| # taz.de -- Digitale Straßenzeitungen: QR-Code scannen statt Münzen suchen | |
| > Straßenzeitungen stecken in der Krise. Zwei Projekte in Deutschland und | |
| > Österreich versuchen sich an ihrem digitalen Wandel. Kann das | |
| > funktionieren? | |
| Bild: Ein „Hinz&Kunzt“-Verkäufer in Hamburg | |
| Es steht nicht gut um die [1][Straßenzeitungen in Deutschland]. In der | |
| Vorweihnachtszeit haben sie zwar Hochsaison, doch das kann die Einbußen der | |
| letzten Jahre auch nicht ausgleichen. „Alle deutschsprachigen | |
| Straßenzeitungen mussten ihre Auflagen runterfahren“, sagt Jörn Sturm, | |
| Geschäftsführer von [2][Hinz&Kunzt] aus Hamburg, dem größten Straßenmagazin | |
| in Deutschland. | |
| Immer weniger Menschen wollen gedruckte Zeitungen lesen. Die Pandemie hat | |
| den Verkauf zusätzlich erschwert. Nun kommen explodierende Papierpreise | |
| hinzu. „Einige Zeitungen stecken in ernsthaften finanziellen | |
| Schwierigkeiten“, sagt Sturm. | |
| So dramatisch ist es bei Hinz&Kunzt zwar noch nicht, aber es brauche | |
| dringend langfristige Lösungen. „Wir verlieren eine ganze Generation an | |
| jungen Lesenden, die bargeldlos unterwegs sind.“ Um die zu erreichen, müsse | |
| eine digitale Ausgabe her – mit virtueller Bezahlmöglichkeit. | |
| Die Redaktionen von anderen Straßenzeitungen sehen das ähnlich. Schon | |
| länger diskutieren sie im gemeinsamen Arbeitskreis Digitalisierung, wie die | |
| digitale Transformation funktionieren kann. Einfach ist das nicht. | |
| „Eine Straßenzeitung ist kein Printmedium wie jedes andere“, sagt Sturm. | |
| Sie biete Menschen, die das dringend brauchen, eine [3][unbürokratische | |
| Verdienstmöglichkeit]. Sie kaufen Zeitungen ein und verkaufen sie auf der | |
| Straße wieder, meist für das Doppelte. Auch eine digitale Ausgabe dürfe | |
| also nur auf der Straße erhältlich sein. | |
| ## Bargeldlos zahlen | |
| Immerhin: In Wien ist es seit Oktober möglich, die Straßenzeitung Augustin | |
| mit dem Smartphone zu bezahlen. Die Verkäufer*innen haben dafür einen | |
| QR-Code dabei, den man mit dem Smartphone scannen kann. Im Januar soll die | |
| digitale Ausgabe folgen. | |
| „Viele, die erst skeptisch waren, sind mittlerweile überzeugt“, sagt | |
| Claudia Poppe vom Augustin. Die meisten von ihnen haben kein Konto und auch | |
| kein Handy. Ihr Geld können sie deshalb täglich bei der Zeitung abholen. | |
| Durch die digitalisierte Bezahlung müssen Verkäufer*innen nicht mehr in | |
| Vorleistung gehen. „Außerdem kann jetzt auch mit Leuten ein Geschäft | |
| zustande kommen, die sagen: Sorry, kein Bargeld dabei.“ | |
| Es gibt aber auch Nachteile. Die Hürde, digital Trinkgeld zu geben sei | |
| höher, sagt Poppe. Außerdem sind Spenden einsehbar, was für manche | |
| Verkäufer*innen problematisch sei. | |
| ## Erstes Online-Straßenmagazin | |
| In Deutschland hat sich zeitgleich die mit einer Berliner Werbeagentur | |
| verknüpfte Stiftung Dojo Cares der schwächelnden Straßenzeitungen | |
| angenommen. Mit dem ausschließlich online erscheinenden Stread will sie | |
| Straßenzeitungen für eine junge, hippe Zielgruppe interessant machen und | |
| den Magazinen gratis digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen. | |
| Bei Stread wird „Lifestyle-Content mit dem Straßenmagazin der jeweiligen | |
| Stadt kombiniert“, sagt Marija Stojanovic, eine der | |
| Geschäftsführer*innen von Dojo Cares. Der Kauf funktioniert wie beim | |
| Augustin über einen QR-Code. Seit November gibt es Stread auf der Straße zu | |
| kaufen, in Osnabrück, Berlin, Leipzig, Münster und Frankfurt. „Andere | |
| Zeitungen brauchen noch Zeit für die Umstellung und werden folgen“ sagt | |
| Stojanovic. | |
| Einige machen aber auch bewusst nicht mit, Hinz&Kunzt zum Beispiel. „Für | |
| uns passt es nicht, wie unsere Inhalte da präsentiert werden“, erklärt Jörn | |
| Sturm. Fifty-Fifty aus Düsseldorf sind auch nicht dabei. Deren | |
| Geschäftsführer Hubert Ostendorf hält von Stread wenig. „Ich bin für | |
| Digitalisierung, aber glaube, es ist noch zu früh“ sagt er. „Stread wird | |
| scheitern.“ | |
| „Im Worst Case – niemand interessiert sich für Stread – wird die digitale | |
| Plattform für die Magazine trotzdem bestehen bleiben“, sagt Stojanovic. | |
| Verkaufszahlen kann sie gegenüber der taz noch nicht nennen. | |
| In Wien dagegen gibt es schon erste Zahlen. Über 700 Ausgaben wurden | |
| digital bezahlt. „Es läuft viel besser als erwartet“, sagt Poppe. Die | |
| Anwendung vom Augustin könnten andere Zeitungen einfach übernehmen. | |
| Im Januar wird der AK Digitalisierung wieder tagen. Jörn Sturm von | |
| Hinz&Kunzt ist gespannt, wie es mit Stread und dem Augustin weitergeht. | |
| Aber er sagt auch: „Digitalisierung wird vielleicht helfen, aber zu | |
| Auflagen wie früher kommen wir nicht mehr.“ | |
| 3 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Amira Klute | |
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