| # taz.de -- Debatte um Böllerverbot: Krachende Klassenpolitik | |
| > Die jährliche Diskussion übers Böllern offenbart konservative | |
| > Befindlichkeiten: Verbote sind nur okay, wenn sie nicht die eigene | |
| > Klientel treffen. | |
| Bild: So sicher wie das Amen in der Kirche wird es auch im nächsten Jahr eine … | |
| Bei der jährlich wiederkehrenden Debatte über das Böllerverbot gibt es | |
| selten Überraschungen. Sämtliche Argumente der | |
| Verbotsbefürworter:innen (Klima, Verletzungen, arme Tiere, geht mir | |
| auf die Nerven) und [1][der Böller-Freunde] (macht Spaß, machen wir schon | |
| immer so, muss das denn auch noch verboten werden) sind schon tausendmal | |
| ausgetauscht. Am Ende bleibt das Böllern erlaubt. | |
| Doch etwas ist anders in diesem Jahr: Während Forderungen nach einem Ende | |
| der Knallerei bisher vor allem aus dem linksliberalen Lager kamen, fordern | |
| nun auch immer mehr konservative Stimmen ein Verbot. Grund sind die | |
| [2][Ausschreitungen in der vergangenen Silvesternacht], bei der Jugendliche | |
| wiederholt Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern attackierten. | |
| So wiederholte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zum Jahresende ihre | |
| Forderung nach einem bundesweiten Böllerverbot, um die Einsatzkräfte zu | |
| entlasten. „Wir können nicht jedes Jahr die gleiche ergebnislose Leier | |
| spielen, wenn das Leben von Menschen durch frei verkäufliche Pyrotechnik | |
| gefährdet wird“, heißt es in einer schon Anfang des Jahres gestarteten | |
| Petition. | |
| Spätestens jetzt, könnte man meinen, ist das Böllerverbot beschlossene | |
| Sache. Denn erwartungsgemäß lockten alle Bedenken gegenüber Umwelt und | |
| Klima nur wenige Konservative hinter dem Ofen hervor. Recht, Ordnung und | |
| das Wohlergehen der Polizei hingegen sind urkonservative Anliegen. Oder | |
| nicht? | |
| Doch für die Berliner CDU ist ein Böllerverbot weiterhin kein Thema. Ihr | |
| innenpolitischer Sprecher Burkard Dregger verwies in einem rbb-Interview | |
| lediglich auf die fehlende Kompetenz Berlins, ein flächendeckendes Verbot | |
| umzusetzen. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner spricht sich bei | |
| jeder Gelegenheit gegen ein Böllerverbot aus. | |
| ## Verräterische Debatte | |
| Stattdessen setzt die CDU auf lokal begrenzte Verbotszonen, die mit einem | |
| martialischen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden sollen. Fast schon | |
| genüsslich kündigte Dregger am Mittwoch den Einsatz von „Wasserwerfern, | |
| Schlagstöcken und Reizgas“ an. Auch Präventivgewahrsam soll es geben. | |
| Ein weitverbreitetes Missverständnis ist, dass es Konservativen wie der | |
| Berliner CDU um die Durchsetzung von „law and order“, also Recht und | |
| Ordnung ginge. Vielmehr offenbart die Debatte das eigentliche Wesen | |
| konservativer Politik: Die Privilegien des Kernklientels | |
| aufrechtzuerhalten, die unteren Klassen unten zu halten und | |
| gesellschaftliche Minderheiten auszugrenzen. Alles andere ist ideologisches | |
| Beiwerk. | |
| Ein flächendeckendes Böllerverbot, dass sowohl dem Spandauer | |
| Eigenheimbesitzer als auch den Jugendlichen in der High-Deck-Siedlung | |
| trifft, passt da natürlich nicht ins Konzept. Polizeiliche Maßnahmen und | |
| lokale Verbotszonen hingegen schon, weil sie vor allem auf arme und | |
| migrantische Menschen abzielen. | |
| Das erklärt auch, warum die GdP bei der CDU mit ihrer Forderung auf taube | |
| Ohren stößt. Denn die Rolle der Polizei in diesem konservativen Spielbuch | |
| ist nicht etwa die Sicherung der öffentlichen Ordnung, sondern die | |
| Aufrechterhaltung der [3][Klassenverhältnisse]. | |
| 29 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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