# taz.de -- Union Busting bei Metallbetrieb: Ende einer Schlammschlacht | |
> Das Unternehmen AMF Bruns baut Fahrzeuge behindertengerecht um. Doch geht | |
> es auch mit erfundenen Vorwürfen gegen Betriebsräte vor, beklagt IG | |
> Metall. | |
Bild: Von AMF Bruns behindertengerecht umgebautes Farhzeug vor dem Mercedes-Ben… | |
OSNABRÜCK taz | Auf die AMF Bruns GmbH & Co. KG im niedersächsischen Apen | |
ist die IG Metall Oldenburg-Wilhelmshaven überhaupt nicht gut zu sprechen: | |
„[1][Union Busting] und kein Ende“, betitelte sie Mitte 2023 eine ihrer | |
Mitteilungen über den Betrieb, der nach eigener Auskunft „europäischer | |
Marktführer und Spezialist auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik für Menschen | |
mit Behinderung“ ist – er baut jährlich tausende Fahrzeuge | |
behindertengerecht um. | |
„Schikane“ wirft die Gewerkschaft dem über 130 Mitarbeiter großen | |
Unternehmen vor, das einst zur Herstellung von Landmaschinen gegründet | |
worden war und heute neben dem Umbau von Fahrzeugen auch Geld durch die | |
Planung, Konstruktion und Montage von Fördertechnik für Schüttgüter | |
verdient. | |
Schon seit einiger Zeit führe „massives Vorgehen“ gegen die betriebliche | |
Mitbestimmung zu „Unsicherheiten im Betrieb und im Betriebsratsgremium“, | |
sagt Martina Bruse der taz, Geschäftsführerin der IG Metall | |
Oldenburg-Wilhelmshaven. Mitarbeiter seien dadurch „sehr vorsichtig bei der | |
Ausführung des Mandats“ und regelten „nur das Nötigste, um den Zorn des | |
Arbeitgebers nicht zu erregen“. | |
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht Pascal Meirose. Ende 2022 hat | |
der Betriebsrat ihn mit seiner eigenen Zustimmung vom Vorsitz abgewählt, | |
auf Anraten der Gewerkschaft. Man habe ihn „aus der Schusslinie“ nehmen | |
wollen, sagt Bruse. | |
## Kündigungsversuche, Gerichtsverfahren, Abmahnungen | |
Meirose, heute Vize-Vorsitzender des Betriebsrats, hatte die Gründung eines | |
Wirtschaftsausschusses vorangetrieben, wie ihn das | |
Betriebsverfassungsgesetz für alle Unternehmen mit mehr als 100 | |
Beschäftigten festschreibt. Nach der Ausgliederung der zentralen | |
Verwaltungsdienste und des Vertriebs in die AMF-Bruns Dienstleistungs GmbH | |
& Co. KG und die AMF-Bruns Industrial Solutions GmbH & Co. KG hatte er | |
gefordert, die Stundenkonten einzusehen, die Lohn- und Gehaltslisten. | |
„Da kam viel Widerstand“, sagt Meirose. „Auch gegen mich als Person.“ Es | |
habe Kündigungsversuche gegeben, Gerichtsverfahren, Abmahnungen. | |
Der Arbeitgeber habe signalisiert, er wolle „Ruhe einkehren“ lassen, wenn | |
Meirose innerhalb eines halben Jahres weder als Betriebsratsvorsitzender | |
noch als Mitglied des Wirtschaftsausschusses auftrete, sagt Bruse. Den | |
wolle AMF Bruns verhindern, „um keine wirtschaftlichen Daten offenlegen zu | |
müssen“, so Meirose. Als „kritisch für die Psyche“ beschreibt er den St… | |
bei AMF Bruns. „Ich habe es so empfunden, dass die Geschäftsführung | |
versucht hat, meinen Ruf zu schädigen. Aber man macht diese Arbeit ja für | |
die Kollegen, also hält man das aus. Aufgeben hieße, [2][ein Stück | |
Demokratie wegzuwerfen.“] | |
Die Liste der Vorwürfe, die AMF Bruns Meirose gemacht hat, ist lang, | |
Arbeitszeitbetrug inklusive. Mehr als 20 Verfahren umfasste der Streit | |
zwischen der Firma und ihm, sagt der Gewerkschafter. So was lähmt dich | |
natürlich. Aber das soll es ja auch.“ Sein Vorgänger im Betriebsratsvorsitz | |
habe dasselbe durchgemacht. „Das Unternehmen hat hanebüchene Vorwürfe | |
konstruiert, um unsere Arbeit zu behindern.“ | |
## Das Unternehmen widerspricht | |
„Arbeitsgerichtliche Verfahren, die sich auf eine Entfernung aus dem | |
Betrieb oder dem Betriebsrat richten“, seien „allesamt vom Arbeitgeber | |
verloren worden“, betont Bruse. „Hinsichtlich der strafrechtlichen | |
Verfahren verhält es sich bisher ähnlich.“ Alle Vorwürfe gegen Meirose und | |
seinen Vorgänger seien „eingestellt oder gar nicht erst in der Sache | |
seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt worden“. | |
AMF Bruns sieht das, damit konfrontiert, ganz anders. „Das Verhältnis von | |
Geschäftsführung und Belegschaft ist gut“, teilte Rechtsanwalt Jan Hegemann | |
im Namen des Betriebs der taz kürzlich mit. „Geschäftsführung und | |
Betriebsrat arbeiten vertrauensvoll und konstruktiv zusammen.“ Die | |
Geschäftsführung, schrieb er, „schätzt die Arbeit des Betriebsrats im | |
