# taz.de -- Kritik an Deutschlands Israel-Politik: Strafanzeige gegen die Regie… | |
> „Beihilfe zum Völkermord“ in Gaza wirft eine Gruppe deutscher | |
> Jurist*innen unter anderem dem Kanzler vor. Die Aussichten sind | |
> allerdings gering. | |
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz und Israels Präsident Izchak Herzog bei der M�… | |
FREIBURG taz | Der neue Generalbundesanwalt Jens Rommel, der an diesem | |
Montag in Karlsruhe ernannt wird, muss sich gleich mit dem Gaza-Krieg | |
beschäftigen. Ende Februar ging bei der Bundesanwaltschaft eine | |
Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen „Beihilfe zum | |
Völkermord“ ein. Sie stammt von einer Gruppe Berliner | |
Rechtsanwält:innen um Nadija Samour und von der Rechtsprofessorin Nora | |
Salem, die an der Deutschen Universität Kairo lehrt. | |
Die Anzeige richtet sich gegen die neun Mitglieder des | |
Bundessicherheitsrats, der auch über Rüstungsexporte entscheidet. Neben | |
Kanzler Olaf Scholz (SPD) gehören dem Gremium etwa Außenministerin Annalena | |
Baerbock (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) an. Konkret wird | |
ihnen vorgeworfen, dass im Jahr 2023 Rüstungsexporte im Wert von über 300 | |
Millionen Euro an Israel genehmigt wurden, Deutschland [1][seine Zahlungen | |
an das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) ausgesetzt hat] und Israels | |
Vorgehen durch Solidaritätsbekundungen politisch unterstützt wurde. Dies | |
sei strafbar, weil es Beihilfe zu einem Völkermord Israels in Gaza sei. | |
Die Jurist:innen berufen sich dabei auf eine [2][Eilentscheidung des | |
Internationalen Gerichtshofs (IGH)] in Den Haag von Ende Januar. Darin | |
wurde die Möglichkeit eines Völkermords in Gaza für „plausibel“ erklärt; | |
Israel wurde aufgefordert, Genozidhandlungen seiner Armee zu verhindern. | |
Ob in Gaza wirklich ein Völkermord geschieht, ist äußerst umstritten und | |
wird auch vom IGH erst im Hauptverfahren geklärt. Entscheidend ist, ob | |
Israel die Intention hat, die Palästinenser:innen in Gaza als Gruppe | |
auszulöschen. Israel bestreitet dies; man bekämpfe nur die Hamas, die aber | |
die palästinensische Zivilbevölkerung als Schutzschild missbrauche. Der IGH | |
hielt den von Südafrika erhobenen Vorwurf zumindest für plausibel, weil es | |
entsprechend zu verstehende Äußerungen des moderaten Präsidenten Izchak | |
Herzog und der Likud-Minister Joav Galant und Israel Katz gab. | |
## Reicht ein Anfangsverdacht? | |
Die Strafanzeige verweist darauf, dass für ein deutsches | |
Ermittlungsverfahren ein Anfangsverdacht genüge. Vermutlich wird sich die | |
Bundesanwaltschaft aber nicht in die Frage eines Völkermords einmischen, | |
sondern auf die angeführten Beihilfehandlungen der Regierungsmitglieder | |
konzentrieren. | |
Hier ist die Argumentation der Strafanzeige eher schwach. So gibt es darin | |
keinen Hinweis darauf, dass die genehmigten Waffen bereits geliefert | |
wurden. Mit ungelieferten Waffen kann die Armee aber niemanden töten. Die | |
Genehmigung neuer Mittel für das UNRWA hatte Deutschland auch nicht | |
ausgesetzt, um die Not der Palästinenser:innen zu vergrößern, sondern | |
weil wohl [3][UNRWA-Mitarbeiter am Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober | |
beteiligt] waren. Als Ersatz hat die Bundesregierung die Mittel für das | |
Rote Kreuz erhöht. | |
Auch der Vorwurf der psychischen Beihilfe zum Völkermord dürfte nicht | |
überzeugen: Neben Solidaritätsbekundungen gab es immer auch Versuche, | |
mäßigend auf Israel einzuwirken. | |
Es wird also voraussichtlich weder ein Ermittlungsverfahren noch eine | |
Anklage wegen Beihilfe zum Völkermord geben. | |
3 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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