| # taz.de -- Studie zu CO₂-Emissionen: Fürs Erste weniger ausgestoßen | |
| > Weniger Strom aus Kohle, schwächelnde Industrie: Deutschlands Emissionen | |
| > sinken 2023 auf ein Rekordtief. Das zeigt eine Studie von Agora | |
| > Energiewende. | |
| Bild: Schön ist’s, wenn der Wind weht: Windkraft und Solaranlage in Büttel,… | |
| Berlin dpa | Deutschland hat im vergangenen Jahr nach vorläufigen | |
| Berechnungen von Agora Energiewende so wenig Treibhausgase ausgestoßen wie | |
| seit sieben Jahrzehnten nicht mehr. Demnach ist der CO2-Ausstoß gegenüber | |
| dem Vorjahr um 73 Millionen Tonnen auf insgesamt 673 Millionen Tonnen | |
| gesunken. | |
| „Die Emissionen haben 2023 den tiefsten Stand seit den 1950er Jahren | |
| erreicht. Gleichzeitig handelt es sich um den größten Rückgang von Jahr zu | |
| Jahr in diesem Zeitraum“, sagte der Deutschland-Direktor von Agora | |
| Energiewende, Simon Müller. Allerdings: Einen dauerhaften Erfolg für den | |
| Klimaschutz stellt das Rekordjahr wahrscheinlich nicht dar, so die Bilanz | |
| der Studie unter dem Titel „Die Energiewende in Deutschland: Stand der | |
| Dinge 2023“. | |
| ## Warum die Emissionen gesunken sind | |
| Nur rund 15 Prozent des Rückgangs führen die Autoren auf dauerhafte | |
| Einsparungen zum Beispiel durch den Ausbau erneuerbarer Energien, eine | |
| effizientere Nutzung von Energie und den Umstieg auf klimafreundlichere | |
| Brennstoffe zurück. Etwa die Hälfte geht demnach auf kurzfristige Effekte | |
| wie den geringeren Stromverbrauch zurück. | |
| Die niedrigeren Emissionen liegen auch am Schwächeln der deutschen | |
| Industrie: Insbesondere die Produktion der energieintensiven Industrie | |
| brach ein. „Der krisenbedingte Produktionseinbruch schwächt den | |
| Industriestandort Deutschland. Wenn in der Folge Emissionen lediglich ins | |
| Ausland verlagert werden, ist auch für das Klima nichts gewonnen“, betonte | |
| Müller. | |
| Hauptgrund für die bessere Klimabilanz ist laut Agora aber, dass im | |
| vergangenen Jahr weniger Strom aus dem klimaschädlichen Verbrennen von | |
| Kohle gewonnen wurde. Die Emissionen aus der Stromerzeugung sanken demnach | |
| um 46 Millionen auf 177 Millionen Tonnen CO2 und haben sich damit im | |
| Vergleich zu 1990 mehr als halbiert. | |
| Dass weniger Kohle verstromt wurde, habe am preisbedingten Rückgang beim | |
| Stromverbrauch um 3,9 Prozent gegenüber 2022 gelegen. Infolge der | |
| Ukraine-Krise waren die Energiepreise gestiegen. Dazu habe es ein starkes | |
| Jahr für Strom aus erneuerbaren Energien gegeben, so die Studienautoren. | |
| ## Solar boomt, Wind ist aber nicht auf Kurs | |
| Der [1][Ausbau der Solarkraft] erreichte laut Agora im vergangenen Jahr | |
| Höchstwerte: 14,4 Gigawatt an Leistung kamen neu hinzu, 6,2 Gigawatt (GW) | |
| mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2012. Obwohl es weniger Sonnenstunden | |
| gab als im Vorjahr, stieg die erzeugte Strommenge. Die Bundesregierung | |
| strebt eine installierte Leistung von 215 GW bei Photovoltaik bis 2030 an, | |
| für 2023 geht Agora von 81,9 GW aus. | |
| Solaranlagen entstehen selbst dann, wenn es kein Geld vom Staat gab: 9 | |
| Prozent der zugebauten Solarkapazität auf Freiflächen wurde nach Angaben | |
