# taz.de -- Straßenzeitung ermöglicht Handyzahlung: „Hinzt&Kunzt“ gibt's … | |
> Ab sofort kann man die Hamburger „Hinz&Kunzt“ bei den Verkaufenden auf | |
> der Straße digital bezahlen. Das soll gegen sinkende Verkaufszahlen | |
> helfen. | |
Bild: Ist nicht mehr nötig: Geldübergabe beim Zeitungskauf | |
Ab diesem Mittwoch gibt es [1][Hinz&Kunzt] auch ohne Bargeld. Die | |
[2][älteste Straßenzeitung Deutschlands] hat ein digitales Bezahlsystem | |
eingeführt. Damit reagiere die Zeitung auf sinkende Verkaufszahlen, sagt | |
der Geschäftsführer Jörn Sturm. Und darauf, dass immer mehr Menschen ohne | |
Bargeld unterwegs sind. | |
Das System funktioniert so: Ab Ende Februar haben alle Verkäufer:innen | |
einen neuen Ausweis mit einem QR-Code. Den können Kund:innen mit ihrem | |
eigenen Handy scannen und werden zu einer Bezahlmaske weitergeleitet. Dort | |
können sie entscheiden, ob sie zum Kaufpreis noch ein Trinkgeld geben | |
möchten und einen Zahlungsdienstleister auswählen, unter anderem PayPal und | |
Google Pay. Nach der Zahlung erscheint ein grüner Haken, die Kund:innen | |
zeigen den Bildschirm der Verkäufer:in und bekommen ihre Zeitung. | |
Das funktioniere sehr gut, sagt Chris. Der 53-Jährige war Teil einer | |
17-köpfigen Testgruppe, die seit November 2024 die neue digitale Bezahlung | |
ausprobieren. Seine Erfahrung: „positiv!“ Er ist überzeugt. Chris weiß, | |
wovon er spricht. Er verkauft Hinz&Kunzt schon seit 30 Jahren. Außerdem | |
bietet er Stadtrundgänge an und ist auf Teilzeitbasis bei Hinz&Kunzt | |
angestellt. Die Zeitung verkauft er bei seinen Rundgängen. | |
Gerade die jungen Teilnehmenden würden ihn oft fragen, ob sie auch | |
bargeldlos bezahlen können, sagt er. Bisher war das nicht möglich. Jetzt | |
könne er den Bargeldlosen endlich etwas anbieten. Er schätzt, dass er | |
deswegen mehr Zeitungen verkauft hat als davor. Aber eigentlich spricht er | |
zuerst vom Großen Ganzen: den Zahlen von Hinz&Kunzt. „Es wird auf jeden | |
Fall die Auflage steigern“ ist er sich sicher. | |
## Auflagenschwund seit Corona | |
Diese Auflage schwächelt seit einigen Jahren. Während vor Corona, 2019, | |
noch rund 58.000 Ausgaben im Monat verkauft worden seien, waren es im | |
vergangenen Jahr nur rund 44.000, sagt Geschäftsführer Sturm. Wie Chris | |
setzt er auf die digitale Bezahlmöglichkeit. „Ich erhoffe mir da schon 'nen | |
Effekt“, sagt Sturm. | |
Eine Straßenzeitung ohne Bargeld zu verkaufen, ist gar nicht so einfach. | |
Hinz&Kunzt ist nicht einfach eine Zeitung, sondern vor allem eine | |
unbürokratische Verdienstmöglichkeit für Menschen, die das dringend | |
gebrauchen können. | |
Nach dem Vorbild der Londoner Straßenzeitung The Big Issue wurde Hinz&Kunzt | |
1993 gegründet. Bisher läuft alles mit Bargeld: Verkäufer:innen kaufen | |
monatlich Zeitungen für mittlerweile 1,40 Euro pro Exemplar ein und | |
verkaufen sie auf der Straße für 2,80 Euro. Pro Stück bekommen Verkaufende | |
also 1,40 Euro, bar auf die Hand, oft zuzüglich Trinkgeld. | |
Aktuell sind es ungefähr 450 Menschen, die regelmäßig Hinz&Kunzt verkaufen. | |
Rund die Hälfte der Verkaufenden hat kein eigenes Konto und kein Handy, | |
sagt Geschäftsführer Sturm. Einige vorherige Ideen, die Bezahlung über | |
persönliche PayPal-Konten der Verkaufenden laufen zu lassen, seien daher | |
gescheitert. „Das war einfach nur für ganz wenige machbar“, sagt Sturm. | |
Deswegen landet das Geld mit dem neuen digitalen Bezahlsystem auf einem | |
zentralen Konto bei Hinz&Kunzt. Dort können die Verkaufenden es sich bar | |
auszahlen lassen, theoretisch sofort nach dem Kaufprozess. Einige | |
Verkäufer:innen seien trotzdem noch skeptisch, sagt Jörn Sturm, weil | |
sie das Geld eben eigentlich sofort bräuchten. „Das ist ja auch so, viele | |
leben hier von der Hand in den Mund“, sagt Sturm. | |
## Das Geld „wartet“ auf die Verkäufer:innen | |
Aber das System habe eben auch den Vorteil, dass das Geld bei Hinz&Kunzt | |
auf die Verkaufenden warte. „Manche nutzen es quasi als Sparbuch“, sagt | |
Sturm. Das sei dann praktisch, wenn Verkaufende mit dem Geld gleich die | |
nächste Ausgabe kaufen können. Außerdem kann man die Zeitung weiterhin auch | |
bar bezahlen. Verkaufende bekommen also weiterhin auch direkt Geld auf die | |
Hand. | |
Sturm schätzt, dass die digitale Bezahlung künftig um zehn Prozent der | |
Verkäufe ausmachen könnte. Chris schätzt, dass er in den vergangenen | |
Monaten schon rund 20 Prozent bargeldlos verkauft hat. Er ist überzeugt, | |
dass die digitale Bezahlung in Zukunft noch wichtiger werden wird. | |
Das Bezahlsystem hat Hinz&Kunzt als erste Straßenzeitung in Deutschland von | |
der Wiener Straßenzeitung [3][Augustin] übernommen. Bisher übernimmt | |
Hinz&Kunzt die Gebühr an die Zahlungsprovider. Bei Paypal sind das pro Kauf | |
etwa 30 Cent. Das soll sich dann rechnen, wenn es die Zeitung nicht mehr | |
nur auf Papier, sondern auch digital gibt und Druckkosten wegfallen. | |
Vielleicht komme die digitale Ausgabe noch in diesem Jahr, sagt Sturm. „Das | |
Wichtigste“, sagt er, „ist aber, dass man Hinz&Kunzt weiterhin nur auf der | |
Straße kaufen kann.“ | |
25 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hinzundkunzt.de/ | |
[2] /Strassenzeitungen-in-der-Krise/!5875288 | |
[3] https://augustin.or.at/ | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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