Rahmen der gesetzlichen Mitbestimmung“. | |
Es sei in der Tat der Wunsch der Unternehmensführung gewesen, in den | |
Auseinandersetzungen mit dem Mitarbeiter „Ruhe einkehren“ zu lassen, so | |
Hegemann. Die Zahl der Verfahren treffe „ungefähr zu“. | |
Anders als behauptet sei nicht alles juristisch im Sand verlaufen. „Nachdem | |
der Mitarbeiter einen der Geschäftsführer tätlich anging, schlug der | |
Mitarbeiter zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen den Abschluss | |
eines Vergleichs vor“, teilte Hegemann mit. Der Vergleich, vor dem | |
Arbeitsgericht Oldenburg, Ende 2022, habe ein Mediationsverfahren | |
vorgesehen. „Daneben wurde vereinbart, dass der Mitarbeiter sein Amt als | |
Betriebsratsvorsitzender für gewisse Zeit ruhen lässt und dem Betriebsrat | |
nur noch als einfaches Mitglied angehört.“ | |
Und Hegemann schiebt nach: „Daneben leugnet er die Tätlichkeit gegen einen | |
der Geschäftsführer, die den Anlass für die ihm auferlegte, akzeptierte und | |
bezahlte Geldauflage bildete.“ Ein Ermittlungsverfahren sei jüngst mit dem | |
Antrag der Staatsanwaltschaft auf Festsetzung einer Geldstrafe im | |
Strafbefehlswege abgeschlossen worden, gerichtet auf die Verhängung von 60 | |
Tagessätzen zu je 50 Euro. | |
Von Körperverletzung könne nicht die Rede sein, sagt hingegen Meirose: „Das | |
war im Betriebsratsbüro. In einem Wortwechsel über ein Hausverbot wurde der | |
Geschäftsführer laut ausfallend. Plötzlich rief er: ‚Fassen Sie mich nicht | |
an, sonst rufe ich die Polizei!‘. Ich war sprachlos, denn ich hatte gar | |
nichts gemacht.“ Meiroses Anwalt, Tino Junghans, betonte zuletzt auch auf | |
diesen Vorwurf: „Es gibt kein Verfahren, in dem die Strafbarkeit | |
festgestellt worden wäre.“ | |
## Falschaussage-Verfahren eingestellt | |
AMF Bruns-Anwalt Hegemann führte derweil noch weitere juristische Vorwürfe | |
gegen Meirose an. Neben den „überwiegend abgeschlossenen arbeitsrechtlichen | |
Auseinandersetzungen“ würden bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg und am | |
Amtsgericht Oldenburg ja auch „zwei Strafverfahren gegen den Mitarbeiter | |
geführt, jeweils wegen der Abgabe einer falschen Versicherung an Eides | |
statt“. Es handle sich um zwei Versicherungen aus dem Juli 2022 und dem | |
Juni 2023. In diesen habe der Mitarbeiter unter anderem erklärt, er sei | |
noch nie als Betriebsrat geschult worden. | |
Auch der IG Metall widersprach Hegemann vehement. Der von der IG Metall | |
auch gegenüber der Staatsanwaltschaft erhobene Schikane-Vorwurf sei „auch | |
von dieser nach neutraler Prüfung der Sach- und Rechtslage verneint“ | |
worden. Bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg habe die Gewerkschaft Anzeige | |
wegen Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder | |
gestellt. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg habe „schon das Bestehen eines | |
Anfangsverdachts verneint“, schrieb Hegemann. Zur Einleitung eines | |
Ermittlungsverfahrens sei es nicht gekommen. | |
Als Nachweis legte er ein Schreiben der Staatsanwaltschaft vor, von Mitte | |
2023. Darin heißt es: „Ebensowenig sind Tatsachen bekannt geworden, die | |
geeignet sind den Verdacht zu begründen, das die Tätigkeit des | |
Betriebsrates insgesamt oder einzelner Mitglieder durch einen | |
Geschäftsführer oder andere Mitarbeiter der AMF-Bruns GmbH & Co. KG | |
behindert, gestört oder beeinflusst worden wäre.“ | |
Am Dienstag fand vor dem Amtsgericht Oldenburg die Hauptverhandlung über | |
Meiroses angeblich falsche Eidesstattliche Versicherungen statt. „Nach der | |
Zeugenbefragung hat das Gericht die Einstellung angeregt, und die | |
Staatsanwaltschaft hat dem zugestimmt“, sagt Rechtsanwalt Junghans. Meirose | |
muss eine Geldauflage an eine gemeinnützige Organisation zahlen. „Alle | |
Verfahren sind damit beendet,“ so Junghans. Er hofft, dass „jetzt endlich | |
Ruhe einkehrt“. Meirose, seit Jahren mit Verfahren belastet, kann aufatmen. | |
Transparenzhinweis: Wir hatten den Ausgang des aktuellen Verfahrens in | |
einer früheren Fassung unvollständig berichtet. Wir haben nun eingefügt, | |
dass es gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde. In der Folge | |
ließen sich einige Bewertungen nicht mehr halten, auch den Titel haben wir | |
angepasst. | |
6 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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