Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Arzt über Feuerwerksverletzungen: „Eine Handvoll pro Silvester“
> Zu Jan Cruse kommen zu Silvester viele Patienten. Er ist Chirurg in
> Hamburg. Ein Gespräch über Feuerwerksverletzungen und das medizinisch
> Machbare.
Bild: Hände leben an Silvester gefährlich
wochentaz: Herr Cruse, wie oft kommen bei Ihnen Patienten auf den
Operationstisch, die sich mit einem sogenannten Polenböller die Hand
verletzt haben?
Jan Cruse: Gottseidank wird es weniger. Ich würde sagen, eine Handvoll pro
Silvester.
Geschieht das nur um Silvester herum oder das ganze Jahr über?
Eigentlich nur um Silvester herum. Es gibt aber eine ähnliche Verletzung
durch Wühlmausfallen, die ebenfalls Sprengkörper enthalten. Die kommt
häufiger im Jahr vor.
Was sind die typischen Verletzungen, die durch solche Explosionen
hervorgerufen werden?
Es gibt dabei verschiedene Mechanismen: Die Druckwelle zerreißt das Gewebe,
dann gibt es den Schmauch, also Verbrennungsrückstände der Sprengstoffs im
Gewebe, und Verbrennungen. Dass mehrere Faktoren auf die Hand einwirken,
macht diese Verletzungen so gefährlich und so schwierig zu behandeln.
Wie viel schlimmer sind die Verletzungen durch sogenannte Polenböller im
Vergleich zu den hierzulande zugelassenen Sprengkörpern?
Von Polenböllern zu sprechen, finde ich immer furchtbar. Die Böller, um die
es dabei geht, sind völlig unreglementiert und heftiger. Sie können eine
ganze Hand zerreißen.
Sie sprachen von der Schwierigkeit, solche Verletzungen zu behandeln. Wie
läuft das ab?
Der Patient kommt mit dem Rettungswagen in die Notaufnahme. Dort muss man
eine Bestandserhebung machen. Was ist verletzt? Was ist zu rekonstruieren
und was ist zu erhalten? Dann kommt der Patient in den OP. Dort wird alles
nicht lebendige Gewebe entfernt und aus dem Rest müssen Sie dann
langfristig wieder eine Hand konstruieren. Genauer gesagt, wird eine
Funktion der Hand rekonstruiert. Drastisches Beispiel: Sie können sich den
Daumen und den Zeigefinger absprengen. Dann kann man mittelfristig den
Mittelfinger auf die Position des Daumens bringen, damit Sie wieder greifen
können. Da ist die Kreativität desjenigen gefragt, der die Versorgung
machen muss.
Es geht wohl auch um Hauttransplantation.
Haut oder gestielte Lappen, also Gewebe mit den versorgenden Blutgefäßen,
die man zur Deckung braucht.
Und die nimmt man von anderswo am Körper?
Sie können von der Schulter oder vom Oberschenkel zum Beispiel ein
Hautareal entnehmen, das an eine Arterie gestielt ist, und anschließen. Sie
können auch einen Knochen transplantieren. Das ist alles möglich. Wichtig
ist die ausreichende Erstversorgung. Wenn Sie es nicht suffizient bei der
ersten Operation machen, dann müssen Sie immer wieder korrigieren und
säubern.
Wie viel Zeit darf vergehen zwischen dem Unfall und der Versorgung?
Es geistern immer diese 6 Stunden herum, aber wenn der Patient nach 12 oder
24 Stunden kommt, müssen Sie ihn ja auch versorgen.
Und dann hat er auch noch eine Chance?
Ja.
Wie stehen die Chancen auf eine vollständige Wiederherstelllung?
Das hängt mit der Schwere der Verletzung zusammen. Man kann das so einfach
nicht darstellen. Wichtig ist: Der Patient, der eine solche Verletzung hat,
muss ein Zentrum für Handchirurgie aufsuchen, wo man sich damit auskennt.
Die Erfahrung der Ärzte ist dabei das Entscheidende.
Wie lautet Ihr Tipp für Silvester?
Böller nicht in der Hand anzünden. Der Trend geht ja zu Batterien, die Sie
auf den Boden legen. Die klassischen Verletzungen, wie wir sie noch vor
zehn Jahren gesehen haben, sind weniger geworden. Vielleicht liegt es ja
auch an der Coronazeit, in der man nicht böllern durfte. Die Leute sind
wohl ein bisschen sensibilisiert.
31 Dec 2023
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Böller
Chirurgie
Schwerpunkt Stadtland
Böllerverbot
Silvester
Silvester
Silvester
Silvester
Silvester
## ARTIKEL ZUM THEMA
Für Silvester auf den Polenmarkt: „Digga, ich will Hokuspokus machen“
Hohenwutzen gilt als Böller-Eldorado, erreichbar per Shuttle aus Berlin.
Dort rüstet sich die Hauptstadtjugend mit Feuerwerk für Silvester aus.
Debatte um Böllerverbot: Krachende Klassenpolitik
Die jährliche Diskussion übers Böllern offenbart konservative
Befindlichkeiten: Verbote sind nur okay, wenn sie nicht die eigene Klientel
treffen.
Einsatz zur Jahreswende in Berlin: Volles Geschütz zu Silvester
Die Polizei fährt 4.500 Kräfte auf, Hubschrauber, Spürhunde und Bodycams
sind im Einsatz. Tatverdächtige sollen fünf Tage in Unterbindungsgewahrsam.
Silvester in Berlin: Den Knall gehört
In der Hauptstadt kündigt die Polizei den größten Silvestereinsatz seit
Jahrzehnten an. Sozialarbeiter*innen setzen auf Gespräche und
Kontakt.
Polizeieinsätze zu Silvester: Aufrüsten für den Jahreswechsel
Die Polizei rechnet zu Silvester erneut mit Ausschreitungen und reagiert
mit Großaufgeboten. Innenministerin Faeser warnt vor einer Terrorgefahr.
Verkaufsstart von Feuerwerk: „Wir brauchen ein Ende der Böllerei“
Die Deutsche Umwelthilfe fordert ein sofortiges Feuerwerksverbot an
Silvester. Böller seien gefährlich, führten zu Bränden und vergifteten die
Luft.
Diskussion über Böller-Verbot: Deutschland hat ’nen Knall
Nach den Ausschreitungen rund um den Jahreswechsel werden die Rufe nach
einem Verkaufsverbot für Böller lauter. Zu Recht? Ein Pro und Contra.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.