| # taz.de -- Ungeklärte Haushaltslage: Hilfeschrei der Demokratiearbeiter | |
| > Wegen der Haushaltskrise stehen bei Förderprojekten Entlassungen und | |
| > Kurzarbeit an. Auch das Gesetz zur Demokratieförderung hängt fest. | |
| Bild: „Demokratie leben“: Ohne Unterstützung wird das schwer | |
| Berlin taz | Es ist ein verzweifelter Hilferuf. Angesichts der unsicheren | |
| Haushaltslage wandten sich am Montag mehr als 30 Initiativen, die in der | |
| Demokratiearbeit tätig sind, in einem offenen Brief an die Bundesregierung, | |
| Die derzeitige Ausgabensperre habe für sie „dramatische Folgen“, erklärten | |
| sie. Habe diese Bestand, müssten viele Projekte Mitarbeitende entlassen. | |
| Einige über Jahre gewachsene Projekte müssten „für immer ihre Türen | |
| schließen“. Es drohe „das Sterben einer zivilgesellschaftlichen Landschaft… | |
| – ausgerechnet in Zeiten, in der die Demokratie „so stark bedroht wie noch | |
| nie“ sei. | |
| Weil die Ampel-Spitzen seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum | |
| Haushalt noch keine Lösung für den Etat 2024 gefunden haben, hatte | |
| Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die Geförderten [1][des | |
| Bundesprogramms „Demokratie leben!“] zuletzt informiert, dass diese fürs | |
| kommende Jahr keine neuen Zahlungsverpflichtungen eingehen dürften. Auch | |
| neue Projekte oder die Aufstockung von Maßnahmen seien vorerst nicht | |
| möglich. Mit dem Programm waren für 2024 bisher 180 Millionen Euro für rund | |
| 600 Initiativen vorgesehen. | |
| Unter den Projekten hat das massive Unruhe ausgelöst. „Wir brauchen jetzt | |
| die sofortige Freigabe der Fördermittel“, heißt es in dem offenen Brief von | |
| Initiativen wie dem Antidiskriminierungsverband, dem Kinderhilfswerk, von | |
| HateAid, Opferberatungsstellen oder Ausstiegshilfen. Nur so könne die | |
| Weiterarbeit der Projekte gesichert werden. | |
| Die unsichere Lage hat bereits jetzt Folgen. So erklärte Timo Reinfrank von | |
| der Amadeu Antonio Stiftung, dass alle Mitarbeitenden, deren Verträge zum | |
| Jahresende ausliefen, nicht weiter beschäftigt werden könnten. Für | |
| langfristig Beschäftigte werde geprüft, Kurzarbeitergeld zu beantragen – | |
| was „erhebliche Einkommensverluste“ zur Folge hätte. „Die Kolleg*innen | |
| sind völlig am Ende“, so Reinfrank zur taz. Zudem müssten alle Aktivitäten | |
| für das erste Quartal 2024 abgesagt werden. [2][„Die Koalition könnte der | |
| AfD kein größeres Weihnachtsgeschenk machen.“] | |
| ## Unsicherheiten sind im Ministerium bekannt | |
| Auch Franz Zobel von der Thüringer Opferberatungsstelle ezra erklärt, die | |
| Arbeit seiner Initiative im schlimmsten Fall zum Jahresende ganz einstellen | |
| zu müssen. Die Entscheidung falle diese Woche. Eine psychosoziale Betreuung | |
| oder Prozessbegleitung von teils schwer traumatisierten Betroffenen müsse | |
| dann „von einem Tag auf den anderen abgebrochen werden“. Um das abzuwenden, | |
| brauche es zumindest die Erteilung eines „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“. | |
| Eine Sprecherin des Familienministeriums sagte am Montag der taz, man wisse | |
| von den „erheblichen Unsicherheiten“ der Träger und Mitarbeitenden des | |
| Bundesprogramms. Man unternehme „alle Anstrengungen, um zu gewährleisten, | |
| dass die wichtige Projektarbeit im Bundesprogramm auch 2024 in gewohnter | |
| Form und ohne Unterbrechung fortgesetzt werden kann“. Sobald die Ampel sich | |
| zum Haushalt 2024 geeinigt habe, werde hier „umgehend gehandelt“. | |
| Auch der SPD-Bundesparteitag hatte am Wochenende Druck gemacht. Ein Antrag, | |
| das Programm „ohne Förderlücke“ 2024 fortzusetzen, fand dort eine Mehrheit | |
| – ebenfalls mit der Forderung nach Erteilung eines „vorzeitigen | |
| Maßnahmenbeginns“. Zugleich verhakt sich die Ampel [3][derzeit auch beim | |
| Demokratiefördergesetz]. | |
| Dazu hatten Paus und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits vor einem | |
| Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Bundestag eigentlich bis zum | |
| Sommer verabschiedet sein sollte. [4][Hier aber blockiert die FDP], die | |
| eine Wiedereinführung der umstrittenen Extremismusklausel fordert und | |
| warnt, dass mit dem Gesetz Initiativen gefördert werden könnten, die etwa | |
| legitime Kritik am Feminismus „bekämpfen“. Eine Meldung von Freitag, dass | |
| eine Einigung bei dem Gesetz gefunden wurde, entpuppte sich als verfrüht. | |
| ## Demokratiefördergesetz soll nicht länger auf Eis liegen | |
| In der SPD-Fraktion hieß es, man arbeite weiter auf eine baldige | |
| Verabschiedung hin. Das Gesetz sei angesichts der rechtsextremen | |
| Bedrohungen unerlässlich. Auch die Grüne Schahina Gambir sagte der taz, das | |
| Gesetz sei im Koalitionsvertrag vereinbart und „Demokratieförderung immer | |
| eine wichtige Aufgabe, in der derzeitigen Lage umso mehr“. Der Vorwurf, | |
| dass damit eine spezifische politische Agenda gefördert werde, sei | |
| angesichts von 600 Projekten „vollkommen unbegründet“. | |
| 12 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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