| der Denkfabrik außerhalb von EEG-Ausschreibungen und damit ohne staatliche | |
| Förderung gebaut. | |
| „Wir sind in diesem Bereich auf Kurs für die Klimaziele 2030“, sagte | |
| Müller. „Voraussetzung, dass das so bleibt, sind der Ausbau und die | |
| Digitalisierung der Verteilnetze.“ Bis 2030 will die Bundesregierung den | |
| Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. | |
| Windräder produzierten der Studie zufolge dank günstigen Wetters und eines | |
| leichten Zubaus mit 138 Terawattstunden (TWh) 2023 mehr Strom als die | |
| deutschen Kohlekraftwerke mit 132 TWh. Der Zuwachs an Erzeugungskapazität | |
| fiel mit einem Plus von 2,9 GW bei Wind an Land aber viel zu gering aus, um | |
| das Ziel der Bundesregierung einer installierten Leistung von rund 115 GW | |
| bis 2030 zu schaffen. „Das liegt auch an im Vergleich zur Solarkraft | |
| deutlich komplizierteren Genehmigungsverfahren“, stellte Müller fest. | |
| Allerdings stiegen die Genehmigungen für Windräder an Land deutlich. | |
| ## Sorgenkinder Gebäude und Verkehr | |
| [2][Emissionen im Gebäudesektor] sanken den Berechnungen zufolge nur um 3 | |
| Millionen auf 109 Millionen Tonnen CO2. Das habe vor allem am geringeren | |
| Heizbedarf wegen milder Witterung gelegen. Der Sektor verfehlte seine | |
| Klimaziele auf dem Pfad zur Erreichung des Ziels für 2030 um ganze 8 | |
| Millionen Tonnen. | |
| Auch der [3][Verkehrssektor hat demnach erneut das im Klimaschutzgesetz | |
| festgelegte Ziel verfehlt]. Hier sind die Emissionen laut Agora ebenfalls | |
| um 3 Millionen auf 145 Millionen Tonnen CO2 gegenüber dem Vorjahr gesunken. | |
| Das sind 12 Millionen Tonnen über dem aktuellen Zielpfad. Der Anteil von | |
| Elektroautos an den Neuzulassungen stagnierte. | |
| Verfehlung von EU-Klimazielen könnte teuer werden | |
| Deutschland hat sich gemeinsam mit den anderen EU-Staaten auch Ziele zur | |
| Minderung von Treibhausgasen für den Zeitraum 2021 bis 2030 gesetzt. | |
| Betroffen sind Bereiche, die nicht Teil des europäischen Emissionshandels | |
| sind, also Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall sowie Teile des | |
| Industriesektors. | |
| Auch das Umweltbundesamt sah hier bis 2030 eine erhebliche Lücke voraus. | |
| Deutschland müsste dann von anderen EU-Ländern Rechte zum Ausstoß von | |
| Treibhausgasen kaufen oder ein Vertragsverletzungsverfahren der | |
| EU-Kommission mit möglichen Strafzahlungen riskieren. „Wenn Deutschland | |
| beim Klimaschutz in Gebäuden und Verkehr nicht vorankommt, drohen | |
| Deutschland Kosten in Milliardenhöhe“, warnte Müller. | |
| ## Nach Haushaltsurteil: Förderung ungewiss | |
| Wie genau es mit dem klimafreundlichen Umbau der deutschen Wirtschaft | |
| weitergeht, ist nach dem [4][Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts] | |
| unklar. Die Einigung der Bundesregierung auf den Haushalt des kommenden | |
| Jahres sichere zwar wesentliche Elemente, so Agora. „Es mangelt jedoch | |
| weiter an einem Konzept zur mittel- und langfristigen Finanzierung | |
| notwendiger Investitionen.“ Müller mahnte: „Auch Nicht-Handeln verursacht | |
| Kosten.“ | |
| 4 Jan 2024 | |
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