# taz.de -- UN-Gericht zu Israels Militäreinsatz: IGH verlangt Einsatz-Stopp i… | |
> Der Internationale Gerichtshof urteilt, Israel müsse die Militäroffensive | |
> in Rafah unmittelbar abbrechen. Und: Die Hamas solle die Geiseln sofort | |
> freilassen. | |
Bild: Richter betreten am Freitag den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, … | |
DEN HAAG taz/rtr | Israel muss seine Militäroffensive in Rafah unmittelbar | |
stoppen. Das entschied der Internationale Gerichtshof (IGH) am Freitag mit | |
13 zu zwei Stimmen. Grund dafür sei die „katastrophale humanitäre | |
Situation“ in der Stadt im Süden des Gazastreifens, die sich seit Beginn | |
der Offensive am 7. Mai weiter verschlechtert habe. | |
Weiterhin muss Israel die humanitären Bedingungen verbessern und den | |
Gazastreifen für Untersuchungsmissionen zugänglich machen, die vor Ort zu | |
[1][den von Südafrika erhobenen Völkermord-Vorwürfen] ermitteln wollen. | |
Über die ergriffenen Maßnahmen muss die israelische Regierung innerhalb | |
eines Monats einen Bericht vorlegen. | |
Der IGH äußerte außerdem seine „tiefe Besorgnis“ über das Schicksal der | |
[2][von der Hamas am 7. Oktober entführten Geiseln], von denen „viele noch | |
immer in Gefangenschaft“ seien, und forderte ihre sofortige Freilassung. | |
Israels Finanzminister Besalel Smotrich erklärte in einer ersten Reaktion, | |
wer Israel zum Ende des Krieges auffordere, fordere das Land zum Ende | |
seiner Existenz auf. Dem werde Israel nicht zustimmen. Die | |
radikalislamische Hamas begrüßte die Entscheidung, nannte sie jedoch nicht | |
ausreichend. Israel müsse die gesamte Offensive in Gaza beenden. | |
## Urteil markiert Wendepunkt des IGH | |
Die Entscheidung des den Vereinten Nationen unterstellten Gerichts bedeutet | |
einen Wendepunkt: Bislang sah das Gericht es als ausreichend an, Israel zu | |
humanitären Ad-hoc-Maßnahmen zu verpflichten. Diese seien aber „nicht | |
identisch“ mit jenen, die in der deutlich verschlechterten Situation | |
benötigt würden, so die Urteilsbegründung. | |
Vor dem Gerichtshof waren im Vergleich zu anderen Anlässen der letzten | |
Monate nur wenige handvoll Demonstrant*innen versammelt. Eine Frau gab | |
sich auf einem selbst gemaltem Schild als „jüdische Stimme für ein freies | |
Palästina“ zu erkennen, andere Schilder trugen Aufschriften wie „Niemand | |
ist frei, solange Palästina nicht frei ist“. | |
Das internationale Recht ist seit Jahresbeginn zu einem immer wichtigeren | |
Nebenschauplatz des Nahostkriegs geworden. Der ebenfalls in Den Haag | |
angesiedelte Internationale Strafgerichtshof (IStGH) soll nach dem Willen | |
des Chefanklägers Karim Khan [3][Haftbefehle gegen den israelischen Premier | |
Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joaw Gallant | |
beantragen, ebenso wie gegen die drei Hamas-Führer Jahia Sinwar, Mohammed | |
Diab Ibrahim al-Masri und Ismail Hanijeh]. Alle sollen demnach wegen | |
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. | |
Noch einflussreicher ist derweil die bereits im Dezember eingereichte Klage | |
Südafrikas gegen Israel vor dem IGH, die seit der Anhörung beider Seiten im | |
Januar die internationale Sicht auf den Krieg stark beeinflusst hat. | |
Damals standen sich zudem Hunderte Demonstrant*innen mit | |
palästinensischen und israelischen Fahnen vor dem Gerichtsgebäude | |
gegenüber. Auf palästinensischer Seite kamen zahlreiche Aktivist*innen | |
aus den Nachbarländern, auf israelischer jüdische Bürger*innen und | |
Unterstützer*innen aus dem ganzen Land, aber auch Israelis, die in den | |
Niederlanden wohnen, sowie Angehörige der von der Hamas entführten Geiseln. | |
## Hauptverfahren dürfte noch Jahre dauern | |
Während das Hauptverfahren sich über Jahre hinziehen dürfte, schlugen vor | |
allem die Eilanträge Südafrikas immer wieder Wellen. Bereits im Januar | |
verfügte das Gericht, Israel müsse Maßnahmen ergreifen, um einen möglichen | |
Genozid zu verhindern, und u.a. den Zugang zu humanitärer Hilfe verbessern. | |
Das ebenfalls geforderte Ende des militärischen Vorgehens lehnte es dagegen | |
ab. Gleiches gilt für eine erneute Initiative im Februar. Wegen der damals | |
bevorstehenden Offensive in Rafah solle Israel mehr Maßnahmen ergreifen, | |
wozu das Tribunal freilich noch keinen Anlass sah. | |
Anders fiel das Urteil auf einen erneuten Antrag im März aus, den Südafrika | |
mit der erheblichen Verschlechterung der humanitären Lage begründete: | |
Diesem gab der IGH statt und legte Israel auf, die humanitäre Hilfe zu | |
verbessern, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen lassen und mehr | |
Grenzübergänge zu öffnen, um Nahrungsmittel und Medikamente einführen zu | |
können. Innerhalb der Richter nahm in den letzten Monaten die Unterstützung | |
zu, einen sofortigen Waffenstillstand zu verfügen. | |
[4][Abgelehnt wurde im April eine weitere Klage Nicaraguas gegen | |
Deutschland] wegen vermeintlicher Beihilfe zum Genozid. Beschlüsse des IGH | |
sind bindend, allerdings verfügt das Tribunal über keine Autorität, diese | |
umzusetzen. | |
## Urteil beeinflusst öffentliche Meinung | |
Umso bedeutender ist der Einfluss auf die internationale öffentliche | |
Meinung – deutlichstes Indiz dafür ist die Tatsache, dass ein | |
vermeintlicher Völkermord noch lange nicht festgestellt ist. In den | |
Diskursen zahlreicher Länder hat sich die Sichtweise, dass Israel in Gaza | |
einen Völkermord begehe, aber trotzdem bereits als Selbstverständlichkeit | |
etabliert. | |
Der IGH ist das höchste Rechtsorgan der Vereinten Nationen. Der 1945 nach | |
dem Zweiten Weltkrieg gegründete Gerichtshof befasst sich mit | |
Streitigkeiten zwischen Staaten. Er hat keine Möglichkeit, seine Urteile | |
durchzusetzen. Der IGH unterscheidet sich vom Internationalen | |
Strafgerichtshof (IStGH). Dieser behandelt Fälle von [5][Kriegsverbrechen, | |
die Einzelpersonen vorgeworfen werden]. | |
24 May 2024 | |
## LINKS | |
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[2] /Israel-nach-dem-7-Oktober/!6009265 | |
[3] /Den-Haag-zum-Gazakrieg/!6009842 | |
[4] /Nicaraguas-Klage-vor-dem-IGH/!6008057 | |
[5] /Klage-gegen-die-Fuehrung-der-Hamas/!5992453 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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