewöhnlich scharf hatte sich Baerbock bereits zu Angriffen des
israelischen Militärs auf Khan Yunis geäußert. „Auch beim Recht auf
Selbstverteidigung gibt es Regeln und auch beim Kampf gegen Terroristen
gilt das humanitäre Völkerrecht“, so Baerbock. Erneut forderte sie Israel
auf, mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen – und ihre Militärstrategie
anzupassen. Die Menschen könnten sich nicht einfach in Luft auflösen.
„Deswegen reicht ein Aufruf zum Verlassen dieser Orte nicht, sondern es
braucht endlich eine humanitäre Feuerpause – auch damit endlich alle
Geiseln freigelassen werden.“ Bereits Anfang Januar hatte Baerbock bei
einem Besuch am [3][ägyptisch-israelischen Grenzübergang Rafah] Israel
aufgefordert, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen.
## Enttäuschung in Ramallah
Wie schon bei der Eröffnung des Verfahrens waren vor dem Gerichtsgebäude
Demonstrant*innen beider Gruppen präsent und verfolgten das Geschehen
jeweils auf eigenen Bildschirmen. Auf palästinensischer Seite zeigte sich
Sprecherin Nadia Slimi zuversichtlich, dass das Urteil Gerechtigkeit für
die Menschen in Gaza bringen würde. Eine Straßenecke weiter fand eine
proisraelische Kundgebung statt. Dort kommentierte der Rotterdamer Nico van
Noordt: „Ein Konflikt, bei der die eine Seite dich töten will, du aber
leben willst, ist nicht zu lösen, denn du kannst nicht halb leben.“
In den Städten des Westjordanlands, in Jerusalem und Israel waren die
Straßen während der Verkündung des Richterspruchs menschenleer. Wegen
starker Regenfälle, einer Kältewelle und dem Beginn des Wochenendes waren
die auf palästinensischer Seite geplanten Solidaritätsveranstaltungen
ausgefallen. Nur in der Stadthalle von Ramallah hatten sich einige hundert
Gäste eingefunden, um unter dem Titel „Danke, Südafrika“ einer
Liveübertragung aus Den Haag zu folgen.
Viele sind enttäuscht, dass die Richter in Den Haag [4][keinen
Waffenstillstand fordern]. „Ich denke angesichts der Kälte an die Familien
in Gaza“, sagt die Studentin Abla Saleh, die aus einem Vorort von Jerusalem
nach Ramallah gekommen ist. „Nur 80 Kilometer von hier hungern sie in
selbstgebauten Zelten und in diesem Moment fallen Bomben.“
Für viele Palästinenser ist allerdings schon die Tatsache, dass in Den Haag
über das Vorgehen Israels verhandelt wurde, ein Erfolg. „Mir ist klar, dass
Netanjahu einen Waffenstillstand nicht anerkannt hätte“, sagt Shatah
Hanaysha, eine Journalistin. Aber der durch das Urteil steigende Druck der
internationalen Gemeinschaft könne wenigstens die derzeitige Eskalation im
Westjordanland stoppen, hofft die 26-Jährige.
„Ich wünsche mir, dass sich durch die zukünftige Überwachung durch das
Gericht die Lage langsam beruhigt“, sagt Mohammad Al-Liftawi, ein Händler
aus der Altstadt von Jerusalem. „Ohne Touristen sind wir bald pleite“,
warnt er. „Dann wird neben dem Genozid in Gaza auch noch die Lage im
Westjordanland explodieren.“
26 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20240126-o…
[2] /Protest-in-Israel/!5984711
[3] /Drei-Monate-Israel-Gaza-Krieg/!5984870
[4] /Naher-Osten/!5982738
## AUTOREN
Tobias Müller
Mirco Keilberth
Tanja Tricarico
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