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# taz.de -- Nato-Außenminister in Brüssel: Schweden bleibt vorerst Gast
> Am Nato-Treffen kann Schweden nicht als Mitglied teilnehmen. Die Türkei
> verzögert den Beitritt. Indes baut sie ihre eigene Rüstungsindustrie aus.
Bild: Die Türkei will von den Nato-Staaten den Eurofighter – allerdings eher…
Istanbul taz | Als der türkische Präsident im Oktober dem Parlament seine
Zustimmung zum Ratifizierungsprozess des Nato-Beitritts Schwedens zusandte,
rechneten die übrigen Nato-Mitglieder damit, dass die Zustimmung des
Parlaments zügig erfolgen würde. Inhaltlich ist es sowieso nur noch eine
Formsache.
Doch es kam anders: Auch anders als von Nato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg erwartet, der damals davon ausging, Schweden beim anstehenden
Nato-Außenministertreffen als neues Mitglied begrüßen zu können. Das
Treffen findet an diesem Dienstag und Mittwoch in Brüssel statt. Doch die
Türkei hat vor wenigen Tagen offiziell mitgeteilt, dass der
Ratifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen sei.
Beobachter vermuten, dass dies nun nichts mehr mit Schweden zu tun hat,
sondern vor allem das Verhältnis der Türkei zur Nato-Führungsmacht USA und
neuerdings auch zu Deutschland betrifft. Es geht um die Modernisierung und
Instandhaltung der türkischen Luftwaffe, für die die Türkei seit längerem
neue Kampfflugzeuge in den USA und neuerdings auch Eurofighter kaufen will.
Ursprünglich war die Türkei sogar an der Entwicklung des neuesten
US-Kampfflugzeugs F-35 beteiligt und sollte über 100 Exemplare bekommen.
Das scheiterte aber daran, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Russland
moderne Flugabwehrsysteme S-400 einkaufte und die Türkei deshalb von den
Amerikanern aus dem F-35-Konsortium herausgeworfen wurde.
Als Ersatz sollten neue F-16-Kampfflieger die in die Jahre gekommenen
Flugzeuge desselben Typs ersetzen, aber auch dagegen sträubte sich eine
Mehrheit im US-Kongress. Bis heute ist eine für die Türkei positive
Entscheidung nicht in Sicht. Das wiederum hat dazu geführt, dass sich die
Türkei nun auch um Eurofighter bemüht.
Türkische Rüstungsindustrie boomt
Das wurde erstmals einer größeren Öffentlichkeit mitgeteilt, als Erdoğan am
18. November Berlin besuchte und dort mit Kanzler Scholz auch über dieses
Rüstungsprojekt sprach. Scholz äußerte sich nicht zu dem türkischen Wunsch.
Die türkische Presse berichtete aber, die beiden Mitproduzenten des
europäischen Kampfflugzeugs, Spanien und Großbritannien, hätten ihre
Zustimmung signalisiert, während Deutschland sich verweigere.
Der britische Verteidigungsminister Grand Shapps bestätigte das bei einem
Besuch in Ankara vor wenigen Tagen. Das Hin und Her um die Modernisierung
der türkischen Luftwaffe ist für Erdoğan nun der Hauptgrund, die
Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitritts weiter hinauszuzögern.
Schließlich haben sowohl die USA als auch die deutsche Regierung großes
Interesse, dass Schweden nicht länger nur Gast bei der Nato ist.
Die Debatten um Rüstungslieferungen an die Türkei innerhalb der Nato haben
aber noch eine andere Auswirkung, die bislang in Europa kaum wahrgenommen
wird: Die türkische Rüstungsindustrie boomt. Von Importen unabhängig
werden, ist schon länger des Credo Erdoğans, aber in den letzten Jahren ist
die Türkei auf diesem Weg erstaunlich weit gekommen.
Das gilt nicht nur für die Kampfdrohnen, die ja bereits weltweit ein
türkischer Exportschlager sind, sondern auch für Panzer, Kriegsschiffe und
selbst für eigene Kampfflugzeuge. „Die Sanktionen haben unsere eigene
Rüstungsindustrie enorm vorangebracht“, verkündete kürzlich auf einem
sogenannten „Technofest“ in Izmir der Chef der türkischen Rüstungsagentur,
İsmail Demir.
Die an unterschiedlichen Orten jährlich stattfindende Veranstaltung ist
nichts anderes als eine gigantische PR-Veranstaltung der Rüstungsindustrie,
wo stets mehrere Millionen Menschen die neusten Errungenschaften bestaunen.
Im kommenden Jahr soll hier erstmals ein Prototyp eines Nationalen
Kampfflugzeugs (MMU) vorgestellt werden. Erdoğan hat ankündigt, dass der
Flieger spätestens 2028 in die Produktion gehen und ein Jahr später den
Streitkräften zur Verfügung stehen soll.
Im letzten Jahr wurde bereits ein Flugzeugträger für Kampfhubschrauber
eingeweiht und im kommenden Jahr soll ein neues Großkampfschiff, auf dem
hauptsächlich Drohnen stationiert werden sollen, in Betrieb gehen. So
gesehen sind die US-amerikanischen und europäischen Kampfflugzeuge für die
Türkei nur noch eine „Brückentechnologie“, die bald durch eigene Waffen
ersetzt werden kann.
28 Nov 2023
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Nato
Eurofighter
Rüstungsindustrie
Drohnen
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