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# taz.de -- Arbeitsverhältnisse in Ostdeutschland: Mehr Mitbestimmung, weniger…
> Rechtsextreme Einstellungen nehmen signifikant ab, wenn Menschen bei der
> Arbeit mitbestimmen. Das zeigt eine neue Studie der
> Otto-Brenner-Stiftung.
Bild: Querdenker, Rechtsextremisten und Reichsbürger protestieren im Oktober i…
Berlin taz | Ein zentraler Hebelpunkt im Kampf gegen Rechtsextremismus und
antidemokratische Haltungen in [1][Ostdeutschland ist mehr Mitbestimmung]
am Arbeitsplatz. Das geht aus einer [2][Studie der Otto-Brenner-Stiftung]
hervor, die von Soziolog*innen und Psycholog*innen, unter anderem der
Universität Leipzig erarbeitet wurde.
„Es wird viel geredet über Politikverdrossenheit in Ostdeutschland.“ sagt
Andre Schmidt, einer der Co-Autoren der Studie. Mit der Studie wollen
Schmidt und seine Kolleg*innen zeigen, dass die Erfahrung im Betrieb
handeln zu können und der politische Raum zusammenhängen. „Das bedeutet,
dass Mitbestimmung und Partizipation bei der Arbeit wichtige Faktoren sind,
um Rechtsextremismus in Ostdeutschland entgegenzuwirken“, sagt Schmidt.
Besonders stark ist der Effekt laut Studie bei den Themen Ausländer- und
Muslimfeindlichkeit sowie Antisemitismus. Zum Beispiel lehnen zwei Drittel
der Befragten die Aussage „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren
Sozialstaat auszunutzen“ ab, die das Gefühl haben durch eigenes Handeln im
Job etwas zum Positiven verändern zu können.
Menschen, die sich am Arbeitsplatz nicht als fremdbestimmt erlebten,
lehnten eine rechtsautoritäre Diktatur und die Verharmlosung des
Nationalsozialismus eher ab. Fremdbestimmt bedeutet zum Beispiel, dass
Beschäftige sich bei Entscheidungen im Arbeitsalltag übergangen fühlen.
Oder, dass sie nicht das Gefühl haben, durch ihr Engagement positiv auf
ihren Arbeitsplatz wirken zu können.
## Gemischte Partizipationserfahrungen in Ostdeutschland
Letzteres erlebt etwa jede*r Fünfte der ca. 1.400 befragten, in
Ostdeutschland erwerbstätigen und lebenden Arbeitnehmer*innen. Laut Schmidt
sei das auch ein Klassenproblem. Besonders im Niedriglohnsektor arbeitende
Menschen mit geringem Bildungsstand und niedrigem Einkommen seien von
solchen „Ohnmachtserlebnissen“ betroffen.
Und ein weiteres gravierendes Problem im Sinne der Demokratie macht die
Studie deutlich: statistisch gesehen muss jede*r vierte Beschäftigte in
Ostdeutschland negative Konsequenzen befürchten, wenn offen über
Betriebsräte oder Gewerkschaften geredet wird. Dabei seien
Gewerkschaftsmitgliedschaften und ein Betriebsrat Zeichen für mehr
Mitbestimmung und wirkten damit antidemokratischen Haltungen entgegen.
Immerhin, mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich im Arbeitsalltag
nicht übergangen und mehr als zwei Drittel von ihnen berichten von
solidarischen Beziehungen zu Kolleg*innen und von Möglichkeiten,
Probleme untereinander zu klären. Damit zeigt die Studie positive
Mitbestimmungserfahrungen ostdeutscher Beschäftigter auf, trotz der im
Vergleich zu Westdeutschland eher ungünstigen Rahmenbedingungen. Ein
geringer gewerkschaftlicher Organisierungsgrad, niedrige
Betriebsrats-Dichte, eine wenig ausgeprägte Mitbestimmungskultur und
teilweise patriarchale Führungsstile prägen weite Teile der
[3][ostdeutschen Arbeitswelt]. Laut Studie besonders in Thüringen und
Sachsen.
## Kein Allheilmittel, aber wichtiger Faktor
Co-Autor Schmidt betont aber, dass Arbeitserfahrungen bei weitem nicht der
einzige Einflussfaktor für rechtsextreme Einstellungen sind. Auch die
allgemeine wirtschaftliche Lage Deutschlands sowie die gesellschaftliche
Sozialisierung der Beschäftigten spielten bei der Ausbildung von
autoritären Charakterzügen und rechtsextremen Einstellungen eine Rolle, so
Schmidt. „Entsprechend kann Mitbestimmung in der Arbeitswelt auch kein
Allheilmittel sein.“
Aber ein wichtiger Faktor. Das sagt auch Benedikt Linden von der
gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung. Er hat die Studie mitbetreut und
fordert die Politik auf, Rahmenbedingungen für den Kampf gegen
Rechtsextremismus im Sinne der Studie zu schaffen: „Man kann sich nicht
über Rechtsextreme aufregen oder Sonntagsreden über Demokratie halten und
gleichzeitig vernachlässigen, dass sich weite Teile der Arbeitswelt
demokratischer Mitbestimmung entziehen.“
Aus Lindens Sicht zeige die Studie, dass Demokratie am Arbeitsplatz zentral
ist für die politische Demokratie. Die Menschen verbringen einen großen
Teil ihrer Lebenszeit bei der Arbeit. Der Aufbau demokratischer
Mitbestimmung dort, stärkt also auch die politische Demokratie. Im
Umkehrschluss werde so deutlich, dass der Abbau von Mitbestimmung im
Betrieb, wie beispielsweise Union Busting, „auch als Angriffe auf die
Demokratie verstanden werden.“, so Linden.
## Mitbestimmung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Aber nicht nur die Politik sei gefragt. Auch für Gewerkschaften und
Betriebsräte weise die Studie auf Handlungsfelder hin. Für sie sollte die
Studie „Ansporn sein, sich weiterhin auf die Ausweitung von
Partizipationserfahrungen zu konzentrieren. Bürokratische
Stellvertreterpolitik allein hilft nicht, auch nicht in Form von
Betriebsräten“, sagt Linden über die Bedeutung von konkreten Erfahrungen
von Mitbestimmung. „Die Leute müssen sich als selbstbestimmt erleben.“
Obwohl mehr Mitbestimmung nicht im unmittelbaren Arbeitgeberinteresse
liege, erklärt Linden, mache die Studie auch klar, dass sie „kein Luxus
ist, sondern ein politischer Dienst im Sinne der Demokratie. Das sollten
auch die Arbeitgeber*innen verinnerlichen.“ Grundlage der Befragung
waren Erkenntnisse zum bundesweiten Zusammenhang von Arbeitsverhältnissen
und antidemokratischen Einstellungen, die in der [4][Leipziger
Autoritarismusstudie 2020] veröffentlicht wurden.
13 Dec 2023
## LINKS
[1] /Wahlbeteiligung-bei-Armen/!5794810
[2] https://www.otto-brenner-stiftung.de/arbeitswelt-und-demokratie-in-ostdeuts…
[3] /Niedriglohnsektor-im-Osten-groesser/!5964303
[4] /Studie-zu-rechten-Einstellungen/!5730051
## AUTOREN
Tobias Bachmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Betriebsrat
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Das Milliardenloch
Transformation
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